Freizeit

Voller Körpereinsatz beim Rudelsingen in Bürstadt

Im Bürstädter Bürgerhaus findet das erste Rudelsingen im Ried viel Anklang. „Team Odenwald“ hat ein gutes Gespür für Ohrwürmer.

Von 
Gernot Lahr-Mische
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Das erste Original Rudelsingen in Bürstadt ist gut besucht. © Berno Nix

Bürstadt. Da sage – oder vielmehr singe – noch einer, dass Rock und Popmusik in Sachen Ohrwurmcharakter unschlagbar sind. Von wegen. Das Publikum im Bürstädter Bürgerhaus schaffte es zwar, in fast drei Stunden 26 Lieder mit Zugabe, und zwar das ganze Kaleidoskop von Rock, Pop und Schlager, begeistert mitzusingen.

Doch als Sänger und Gitarrist Ulrich Wurschy die 1940 entstandene Operettenschmonzette „Ja, ja, der Chiantiwein“ anstimmt, diese Textherrlichkeit, die Ralph Maria Siegel zur Komposition von Gerhard Winkler verfasste, da wird es im Bürgerhaus richtig laut. Also „Hoch die Gläser, hoch das Leben. Tralalala.“

Gemeinsames Singen sorgt in Bürstadt für pure Freude

Zum ersten Mal nun also „Rudelsingen“ im Ried – auf Einladung des Bürstädter Kulturbeirats. Inzwischen ist der Begriff „Rudelsingen“, mit dem ja mittlerweile jeder was anfangen kann, geschützt, gar patentiert. Dieses mobile „Fischerchöre-Prinzip“ ist 2011 in Münster entstanden und bekam schnell Kultstatus, so dass die Erfinder David Rautenberg und Matthias Schneider ihr Konzept zügig erweiterten. Und das ist noch untertrieben.

Vielleicht weil gerade überall in der Welt Unbill herrscht, ist gemeinsames Singen die beste Therapie. Und das in der ganzen Nation: Neun Teams, immer Duos, bereisen – aufgeteilt in regionale Gebiete – das Land, gehen in Hallen und Clubs, stellen dort eine Leinwand auf, wovon man die Texte abliest. Und bei drei mal acht Songs mit zweimal 15 Minuten Pause herrscht schon nach wenigen Minuten bei den Spontanchören pure Freude.

Ulrich Wurschy sorgt für die musikalische Begleitung – und gute Stimmung. © Berno Nix

„Wir machen kein Karaoke, wir haben eher Konzertcharakter“, betont Ulrich Wurschy, der Teil der Musikschule „Tonart“ in Groß-Umstadt ist. Zusammen mit dessen Inhaber, dem Pianisten und Studiomusiker Volker Becker, bildet er das „Team Odenwald“. Die beiden untermalen all die Hits wie „The Lion sleeps tonight“ oder „Die kleine Kneipe“ mit E-Piano, Akkordeon und E- und akustischer Gitarre. Mehr braucht es nicht.

Doch: Natürlich einen gewillten Chor! Pflicht sind immer ein Abba- und ein Beatles-Song. „Schön, dass hier 50 Prozent Frauen sind, und dass die anderen 50 Prozent auch fast alles Frauen sind“, frotzelt Wurschy, der das überwiegend weibliche Publikum anfeuert, dirigiert und auch manchen zu frühen Einsatz unterbindet. Natürlich sind auch Männer da.

Ob diese ein „Pur-Medley“ unbedingt goutieren, bleibt dahingestellt, aber, was mitsingbar ist, gefällt, diese Maxime funktioniert. Mal ein bisschen partyhaft bei Peter Schillings „Major Tom“, dann wieder eher konzentriert-beseelt bei „Only you“ von den „Flying Pickets“. „Wie findet Ihr euch denn?“ fragt Wurschy ungefähr in der Halbzeit die etwa 200 Aktiven, die auch gerne mal in sentimentalen Momenten – „Let it be“ – Handys schwenken.

Alte Klassiker textsicher mitgeschmettert in Bürstadt

Das Team Odenwald bewährt sich, gespeist aus tiefer Rudelsing-Auftritt-Routine und musikalischer Kompetenz, als unaufdringlicher Zeremonienmeister dieses vergnüglichen Abends. Man selbst erlebt, wie sich ein Ohrwurm nach dem anderen in die Gehörgänge schleicht, dort alte Erinnerungen beschwört und die innere Juke-Box dank Becker und Wurschy anschmeißt.

Das Publikum im Bürgerhaus singt in voller Lautstärle mit. © Berno Nix

Das Unterbewusstsein krabbelt ins persönliche Songarchiv und siehe da, so mancher verschütt gegangene Text kommt wieder hoch – und wenn nicht ganz vollständig, dann ist die Leinwand ja die optische Souffleuse. Am Ende „I love Rock and Roll.“ Da schließt sich der Sangeskreis, denn das allererste Lied des Abends war zumindest im Ausschnitt John Miles „Music“. Und die ist ja bekanntlich die erste Liebe.

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