NS-Zeit

Vier Stolpersteine erinnern in Bürstadt an Familie Sondheimer

Von 
Jutta Fellbaum
Lesedauer: 
Gunter Demnig (kniend) hat vier weitere Stolpersteine verlegt. © Jutta Fellbaum

Bürstadt. Familie Sondheimer lebte und arbeitete mitten in Bürstadt. Adolf Sondheimer wurde 1881 geboren, ging in Worms auf die Realschule und heiratete seine Clementine. Neben der Arbeit in ihrem Landhandel in der Mainstraße 10 zogen sie ihre beiden Töchter Alice und Hertha auf und schickten ihre Mädchen nach Bensheim in das Goethe-Gymnasium.

Doch schon bald vergiftete der Nationalsozialismus ihr Leben. Vater Sondheimer verkaufte Haus und Grundstück und meldete sein Gewerbe ab. Schon kurz nach der Machtergreifung der Nazis kam er 1933 in das Konzentrationslager nach Osthofen und verstarb dort wenige Wochen danach im Krankenhaus in Worms. Für die Zurückgebliebenen begann eine Odyssee über Frankfurt und New York bis nach Argentinien. Weitere Familienmitglieder wurden in Auschwitz ermordet, anderen gelang die Flucht nach Palästina.

In Erinnerung an die Sondheimers und die von der Nazis begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gegen das Vergessen wurden jetzt vier Stolpersteine vor dem Eingang der heutigen Poststelle verlegt. Im Beisein von Bürgermeisterin Bärbel Schader, von Initiator Burkhard Vetter, „Recherchetalent“ Holger Eberle, einigen Schülern des Bensheimer Gymnasiums und Repräsentanten der Bürgerstiftung verlegte Demnig die messingfarbenden Steine eigenhändig ins Pflaster.

„Was geschehen ist, darf man nicht vergessen, um für die Zukunft dagegen gefeit zu sein“, machte Schader deutlich. Sie erinnerte daran, dass Gunter Demnig bereits zum dritten Mal Stolpersteine in Bürstadt verlegte. Sie sollen die Erinnerung an die unzähligen Gräueltaten gegen die gewaltsam vertriebenen und getöteten Juden wachhalten. Und der Menschen gedenken, die einst wichtiger Bestandteil der Stadt waren und voller Hoffnung in die Zukunft schauten.

Schülerin Hyeryeong Noh, die für das Geschichtsprojekt des Goethe-Gymnasiums recherchiert hatte, ließ das völlig aus den Fugen geratene Leben der Familie Sondheimer Revue passieren. Sie berichtete von Flucht und Vertreibung, aber auch vom Tod einer Tante und deren Familie in einem Vernichtungslager der Nazis. „Ich habe neue Erkenntnisse gewonnen und konnte den Stoff vertiefen“, erklärte das Mädchen, das mit ihren Lehrern und einigen Mitschülern zum Gedenkort gekommen war. Das Goethe-Gymnasium will weiter recherchieren und allen ehemaligen Schülern, die getötet oder vertrieben worden sind, einen Stolperstein gegen das Vergessen widmen.

Neben den beiden Steinen der Schule stiftete die Bürgerstiftung Bürstadt und der Agrarmarkt Engert die zwei anderen Steine. Initiator Burkhard Vetter sucht weitere Paten für Stolpersteine, um an ehemalige jüdische Mitglieder der Stadt zu erinnern. Bei seinen Recherchen erhält er Unterstützung durch Holger Eberle, der unermüdlich den längst verblassten Spuren folgt und immer wieder Nachkommen der Opfer in der ganzen Welt aufspüren kann.

Freie Autorin

Copyright © 2025 Südhessen Morgen