Soziales

Sie machen den Betrieb der Bürstädter Tafel möglich

Von 
Petra Schäfer
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Symbolbild © Felix Kästle

Bürstadt. Wer in der Tafel einkauft, hat nicht viel Geld zum Leben. „Wir sind verpflichtet, eine Bedürftigkeitsprüfung durchzuführen“, sagt Tobias Lauer, Leiter des Diakonischen Werks Bergstraße, das die Bürstädter Tafel betreibt. Bedürftig ist, wer Sozialleistungen erhält. Aber auch Menschen mit geringem Einkommen, die keinen Anspruch auf diese Leistungen haben, können als Kunden aufgenommen werden. Die Nachfrage ist groß. Die ehrenamtlichen Helfer der Tafel in Bürstadt haben daher viel zu tun. Im Gespräch mit dieser Redaktion berichten sie, warum sie regelmäßig im Laden stehen und mitarbeiten. Weitere Helfer sind willkommen, Infos unter www.diakoniebergstrasse.de

Nico Hoffmann

Nico Hofmann ist "Tuersteher". © Berno Nix

Nico Hoffmann gehört seit einem halben Jahr zum Tafelteam. Der 17-Jährige wohnt in Bürstadt und ist Schüler des Lessing-Gymnasiums in Lampertheim. Vor zwei Jahren ging er zusammen mit einem Freund zur Tafel, um sich dort umzuschauen. „Ich wollte mich sozial engagieren.“ Doch dann kam Corona, und die Tafelläden blieben erst einmal geschlossen. Der Schüler gab seinen Plan nicht auf. Jetzt verstärkt er das Helferteam, das freitags in Bürstadt im Einsatz ist. „Zuerst habe ich aufgeräumt und geputzt.“ Da sei er erst nach der Ausgabe in den Laden gekommen. „Dann habe ich gesagt, dass ich auch früher anfangen kann.“ Nun steht der 17-Jährige an der Eingangstür. Dort schaut er nach, ob die Kunden einen Tafelausweis haben und auf der Liste für den Laden stehen. Außerdem nimmt er die zwei Euro entgegen, die ein erwachsener Tafelkunde für seinen Einkauf bezahlt. Kommt noch eine erwachsene Person des gleichen Haushalts hinzu, kostet dies einen Euro. „Meistens warten die Leute am Eingang, bis eine der Ausgabestationen frei ist“, erzählt Nico Hoffmann. Eine willkommene Gelegenheit, um miteinander ins Gespräch zu kommen. „Man erfährt so viel, über die Menschen und die Länder, aus denen sie kommen. Im Moment sind viele Menschen aus der Ukraine hier. Und aus Afghanistan.“ Es sei schon etwas anderes, Berichte über Krieg im Fernsehen zu sehen oder selbst mit den Betroffenen zu sprechen. Aber auch, was Armut bedeutet, habe er bei der Tafel erfahren. Er spreche mit seinen Freunden darüber. „Viele von ihnen wollen der Tafel helfen. Wir hatten an der Schule einen Kuchenverkauf geplant.“ Aber wegen Corona sei dies nicht möglich gewesen. „Wir arbeiten daran, dass es doch noch klappt.“ Nico Hoffmann gehört zum Bürstädter Jugendrat. Und auch dort ist eine Hilfsaktion für die Tafel ein Thema.

Raimund Dussel

Raimund Dussel ist Fahrer bei der Tafel - hier holt er Gemuese ab. © Berno Nix

Raimund Dussel aus Biblis fährt zu Supermärkten, Bäckereien und anderen Verkaufsstellen, um die Lebensmittel für die Tafel in Bürstadt einzusammeln. Der 68-Jährige übernimmt überwiegend die Tour am Freitagvormittag. Rund 20 Geschäfte und Betriebe liegen auf seiner Route zwischen Lorsch, Bürstadt und Biblis. „Wenn ich mal an einem Freitag frei haben will, frage ich die anderen Fahrer, ob einer übernimmt“, sagt er. Natürlich springe er auch für einen Kollegen ein. Seit 2013 ist der Bibliser für die Tafel unterwegs. „Als Rentner hat man ja Zeit.“ Und diese Zeit will er sinnvoll nutzen. Aus der Zeitung erfuhr er, dass die Tafel Fahrer sucht. „Ich habe mich vorgestellt und eine Probefahrt gemacht.“ Seitdem gehört der Bibliser zum ehrenamtlichen Helferteam. „Ich will der Allgemeinheit etwas zurückgeben.“ Die Waren, die er vormittags abholt, werden am gleichen Nachmittag im Tafelladen an Menschen ausgegeben, die mit wenig Geld auskommen müssen. Um 8 Uhr geht’s für Raimund Dussel los. „Wenn es schlecht läuft, bin ich gegen 11.30 Uhr zurück. Wenn es gut läuft erst gegen 13 Uhr.“ Je später er zurückkehre, desto mehr bringe er mit. Im Moment gebe es eher weniger abzuholen. Doch Raimund Dussel ist überzeugt: „Es könnte vielmehr abgegeben werden, stattdessen werden Lebensmittel weggeworfen, die noch einwandfrei sind. Alles mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum sollte der Tafel zur Verfügung gestellt werden.“

Yaha Agir

Agir Yahya gibt Gemuese aus. © Berno Nix

Der 50-jährige Yaha Agir stammt aus der Türkei und lebt jetzt mit seiner Familie in Bürstadt. Die Tafel hat er als Kunde kennen und schätzen gelernt. „Da habe ich gedacht, dass ich auch selbst mithelfen kann. Und das ist super“, sagt der 50-Jährige. „Er ist ein sehr hilfsbereiter Mensch“, sagt ein Freund, der während des Gesprächs mit dieser Redaktion als Übersetzer weiterhilft. Dienstags gibt Yaha Agir an die Tafelkunden Obst und Gemüse aus. Ob es stressig ist, bei dem Andrang den Überblick zu behalten, wollen wir wissen. „Wenn es Stress gibt, ist das für einen guten Zweck. Es ist schön, Menschen glücklich zu sehen“, antwortet Yaha Agir.

Gabi Kohl

Gabi Kohl gibt Brot aus. © Berno Nix

Gabi Kohl (70 Jahre) aus Nordheim ist nach zweijähriger Corona-Pause als Helferin in die Tafel Bürstadt zurückgekehrt. Jetzt gibt sie dort dienstags wieder Backwaren an die Tafelkunden aus. Einige von ihnen kenne sie noch aus der Zeit vor der Pandemie. Und auch die Kunden hätten sie wiedererkannt. „Das ist eine schöne Sache für mich.“ Es seien viele neue Leute dazugekommen. Seit Corona sei es schwieriger, mit den Menschen in Kontakt zu kommen. „Die Abfertigung an den einzelnen Stationen muss schnell gehen.“ Denn in den Räumen sollen sich nicht viele Menschen aufhalten. Als sie in Ruhestand ging, habe sie sich entschieden, bei der Tafel mitzuarbeiten. „Hier kann ich helfen und kann das auch genießen. Verantwortung habe ich hier keine.“ Schon in ihrem Beruf als Erzieherin sei sie geduldig gewesen. „Das bin ich immer noch.“ So behalte sie ihr Lächeln, wenn es mal stressig wird, weil viel los ist und nicht jeder so viel bekommen kann, wie er möchte. An ihrer Station sei meist genügend vorhanden: „Die Bäcker geben sehr viel an die Tafel ab, da muss ich nicht knausern bei der Ausgabe.“

Polina Blinova und Sohn Eugen Blinov

V.l. Eugen Blinov und Polina Blinova. © Berno Nix

Polina Blinova (42 Jahre) aus Hofheim und ihr Sohn 17-jähriger Sohn Eugen Blinov gehören zum Team, das am Freitagnachmittag die Waren an die Tafelkunden in Bürstadt verteilt. Polina Blinova ist vor elf Jahren aus Russland nach Deutschland gekommen. Sie lebte in der Nähe von Moskau. Die 42-Jährige hat noch einen 13-jährigen Sohn. Zur Tafel kam sie zunächst als Kundin. Seit rund sechs Jahren gehört sie zum Helferteam. „Das ist irgendwie so gekommen“, sagt Polina Blinova lachend. „Ich habe zunächst vormittags beim Sortieren der Lebensmittel geholfen. Als Corona begann, hörten viele ältere Helferinnen auf. Sie blieben zuhause, um sich vor dem Virus zu schützen. Deshalb habe ich angefangen, auch zusätzlich nachmittags bei der Ausgabe zu helfen.“ Inzwischen hat sie eine Stelle als Verkäuferin gefunden, die ihr sehr viel Freude macht. Zuvor hatte sie schon Minijobs. Sie ist weiterhin Kundin der Tafel und arbeitet nach wie vor am Freitagnachmittag bei der Ausgabe mit. „Ich verteile Obst und Gemüse.“ Auch ihren Sohn Eugen hat sie für diese ehrenamtliche Arbeit gewinnen können. Vor drei Jahren nahm sie ihn mit zur Tafel. „Eugen schaute sich alles an und arbeitete zur Probe“, berichtet seine Mutter. Und er ist dabeigeblieben. Der 17-Jährige verteilt die Lebensmittel aus der Kühltheke wie Milchprodukte und Wurst. „Hier lernt man fürs Leben. Wir haben Kunden aus verschiedenen Ländern, mit denen er sich unterhalten kann.“ Längst können Mutter und Sohn gut einschätzen, wie viele Produkte sie an die Kunden abgeben können, damit es für alle reicht.

Sandra Thullner

Sandra Thullner © Berno Nix

Sandra Thullner aus Biblis ist seit 2019 bei der Tafel. Zeitungsberichte haben sie dazu bewogen, dort mitzuarbeiten. „Der Gedanke der Lebensmittelrettung in Verbindung mit dem sozialen Gedanken gefällt mir“, sagt die 55-Jährige. Es sei nicht Aufgabe der Tafel, die Kunden mit allen Grundnahrungsmitteln komplett zu versorgen. „Wir können es ermöglichen, dass die Menschen, die Sozialhilfe bekommen, mit frischen Lebensmitteln versorgt werden, die sie sich ansonsten oft nicht leisten können.“ Deshalb findet es Sandra Thullner auch nicht schlimm, dass der Bestand an Trockenwaren, die sie freitags in der Tafel ausgibt, nicht immer so üppig ist. Diese haltbaren Lebensmittel würden nur in geringen Mengen von den Läden abgegeben. „Eine Packung Nudeln ist nicht so teuer, aber frisches Gemüse oder Milchprodukte schon.“ Sandra Thullner steht mit den Lieferanten in Kontakt, also mit den Geschäften, bei denen die Tafel-Fahrer Waren abholen können. „Es gibt Läden, die fest mit dabei sind und auf der Tour angefahren werden. Andere rufen an, wenn es etwas gibt. Aber dort steht auch oft etwas im Regal, was bald abläuft, und der Anruf kommt nicht.“ Unter den Trockenwaren, die ihren Weg in die Tafel finden, gibt es immer mal wieder Überraschendes. Getrocknete Insekten und Schokoriegel mit Insektenanteil zum Beispiel. „Ich habe den Tafelkunden erklärt, was drin ist. So gut, wie ich kann.“ Denn nicht alle verstehen Deutsch oder Englisch. Einige hätten etwas mitgenommen und beim nächsten Besuch noch einmal zugegriffen. „Tafelkunden müssen flexibel sein und sich an dem orientieren, was es gibt.“

Redaktion Redakteurin Südhessen Morgen

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