Kulturbeirat - Kabarettist Arnulf Rating eröffnet das Jahresprogramm mit "Stresstest Deutschland"

Schwester Hedwig kuriert Gäste

Von 
Uta-Caecilia Nabert
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Häubchen auf, Kittel um und schon ist Arnulf Rating die Schwester Hedwig. In verschiedene Rollen schlüpfte der Kabarettist beim Auftakt des Jahresprogramms in Bürstadt. Dabei hatte er immer ein Ziel: Die Politiker durch den Kakao ziehen.

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Bürstadt. Etwa 50 Stück "Menschenmaterial" ist bei Dr. Mabuse alias Arnulf Rating angetreten. Einen Stresstest hat der Kabarettist mit seinem Publikum vor. Er will schauen, wie belastbar die Deutschen noch sind. "Das ist wichtig bei der ganzen Euro-Rettung. Man muss ja schließlich wissen, wieviele Schirme man aufspannen kann." Und wer steckt hinter dem Ganzen? Natürlich, die Merkel. Und die Bertelsmann-Stiftung finanziert es.

Bei Arnulf Rating bekommen die Zuschauer am Donnerstagabend im Bürgerhaus Riedrode viel für ihr Geld: Zum Auftakt des Jahresprogramms des Bürstädter Kulturbeirat ist der Kabarettist nicht nur er selbst. Er schlüpft auch in die Rollen des resignierenden Doktors Mabuse, der resoluten Krankenschwester Hedwig, eines spießigen Busfahrers, eines Bertelsmann-Schnösels, eines kauzigen Deutschland-21-Stresstest-Gegners.

Hintereinander finden sie sich in einer provisorischen Arztpraxis wieder. Plan ist es, jeden Zuschauer einmal auf das Ergometer zu schicken und ein Belastungs-EKG zu machen. Doch dann fällt Schwester Hedwig auf, dass das Rad weg ist. "Naja", sagt sie. "Sie treten hier ja auch so auf der Stelle."

Und weil man nun nichts schaffen kann, ziehen die einzelnen Figuren, jede aus ihrer Sicht, die Prominenz durch den Kakao. Natürlich bekommen vor allem die Politiker ihr Fett weg. Da ist von der "Fregatte Mecklenburg-Vorpommern" die Rede, gemeint ist - natürlich - die Kanzlerin. Und dann ist da ja noch "dieser Wulff, haben Sie schon von ihm gehört?", fragt die Schwester und hat die Lacher auf ihrer Seite. Sie ergänzt: "Eben noch Konfirmand, jetzt Präsident."

Jahresrückblick mal anders

Zwei Stunden lang unterhält Arnulf Rating sein Publikum, bringt es immer wieder zum Schmunzeln und oft zum Lachen. Dabei steigert er sich: Natürlich, auch am Anfang amüsiert er schon mit seinen Pointen und Wortwitzen. Doch als er kurz vor der Pause als Geschäftsmann von Bertelsmann auftritt, bietet er eine mitreißende Performance: In einem Rausch von Schachtelsätzen und Business-Fremdwörtern begeistert er das Publikum - schlafwandlerisch schnell und rhetorisch sicher. Die Wirtschaft nimmt er aufs Korn, er spricht von Bonuspunkten, die man jetzt auch bekommt, wenn man Organspender wird. Auch macht der Geschäftsmann Werbung für den Stresstest, den man bequem im Internet machen kann. Natürlich alles streng nach EU-Richtlinien. Dann feuert er knallhart Dr. Mabuse und seine Mannschaft mit Hilfe einer App - er war mit ihnen nicht zufrieden.

Katzenjammer nach der Pause. Dr. Mabuse sorgt sich darüber, wie er überleben soll - und freut sich über Gammelfleischskandale und jedes neue Bakterium im Essen: "So wird mein Wartezimmer voll." Und wenn die Ökofleischwelle überhand nimmt? "Na, dann müssen sich die Leute ihr Antibiotikum wieder von mir verschreiben lassen."

Anschließend tritt Arnulf Rating als er selbst auf die Bühne, blickt mit Hilfe der Bild-Zeitung zurück auf das Jahr 2011. Dafür ist er ja bereits bekannt und man weiß auch schnell, warum: Sind die Schlagzeilen des Blattes auch so schon pointiert, steigert es der Kabarettist zur Komik: Den Bericht von Knuts Tod fischt er aus einem Metallkoffer. "Der hatte einen Hirnschaden. Das kann schon mal vorkommen, wenn man von den Menschen großgezogen wurde. Und Sigmar Gabriel zum Patenonkel hat." Bei der Schlagzeile "Horrorkeime im Darm" fragt er : Was sind das für Zeiten, wo ein Veganer zum Selbstmordattentäter wird?" Gemeinsam mit Rating macht Zeitunglesen noch mehr Spaß. Auf einmal hat man das Gefühl: Eigentlich ist alles gar nicht so schlimm. Und auch für die Figuren auf der Bühne wird es wieder gut: Bertelsmann stellt sie wieder ein. Nur das Ergometer fehlt noch immer, doch Schwester Hedwig macht Mut: "Wir müssen mit Ihnen keinen Stresstest machen. Sie haben Biblis überlebt, den Rest schaffen Sie auch noch."

Freie Autorin

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