Tierseuche

Schweinepest im Kreis Bergstraße: „Wollen wildschweinfrei werden“

Infoveranstaltung zur ASP in Bürstadt: Doppelte Zäune sollen die Seuche eindämmen, der Einsatz der Jäger ist weiter gefragt. Wieso es Kritik an den Behörden gibt.

Von 
Sandra Bollmann
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Auch den letzten Wildschweinen in der Region soll es an den Kragen gehen. So wollen Kreis und Land die Afrikanische Schweinepest endgültig eindämmen. © picture alliance/dpa

Bürstadt. Wer im Wald spazieren geht, bekommt sie kaum mehr zu sehen. Dennoch: „Es gibt immer noch zu viele Wildschweine“, macht Staatssekretät Michael Ruhl im Bürstädter Bürgerhaus deutlich. Erklärtes Ziel des Hessischen Umweltministeriums ist es deshalb, die Schwarzwildpopulation auf null zu setzen. Zumindest in den Bereichen, in denen die Afrikanische Schweinepest (ASP) grassiert. Die zahlreichen Besucher im Saal quittieren die Aussage mit einem Nicken. Aus dem gesamten Kreis sind Jäger und Landwirte, aber auch Naturschützer der Einladung zum Austausch gefolgt. Und nutzen gerne die Gelegenheit, Fragen zu stellen.

Kreis Bergstraße noch mitten im Seuchengeschehen

Große Hoffnung auf ein schnelles Ende der Schutzmaßnahmen macht Ruhl nicht. „Wir sind noch mitten im Seuchengeschehen“, stellt er klar. In der Öffentlichkeit sei zwar der Eindruck entstanden, es gebe nur noch einzelne Fälle. Dennoch liege sehr viel Arbeit vor allen Beteiligten. „Wir sind bereits eineinhalb Jahre in der ASP, und es wird mindestens so lange dauern, bis wir wieder draußen sind.“

Das Problem: Die Krankheit verläuft zu 95 Prozent tödlich, kaum ein Tier überlebt. Die Ansteckungsgefahr ist dabei nicht besonders groß, wie sich herausgestellt hat, die Ausbreitung geht also langsam voran. Es gibt also noch viele gesunde Tiere. Vor allem aber bleibt der Virus sehr lange im Boden und kann immer wieder Wildschweine befallen – und weiter getragen werden. Deshalb sehen die Seuchenbekämpfer keine andere Möglichkeit, als „wildschweinfrei“ zu werden, wie sich Ruhl ausdrückt. Für die anwesenden Jäger bedeutet das: Weiter schießen, was geht.

Staatssekretär Michael Ruhl erläutert vor vollen Sitzreihen im Bürstädter Bürgerhaus, welche Maßnahmen nun geplant sind. © Berno Nix

Mithilfe von sogenannten weißen Zonen wollen Ministerium und Kreis nun eine effektive Abgrenzung gegen die ASP schaffen. Das bedeutet: Es werden Bereiche doppelt eingezäunt in einem Abstand von 300 bis 500 Meter. Entscheidend sei, dass es in den weißen Zonen zwischen den beiden Begrenzungen kein einziges Wildschwein mehr gibt, richtete sich Rühl direkt an die Jagdpächter. Auch im Innenbereich lautet die Vorgabe: Population gleich null. „Aber das ist schwierig zu schaffen“, räumt Rühl ein.

Wie können die Sperrzonen wieder aufgehoben werden?

Die große Frage ist nun: Was muss getan werden, damit die strengen Auflagen der Europäischen Union aufgehoben werden können? „Wir müssen nachweisen, dass wir seuchenfrei sind“, macht Michael Ruhl deutlich. Also steht nach dem großen Schießen und der schnellen Beseitigung aller Kadaver ein regelmäßiges Monitoring an. Nur wenn vorschriftsmäßig dokumentiert ist, dass es tatsächlich keine Schwarzkittel mehr in diesem Gebiet gibt, dürften die Sperrzonen nach und nach aufgehoben werden. Das sei vor allem für die Schweinebetriebe in Hessen entscheidend. „Wir wollen schließlich, dass auch weiterhin Lebensmittel in unserer Region produziert werden können.“

Stellen sich den Fragen aus dem Publikum: Staatssekretär Michael Ruhl (links) und Kreisbeigeordneter Matthias Schimpf. © Berno Nix

Der hauptamtliche Kreisbeigeordnete Matthias Schimpf hat ein großes Lob für die Jägerschaft parat: Er spricht von „massivem Engagement“ und „meisterhafter Zusammenarbeit mit der Verwaltung“. Zwischenzeitlich sei der Kreis Bergstraße Spitzenreiter in Hessen gewesen, was die Fallzahlen betrifft. Kranke Tiere habe man vor allem in einem breiten Streifen zwischen der Bergstraße und B 44 gefunden. „Diese Spitze haben wir nun hinter uns gelassen.“ Dennoch ruft er Spaziergänger dazu auf, sich weiter an die Regeln zu halten – auch wenn viele Verbote aufgehoben seien. Ganz wichtig: „Die Tore in den Zäunen wieder verschließen.“ Zudem sei der Kreis für jeden Hinweis auf ein totes Tier dankbar. Besonders interessant sind Wildschweine, die gerade erst verstorben sind, sowie Funde, die „die Seuchenlage verändern“.

„Wir können nicht alle Schäden ersetzen“

Wichtiges Instrument beim Monitoring sind regelmäßige Drohnenflüge, machen Ruhl und Schimpf deutlich. Allerdings sehen etliche Anwesende die Drohnenflüge kritisch: So seien für die Flüge genaue Routen festgelegt. „Aber das Dickicht, wo sich die Sauen oft aufhalten, wird nicht abgesucht“, kritisiert ein Landwirt. Die Drohnenpiloten seien oft wenig ortskundig, die Flüge inzwischen sehr teuer, gab ein Jagdpächter zu bedenken. „Der Kreis gibt dafür deutlich mehr als eine Million Euro aus“, bestätigt Schimpf. Auf die aktuelle „Preistreiberei“ will er sich dennoch nicht einlassen. Allerdings müsse sichergestellt werden, dass die Überflüge regelmäßig und verlässlich stattfinden und dokumentiert werden. „Das ist mit Ehrenamtlichen nicht zu schaffen.“

An der Maulbeeraue warnt ein Schild vor der Afrikanischen Schweinepest. Tierschützer befürchten, dass Hochwasser hier tödliche Folgen haben können. © Berno Nix

Ebenfalls ein großer Kritikpunkt aus dem Publikum: Die Erstattung von Kosten – ob für Drohnenflüge, Wildschäden oder nicht verwertete Tiere. Schimpf bittet um Geduld. Der größte Berg an Anträgen sei inzwischen abgearbeitet, der Rest werde bearbeitet, so schnell es gehe. Ihm sei deutlich bewusst, dass die Tierseuche eine große finanzielle Belastung verursache. „Wir können allerdings nicht alle Schäden ersetzen“, macht er klar, dass Landwirte und Jäger einen Teil ihrer Kosten selbst stemmen müssen.

Schutzzäune als tödliche Bedrohung für Wildtiere in der Maulbeeraue

Für einige Themen gab es an diesem Abend allerdings keine Lösung: für den Bereich der Maulbeeraue beispielsweise. Bei Hochwasser, wie es im Winter regelmäßig vorkommt, können Rehe, Füchse und Mäuse nicht flüchten, weil der Bereich komplett eingezäunt ist. „Die Tiere drohen zu ertrinken“, kündigen Vertreterinnen der eigens gegründeten Bürgerinitiative an. „Wir schauen uns das genau an“, versichert Ruhl gleich mehrfach.

Ohnehin müssen am Rhein noch Zäune gebaut werden: „Da gibt es Restarbeiten zu erledigen“, teilt der Staatssekretär mit. Es müsse schließlich unbedingt verhindert werden, dass tote oder kranke Tier in den Rhein gelangen, weggeschwemmt werden und die Seuche weitertragen. Schließlich ist das erklärte Ziel die komplette Ausrottung der ASP. „Dann können auch wieder Wildschweine aus der Umgebung zuwandern.“

https://www.mannheimer-morgen.de/orte/lampertheim_artikel,-lampertheim-lampertheimer-buergerinitiative-fordert-aenderung-am-asp-schutzzaun-_arid,2327500.html

https://www.mannheimer-morgen.de/metropolregion_artikel,-metropolregion-warum-im-rhein-neckar-kreis-so-viele-wildschweine-geschossen-werden-_arid,2323277.html

Redaktion Redakteurin "Südhessen Morgen", Schwerpunkt Bürstadt

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