Benefizkonzert

Neue Wege, neues Glück

Bestseller-Autor Anselm Grün ist gemeinsam mit Musiker Clemens Bittlinger zu Gast bei einem Benefizkonzert im Bürstädter Bürgerhaus.

Von 
Markus Mertens
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Ein offenes Wort zum Ende: Pater Anselm Grün (r.) und Liedermacher Clemens Bittlinger im Bürgerhaus Bürstadt. © Markus Mertens

Bürstadt. Streng genommen ist die Geschichte dieses Benefizkonzerts eigentlich die eines Unglücks. Denn was als Unterstützungsmaßnahme für die Erneuerung des evangelischen Gemeindehauses in Bürstadt geplant war, kommt nun fast zum Ende der Baumaßnahmen – mal ganz abgesehen von dem Programm mit Pater Anselm Grün und dem Musiker Clemens Bittlinger, auf den die aufmerksamen Zuhörer Coronabedingt eine gefühlte Ewigkeit warten mussten. Als Pfarrerin Johanna Gotzmann die Odyssee in ihrem Grußwort rekapituliert, klingt all das jedoch keineswegs resignativ, sondern eher augenzwinkernd auf eine Zeit der Ungewissheit geblickt, der man so gut wie nur irgend möglich mit Optimismus begegnet. Und auch der musikalische Geistliche Bittlinger weiß in seinem vieldeutig gewählten Programmtitel: „Zum Glück gibt es Wege“ – auch und ganz besonders dann, wenn die Lösung der eigenen Herausforderungen eben nicht auf der Hand liegt.

Dementsprechend folgerichtig bekämpft auch Bittlinger alles Betrübende mit der Macht des Humors und der verbindenden Kraft des Singens. „Langsam durch die schnelle Zeit“ etwa wird so zu weit mehr als einem beliebigen philosophischen Ratschlag in einer Phase gesellschaftlicher Überhitzung: An diesem heißen Nachmittag im Bürgerhaus avancieren Werte wie diese zu einem gelebten Prinzip, das sich durch das Lachen um die Heiterkeit verlängert.

Humor und Tiefsinn

Als Bittlinger von einer alten Dame erzählt, die von ihrem katholischen Priester nach dem Wunsch der Bestattung ihres geliebten Hundes schroff zurückgewiesen wird, kommt das erst einmal recht makaber daher – doch nur bis zu dem Punkt, an dem das fromme Gemeindeoberhaupt zur Kenntnis nimmt, dass die Seniorin das Begräbnis mit einer Spende von 10 000 Euro versehen wollte und der Priester schließlich erwidert: „Sie hatten nicht erwähnt, dass der Hund katholisch war!“

Derart augenzwinkernd und tiefsinnig begeben sich die 90 Minuten vor gut besetzten Reihen auf eine Reise zwischen Anleitung und Inspiration für ein zufriedeneres Leben. Das Patentrezept zur Sorglosigkeit hat zwar auch Pater Anselm Grün nicht im Gepäck – doch die Erkenntnis, dass sich das Glück nicht festhalten lässt und das Freisein von der Sucht nach Zufriedenheit zu viel mehr Glückseligkeit führt, bleibt hängen. Auch Grüns Reflexion über die ständige Verfügbarkeit in einem Zeitalter der Digitalisierung besticht, als der Pater sinnträchtig fragt: „Wir sind permanent in Kontakt, aber begegnen wir uns auch?“

Wenn eines jedenfalls sicher ist, dann die Tatsache, dass dieser Nachmittag in Bürstadt im Verlauf der eineinhalb Stunden für so manchen zu einer eindrucksvollen Begegnung mit sich selbst und für nahezu jeden mit dem Rest des Publikums im Bürgerhaus wird. Denn so intensiv, wie Bittlinger auf die Notwendigkeit von Empathie hinweist („Das könnte auch ich sein“) und damit den Bogen vom schwerbehinderten Nachbarn bis hin zum Krieg in der Ukraine spannt, so rauschend ist auch der Beifall, der bei nahezu jeder Nummer gen Bühne brandet.

Dass die Gäste bei den eingeblendeten Texten einfach über ihren Schatten springen und kurzerhand mitsingen, bleibt somit keine Randerscheinung: Es prägt diesen Nachmittag, in dessen Verlauf fast schon so etwas wie ein Same der Euphorie keimt.

Da mögen die Ratschläge von Bittlinger und Grün, den Hang zur Beschwerde gegen die Dankbarkeit für die Seligkeiten des eigenen Seins zu tauschen, noch so plausibel daherkommen: Die Unmittelbarkeit dieses Genusses selbst macht mehr als deutlich klar, dass ein bewusster und vor allem erwünschter Spaß an der Sache eigentlich nur Gewinner zurücklässt – und zwar sowohl auf der Bühne als auch vor ihr.

In Verbindung bleiben

So gesehen verwandelt sich dieses Benefiz am Ende zu viel mehr als einem Spenden-Event für ein Gemeindehaus, dessen Fertigstellung auch heute noch einiges an Spendenmitteln benötigen wird. Bürstadt feiert vielmehr ein Plädoyer, das Achtsamkeit, Liebe und Barmherzigkeit nicht nur behauptet oder fordert, sondern einlöst. Es ist ein Nachmittag, an dem sich das Glück, das in den Mienen so vieler begeisterter Zuhörer erstrahlt, potenziert und weit über diese Stunden hinaus fortsetzen wird. Eine Losung, die genau so auch die beiden Protagonisten zum Finale noch einmal deutlich machen: „Du musst nicht perfekt sein, bleib’ in Verbindung!“ Schöner kann man das in der Tat kaum sagen.

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