Bürstadt. Was passiert, wenn man über die Siegfriedbrücke am Autohaus Kohl radelt, ein Auto trotz durchgezogener Linie zum Überholen ansetzt und ein Fahrzeug entgegen kommt? „Das ist eine ganz heikle Stelle. Der Autofahrer schert aus Reflex doch sicher in Richtung Radfahrer aus“, sagt Martina Moldon. Sie hat mit zwei Mitstreitern im Frühjahr in Bürstadt eine Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) gegründet. Als passionierte Radfahrerin kennt sie sich aus – und kann etliche gefährliche Situationen benennen. Ihr Fazit: „Der Schutz der Radfahrenden wird bei uns nicht so ernst genommen.“
Tiefe Löcher im Asphalt der Vincenzstraße, unklare Situationen auf der Brücke in der Wasserwerkstraße und am Bibliser Pfad oder Unsicherheiten in der neu gestalteten Bahnhofsallee kritisiert Moldon im Gespräch mit der Redaktion. An der Siegfriedbrücke, wo unser Fotograf direkt erlebt, wie ein Auto an den Radfahrern vorbeirauscht, wünscht sich Moldon ein Überholverbot mit entsprechendem Verkehrsschild. Möglicher Gegenverkehr ist unten auf der Brücke nicht zu erkennen. Beim Ordnungsamt ist die Situation dagegen klar: „Bei unklarer Verkehrslage darf nicht überholt werden“, sagt Rainer Stöckel. Das sei an dieser unübersichtlichen Stelle ohnehin verboten. Deswegen ja auch die durchgezogene Linie.
Martina Moldon würde sich trotzdem mehr Klarheit wünschen – und mehr Engagement von Seiten der Stadt. „Die Bürgermeisterin ist doch oberste Verkehrsbehörde“, sagt die Sozialpädagogin. Sie radelt nicht nur in ihrer Freizeit, sondern nutzt das Rad auch, um zur Arbeit nach Mannheim zu kommen. Die 57-Jährige kennt sich aus in der Region, engagiert sich bereits im ADFC Kreis Bergstraße und will nun im Ried Präsenz zeigen. Schließlich lebt sie in Bürstadt. Als Sprecherin der neuen Ortsgruppe sagt sie: „Insbesondere für Kinder und ältere Menschen muss sich die Verkehrsinfrastruktur hier verbessern: Damit sie sich überhaupt trauen, Rad zu fahren.“
Ideen, Wünsche und Konzepte
Der ADFC – Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club – ist die größte Interessenvertretung für Radfahrende weltweit und hat nach eigenen Angaben mehr als 215 000 Mitglieder. Die Ortsgruppe Bürstadt hat Martina Moldon, die sich bereits im ADFC Kreis Bergstraße engagiert, Ende April gegründet. Sie fungiert als Sprecherin, Alexander Hümpel als Stellvertreter.
Der ADFC verlangt von der Politik mehr fahrradfreundliche Wege. Er setzt sich für die Verkehrswende mit dem Fahrrad und damit für mehr Klimaschutz, Sicherheit, Gesundheit und Lebensqualität ein.
Der Kreistag hat 2020 ein Kreisradverkehrskonzept verabschiedet, das – auch für Bürstadt – etliche Ziele bis 2030 definiert. Demnach sollen Garten- und Graf-von-Stauffenberg-Straße zur Fahrradstraße werden – als Ost-West-Verbindung. In Richtung Worms sollte diese von der Nibelungenstraße über die Siegfriedbrücke angelegt werden. Als schnelle Nord-Süd-Tangente sind für Radfahrer Schul- und Mainstraße vorgesehen.
Im Konzept gefordert werden aber auch eine abgesenkte Bordsteinkante an der Boxheimerhofbrücke sowie jeweils eine Querungshilfe an der Kreuzung Nibelungen- zur Wasserwerkstraße und in der Wasserwerkstraße am Neubaugebiet Sonneneck. cos
Auch Fußgänger hat sie im Blick, etwa an der Bushaltestelle in der Dammstraße. „An dieser Engstelle warten Personen auf den Bus, aber wer mit Rollator oder Kinderwagen unterwegs ist, hat keinen Platz. Die Haltestelle müsste in Richtung Innenstadt, zum Vetter hin, verlegt werden“, findet Moldon. Bei der Stadt wiederum verweist man auf Absprachen zum Nahverkehr mit dem VRN und auf festgelegte Abstände zwischen einzelnen Haltestellen, die berücksichtigt werden müssten. „Die Stelle ist dort sehr eng, aber das lässt sich am Viadukt nicht ändern“, sagt Bürgermeisterin Bärbel Schader.
Dass in der neu gestalteten Bahnhofsallee kein eigener Radweg installiert wurde, wie Moldon auch fordert, liegt laut Schader ebenfalls an der fehlenden Fahrbahnbreite. Piktogramme sollen dort nun aufgemalt werden. „Diese Symbole bieten aber nur einen subjektiven Schutz, da sie Autofahrern lediglich den Hinweis geben, dass sie nicht alleine unterwegs sind“, sagt Moldon. Die Situation dort sei trotz Tempo 30 unsicher. „Eine Frau um die 70 erzählte neulich, dass sie aus Angst vor den Autos mit dem Rad auf den Bürgersteig ausweicht.“ Für Moldon ist das unbefriedigend. „Auf dem Gehweg dürfen Erwachsene nur fahren, wenn sie ihr Kind bis zehn Jahre begleiten.“
Moldon möchte Gehwege nicht illegal nutzen, sondern klare Situationen. Beispielsweise an der Brücke ins Sonneneck. Für Stöckel im Ordnungsamt ist dagegen klar, dass bei Tempo 30 dort Mischverkehr gilt: auf der Fahrbahn. Moldon bleibt dabei: „Es fehlen klare Ansagen in Bürstadt, und das führt zu Verwirrung – auch bei den Autofahrern.“ Gespannt ist sie schon, wie der Knotenpunkt von der Nibelungen- zur Forsthausstraße umgestaltet und „ob dort eine befriedigende Lösung gefunden wird“. Auf der Abbiegespur sollte es auf jeden Fall Platz für Radfahrer zum Halten geben.
Für einen attraktiven Radverkehr wünscht sich die 57-Jährige grundsätzlich gute Verbindungen in Nord/Süd- und Ost/West-Richtung. Ein Beispiel: „Von der Oberschultheiß-Schremser- durch die Magnusstraße könnte man den neuen Sportcampus mit der alla hopp!-Anlage verbinden. Das wäre auch toll für die vielen Kinder, die zu den Schulen radeln.“ Die Schremserstraße für Radler auszubauen, ist laut Bürgermeisterin auch der Wunsch der Stadt. „Aber das geht erst, wenn die Container vor der Schillerschule weg sind und alles wieder frei ist.“ Zudem habe der Umbau der Nibelungenstraße gerade Priorität, auch da solle der Radverkehr gestärkt werden.
Für die Siegfriedbrücke erhofft sich die Rathauschefin übrigens zumindest langfristig Entlastung: „Wenn endlich der Ausbau der B 47 auf vier Spuren vorankommt, wird diese Strecke sowieso nur noch für die Landwirtschaft und Radfahrer freigegeben.“ Darauf freut sich auch Martina Moldon schon. Sie wünscht sich zudem, dass die Kommunalpolitiker mal aufs Rad steigen. „Vieles erkennt und versteht man erst, wenn man die Situation selbst erlebt.“
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