Bürstadt. Bürstadt. „Sei ein Mensch.“ Mit diesem Satz hat Marcel Reif am 31. Januar vor ziemlich genau einem Jahr die Öffentlichkeit berührt. Die Worte seines Vaters Leon waren Leitmotiv einer Rede vor dem Bundestag zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus. Unter dem Eindruck des Massakers in Israel vom 7. Oktober 2023 warnte die Sportreporter-Legende vor dem Wiedererstarken des Antisemitismus. Für sein vielfältiges gesellschaftliches Engagement erhielt Marcel Reif nun den Courage-Orden vom Heimat- und Carneval-Verein im Bürstädter Bürgerhaus.
„Sie haben die Welt des Sports geprägt, mit Ihrer Stimme und Ihrer unverwechselbaren Haltung“, würdigte Patrick Brenner den Preisträger. Vor 300 Besuchern im Bürgerhaus wies der Sitzungspräsident des HCV auf die Bedeutung von Courage in diesen Zeiten hin. Die berühmten drei Worte der Bundestagsrede seien Aufruf für Vielfalt, Demokratie und Freiheit, unterstrich Bürgermeisterin Bärbel Schader. Die Botschaft des Pluralismus „weiter nach draußen“ zu verbreiten, das wünsche sie sich von Herzen.
Frank Reichmann dankte indes der HCV-Familie, die sechs mal elf Jahre närrisches Jubiläum feiert. „Der HCV, wie man ihn kennt“, sei „in der Heimat stets präsent“, spielte der Erste Vorsitzende auf ein Kampagnenmotto an. Den Bogen zwischen Fastnacht und Politik spannte Christian Engelhardt: „Nicht jeder, der sich im Bundestag zum Narren macht, weiß auch, dass er ein Narr ist“, meinte der Landrat des Kreises Bergstraße. Im Fasching sei das anders. „Ein Komet mit hellem Schweif“ – dies sei der einzigartige Marcel Reif, läutete Engelhardt die Ehrung des Schweizer Staatsbürgers ein.
Was als verrückt galt, ist plötzlich sagbar
Der Tradition folgend oblag die Laudatio der Vorjahres-Preisträgerin. Zu diesem Anlass sprechen zu dürfen, sei eine große Ehre, erklärte Katrin Eigendorf, die sich als Fernsehjournalistin in Kriegsgebieten einen Namen gemacht hat. Wie aktuell Courage ist, zeige das Beispiel Davos: Die Rede von Donald Trump zum Weltwirtschaftsforum habe verdeutlicht, dass Werte wie Menschlichkeit und Respekt „verrückbar“ geworden seien. „Was wir lange als verrückt angesehen haben, ist jetzt wieder sagbar und machbar“, kritisierte die Auslandskorrespondentin.
Mit Blick auf den jüdischen Vater Reifs fragte Katrin Eigendorf: „Was bedeutet eigentlich Mensch“? In der jüdischen Kultur sei die Bezeichnung mehr als nur biologisch. Es gehe um Anstand, Werte und Mitgefühl. Gegenwärtig müsse man fragen: „Was hat die Welt aus Auschwitz gelernt?“ In den Straßen Berlins dürften Demonstranten zur Vernichtung Israels aufrufen, konstatierte Eigendorf. Zugleich trete Elon Musk für die „Partei des Hasses“ ein. Man stehe so an einem kritischen Punkt der Geschichte, gerade in Deutschland. „Wir brauchen jetzt Menschen wie Sie, die nicht stillschweigen, die nicht zögern“, würdigte die Vorjahres-Preisträgerin ihren Nachfolger. Der Courage-Orden sei deshalb heute noch wichtiger als vor einem, fünf oder zehn Jahren.
Für Marcel Reif war das Meiste bereits gesagt. „Dass wir im Jahr 2025 allen Ernstes im Land der Täter über Antisemitismus reden, ist allerdings unfassbar“, mahnte der Sportreporter, der nach dem Studium der Publizistik und Amerikanistik beim ZDF arbeitete, bevor er bei RTL zum Chefkommentator Fußball aufstieg.
Mutige Auszeichnung
Der Courage-Orden wird seit 1983 verliehen. Damit zeichnet der HCV Bürstadt herausragende Persönlichkeiten für Mut in der Öffentlichkeit aus.
Zu den Preisträgern zählen Prominente aus Politik, Sport und Unterhaltung. Erster Träger des Courage-Ordens war Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP). Auch Enthüllungsjournalist Günter Wallraff, Kult-Trainer Klaus Schlappner und Showmaster Dieter Thomas Heck haben die Auszeichnung erhalten.
Mit Marcel Reif würdigt der Karnevalsverein eine Sportreporter-Legende . Laudatorin Katrin Eigendorf erhielt den Orden im Vorjahr.
Verbunden mit der Ehrung ist ein Eintrag ins Goldene Buch der Stadt sowie die Ehrenmitgliedschaft im HCV. dtim
„Sei ein Mensch“ habe ihm sein Vater zu verschiedensten Anlässen gesagt. „Sorgen Sie dafür, dass wir unsere Art zu leben, aufrechterhalten“, müsse heute das Credo sein. Jungen Menschen gebe er gerne mit auf den Weg: „Niemand kann euch dafür verantwortlich machen, was geschehen ist, aber jeder kann euch schuldig sprechen, wenn es sich wiederholt.“ Dass Courage jedoch nicht nur politisch sein muss, ließ Reif in seinem Schlusswort erkennen: „Wenn du in Dortmund ein Spiel kommentierst und sagst, das war ein Elfmeter für Bayern, dann brauchst du wirklich Courage!“
Ordensträger genießen das große Fest
Eingerahmt wurde die Ehrung des 75-Jährigen von Showtanz und dem Auftritt des Prinzenpaars Marina II. und Markus I. Zahlreiche Prominente hatten sich zudem versammelt: Klaus Schlappner, Kult-Trainer des SV Waldhof und Träger des HCV-Ordens im Jahr 2003, war mit Ehefrau Irene zugegen. Komponist Franz Lambert hat die Auszeichnung 2013 erhalten. Kabarettist Lars Reichow, Preisträger 2018, kommt am 21. März mit seinem aktuellen Programm in die Stadt. Wie spannend die Ordensvergabe jedes Mal ist, erzählte Bärbel Schader: „Niemand weiß etwas vorher.“ Über die Wahl von Marcel Reif zum Träger des Courage-Ordens 2025 hätten sich alle außerordentlich gefreut.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/buerstadt_artikel,-buerstadt-marcel-reif-mit-courage-orden-in-buerstadt-geehrt-_arid,2286821.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/buerstadt.html
[2] https://www.hcv-buerstadt.de/
[3] https://www.buerstadt.de/de/startseite