Bürstadt. Mit den Waschbären bekamen die Vögel im Ried einen unverhofften Futterneider: Erstmals haben die possierlichen Allesfresser im vergangenen Winter wiederholt Futterstellen der Vogelfreunde Bürstadt geplündert. Vermutlich vom Geruch der Fetttafeln angelockt, haben sie zwei Futterstellen für Vögel verwüstet, wie Heinz Eisenhauer, Waldvogelobmann der Vogelfreunde Bürstadt berichtet.
Von den 40 Fetttafeln, welche die Vogelfreunde in jedem Winter aushängen, sind insgesamt 14 Stück geplündert worden. Sie enthielten ungefähr 100 Kilogramm Sonnenblumenkerne. "Das waren ganz sicher Waschbären", sagt Eisenhauer, der auf den Futterbehältern typische Kratzspuren entdeckt hat. Die frechen Räuber hätten Hebel an Futterautomaten umgelegt, um die 25 Zentimeter tiefen Behälter zu Boden fallenzulassen und zu öffnen. "Und dann kamen Wildschweine und sind über die Reste hergefallen."
Um mehr über das Verhalten der nachtaktiven Kleinbären herauszufinden, will Vereinsmitglied Heinz Diederichs Nachtsicht-Videokameras installieren und die Aufnahmen an das Forstamt weitergeben. Für die geschickten Futterdiebe dürfte sich dadurch nicht viel ändern: "Hier im Wald gibt's keinen Hochsitz. Hier wird nur mit der Kamera geschossen", erklärt der ehrenamtliche Helfer.
Da verschiedene Vogelarten auf die Sonnenblumenkerne und Haferflocken angewiesen sind, hat Eisenhauer die Automaten umgehend an anderer Stelle wieder aufgebaut. "Und zwar freischwebend an einem Ast, so dass die Schlingel nicht drankommen." Alle Tiere suchten nach Nahrung, "aber kein zweites stellt sich dabei so geschickt an wie der Waschbär", sagt Eisenhauer.
Liegt der Grund für die - nicht nur unter Vogelschützern - verbreitete Wut auf den nordamerikanischen Schupp in seiner Raffinesse? "Eher in seiner ungehinderten Ausbreitung", sagt Andrea Hartkorn von der Lampertheimer Gruppe des Naturschutzbundes (Nabu). "Bei Neozoen, also aus anderen Regionen eingeschleppten Tierarten, besteht die Gefahr, dass sie die heimischen Arten verdrängen."
Geplünderte Vogelnester
Zum Beispiel fressen die bis zu 30 Zentimeter großen Säugetiere Eier aus Nestern von Bodenbrütern wie Rebhuhn, Kiebitz und Feldlärche. Eine unkontrollierte Ausbreitung des nachtaktiven Räubers, der in Deutschland keine natürlichen Feinde hat, würde den Bestand von Bodenbrütern gefährden, fürchtet Alfred Laut, Leiter der Hegegemeinschaft südliches Ried.
"Der Waschbär hat seinen Siegeszug von Nordhessen zu uns fortgesetzt", sagt der Chefjäger. Denn: "Wir dürfen nicht schießen, weil Umweltministerin Priska Hinz denen eine Schonzeit verpasst hat", ärgert sich Jäger Laut.
Nach hessischer Jagdverordnung dürfen die putzigen Kleinbären von Anfang August bis Ende Februar erlegt werden, Jungtiere und ihre Eltern genießen besonderen Schutz.
Droht Südhessen in den kommenden Jahren also eine Waschbären-Invasion? Die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Während im Landkreis Kassel jährlich mehrere tausend Tiere erlegt werden, waren es in der vergangenen Jagdsaison im Kreis Bergstraße acht.
Allerdings: Die dortige Horde der mit dem Marder verwandten Tiere geht laut Naturschutzbehörde zurück auf vier Exemplare, die 1934 am Edersee ausgesetzt wurden.
Geschickter Allesfresser
"Nordhessen ist nach wie vor der größere Hotspot", sagt Roman Kreteck von der Naturschützbehörde im Landkreis Kassel. Dort werden jährlich mehrere tausend Waschbären erlegt.
Der aus Amerika stammende Waschbär ist ein Allesfresser. Neben Eiern und Jungvögeln futtert er Obst und Nüsse. Auch Molche, Fische und Kröten stehen auf der Speisekarte der vorwiegend nachtaktiven Säugetiere.
Umstritten bleibt, ob der in den 1920er Jahren nach Deutschland gebrachte Kleinbär, der zunächst in Pelzfarmen gehalten wurde, mittlerweile als Teil der Tierwelt in Deutschland anzusehen ist.
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