Menschen aus Bürstadt - Corina Merkel hat im norwegischen Dokka eine neue Heimat gefunden

Liebe zum Leben mitten in der Natur

Von 
Corinna Busalt
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Bürstadt/Dokka. „Ich habe noch nie so viel Schnee gesehen wie hier: meterhoch. Wer aus dem Haus will, muss sich den Weg freischippen.“ Corina Merkel lacht, wenn sie an den Winter in ihrer neuen Heimat Norwegen denkt. 2014 ist sie ausgewandert und hat sich mit ihrem norwegischen Lebenspartner eine Farm gekauft und diese renoviert. Die 43-Jährige stammt aus Bobstadt und lebt nun mit ihrem Sohn Luca in Dokka, nicht weit weg von Lillehammer.

Die Freiheit ist es, die Corina Merkel am meisten liebt in Norwegen. Sie schwärmt aber auch fürs gute Sozialsystem, das sie als inzwischen alleinerziehende Mutter so gut unterstützt, dass sie neben ihrer Arbeit als Schulbegleiterin noch studieren kann und dennoch über die Runden kommt. Vor allem hat sich die Bobstädterin mit der Farm einen Traum erfüllt: Sie hat genug Platz, um Pferde aufzunehmen, die keiner mehr haben möchte. „Ich bin schon als Mädchen geritten. Ich hatte immer nur Pferde im Kopf – und das hat sich nie geändert.“ Sie lacht beim Videotelefonat, das sie beim Gassigehen mit ihrem Labrador Bucky führt.

Ihr siebenjähriger Sohn reitet auch gerne – am liebsten aber auf seiner neuen Motocross-Maschine. „Er hat gerne mehr PS unter sich“, sagt sie grinsend. Luca besucht die zweite Klasse, und er fühle sich sehr wohl an der norwegischen Schule. Überhaupt sei die Betreuung viel intensiver als in Deutschland. „Vier Kinder sind es hier pro Erzieher, und auch in der Schule ist das System viel besser, weil Sozialpädagogen und Lehrerassistenten mithelfen, um die Kinder zu fördern.“ Kinder könnten längst nicht so schnell durchs Netz fallen, sagt sie – aus eigener Erfahrung. Merkel hilft selbst am Gymnasium Schülern, die die Sprache nicht so gut können.

„Es macht etwas aus, ob eine Lehrkraft 20 Kinder alleine betreut oder noch Personal da ist, um einzelne intensiv zu fördern.“ Zudem gefällt ihr, dass anstrengende Kinder nicht gleich abgestempelt werden. „Keiner beißt sich an einer Diagnose wie ADHS fest. Man nimmt das Kind an, so wie es ist.“ Wie groß die Unterschiede zwischen Norwegen und Deutschland sind, wurde ihr bewusst, als sie nach der Trennung für ein Jahr zurückkam und in Hofheim lebte. „Selbst mit drei Jobs hat es nicht gereicht. In Norwegen werde ich mit einem Grundeinkommen gestützt und kann studieren.“ In zwei Jahren will sie den Abschluss im Fach Soziale Arbeit haben. Zuvor hatte sie in Oslo schon Gestalttherapie studiert und in einer Klinik mit Suchtkranken gearbeitet. Bereits in Heidelberg hatte sie die Heilpraktikerschule besucht, um sich psychotherapeutisches Wissen anzueignen.

Großes Herz für Tiere

Die 43-Jährige hat einen abwechslungsreichen Lebenslauf. „Ich habe lange gebraucht, bis ich wusste, was ich will“, gesteht sie. Vom Steuerfach über den Einzelhandel zur Fitnesstrainerin. Dann gründete sie den Pferde-Gnadenhof Villa Kunterbunt mit ihrer Freundin Vanessa Beisert und bot therapeutisches Reiten an. „In Norwegen war ich auch gleich dafür bekannt, ausgemusterte Pferde aufzunehmen“, erzählt sie. Neun Tiere lebten bei ihr auf der Farm, nach ihrer Auszeit in Deutschland sind es nun noch zwei. „Das ist in Ordnung, weil ich mit dem Studium und der Arbeit gut zu tun habe. So haben wir weniger Arbeit auf der Farm und müssen auch nicht mehr so viel Heu machen.“

Apropos Heu: Die Natur fasziniert sie. Der Schnee bleibe oft bis in den Mai liegen. „Mitte Mai wächst dann Gras – und Mitte Juni wird es schon gemäht.“ Die Natur explodiere quasi, sobald der Schnee weg sei. Mit den ersten Flocken rechnet sie in vier bis fünf Wochen. „Unsere Alm ist so abgelegen, dass die Kinder beigebracht bekommen, laut zu singen und zu klatschen, wenn ein Elch kommt.“ Auch Luchse, Wölfe und Adler leben in der Nähe. Die Farm bezeichnet sie als ihr Lebensprojekt. „In Deutschland wäre es nicht möglich, so einen Hof zu kaufen.“

Dass sie als Auswanderin angekommen ist, hat sie in Deutschland gespürt. Die Sehnsucht sei groß gewesen und habe ihr deutlich gemacht, wo sie hingehöre und dass sie in Norwegen bleiben möchte – auch wenn sie ihre Familie sehr vermisst. „Luca ist hier auch richtig aufgeblüht.“ Und Freunde hätten beide gefunden, um sich wohlzufühlen.

Dokka sei Bürstadt übrigens ähnlich. Wobei Corina Merkel mit Luca außerhalb wohnt: Sechs Kilometer geht’s rauf auf den Berg und mitten in die Natur. „Manche Wanderwege enden hier plötzlich. Sie wurden für den Winter angelegt, dort geht es nur auf Skiern weiter.“

Steuern, Fitness, Soziales

Corina Merkel, Jahrgang 1978, ist in Mannheim geboren und in Bobstadt aufgewachsen. Nach der Erich Kästner-Schule in Bürstadt lernt sie Steuerfachangestellte beim Finanzamt Bensheim, danach Einzelhandelskauffrau bei Engelhorn in Mannheim.

Als Sport- und Fitnessanimateurin ist sie später tätig, unter anderem in Spanien, später in Worms. Danach besucht sie die Heilpraktikerschule in Heidelberg. Parallel führt sie mit Vanessa Beisert den Verein Gnadenhof Villa Kunterbunt, um Reiten mit therapeutischem Ansatz anzubieten.

2014 zieht Merkel mit ihrem Lebenspartner Dag Rune auf eine Farm in Norwegen: Hesterhjemme Grindaheim. Es bedeutet Zuhause für Pferde. Inzwischen betreibt die Bobstädterin den Hof alleine, arbeitet als Schulbegleiterin und studiert Soziale Arbeit.

Redaktion Redakteurin des Südhessen Morgen und zuständig für die Ausgabe Bürstadt/Biblis

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