St. Michael - Der außergewöhnliche Gottesdienst "Ecclesia in lumine" in Bürstadt lockt Hunderte an

Lichtermeer berührt Besucher

Von 
Corinna Busalt
Lesedauer: 

Bei "Ecclesia in lumine" genießen die Besucher leuchtende Farben, feierliche Musik und nachdenkliche Texte in St. Michael.

© nix

Bürstadt. "Zum zehnten Mal? Wirklich?" Christian Rohatsch kann es kaum glauben, aber seine Mutter nickt. "Mit drei, vier Lampen haben wir angefangen", erinnert sich Angela Rohatsch, "das Material hat damals in meinen kleinen Corsa gepasst". Sie lacht. Denn "Ecclesia in lumine" läuft inzwischen in ganz großem Rahmen ab. Die Michaelskirche ist so voll, dass sich einige Besucher mit Stehplätzen begnügen.

Ohne Licht ist Advent gar nicht vorstellbar. Was der Jugendliturgie-Arbeitskreis - und dabei vor allem die Brüder Rohatsch - aber aus dem Thema machen, ist mehr als beeindruckend. Denn sie setzen weniger aufs Spektakuläre und mehr auf besinnliche Momente. Dass es nicht um eine Show geht, wird von Anfang an deutlich. Kerzen beleuchten den Mittelgang, gelbes Licht zeichnet ein riesiges Kreuz an die Decke des Kirchengewölbes. Musik setzt ein, die mitreißende Melodie von Leonard Cohens "Halleluja" erklingt.

"Lassen Sie sich anregen, mal abzuschalten. Jetzt ist es Zeit, ganz ruhig zu werden", sagt eine Stimme. Das gelingt tatsächlich - obwohl es unruhig bleibt in der voll besetzten Kirche, wo sich alle Generationen versammelt haben. Doch die sorgfältig ausgewählten Texte, die feierliche Musik und natürlich die Vielfalt des Lichts machen möglich, was im Weihnachtstrubel so schwierig ist: innezuhalten.

Sterne und Punkte tanzen an der Decke, der Altarraum erstrahlt in leuchtenden Farben, und Scheinwerfer lenken die Blicke auf Details des Gotteshauses. "Ihr seid das Licht der Welt", heißt es aus einer Bibelstelle. Und die Interpretation liefert der Jugendliturgiekreis auch: Licht sein, bedeute Vorbild zu sein - selbst zu handeln und nicht die Hände in den Schoß zu legen. Advent steht hier als Anfang, um die eigenen Fähigkeiten zu erkennen, in seinem Leben etwas zu ändern und zu wagen.

"Der Alltag hat mich fest im Griff", heißt es. Zustimmendes Gemurmel ist im Publikum zu hören. "Ich habe mich ein Jahr lang schwindelig gelebt, bin außer Atem geraten." Das Lichtermeer scheint zu trösten. Ein Laser schickt seine Strahlen über die Köpfe der Besucher, als ob er sie streicheln wollte. Die Kinder strecken ihre Hände nach oben und wollen sie fangen. Wie ein Regenbogen fächert sich das Licht auf, dann wieder leuchtet der Lichtstrahl weiß durchs Kirchenschiff.

Trotz der beeindruckenden farbigen Vielfalt heißt es demütig: "Das künstliche Licht kann den Schein einer Kerze oder das Leuchten der Sterne nicht ersetzen." Und die Akteure regen an, in einer klaren Nacht die Stadt zu verlassen und in Bürstadts Felder zu fahren: "Schauen Sie in den Sternenhimmel und atmen Sie tief durch. Lassen Sie sich auf die Stille ein." Auch zu mehr Mut rät die Stimme: Wer immer auf den Boden schaue, werde nie die Sterne sehen.

Nachher sagt die achtjährige Marie, dass ihr der Laser-Regenbogen am besten gefallen hat. Die erwachsenen Gäste genießen nicht nur die Effekte, sondern auch die meditativen Momente. "Das ist immer was ganz Besonderes in der Adventszeit", meint eine Bürstädterin. "Und es ist jedes Mal wieder anders, auch durch die Texte", pflichtet ihr der Ehemann bei.

Viele Gäste besuchen danach den kleinen adventlichen Markt am Pfarrzentrum und trinken etwas Heißes. Der Erlös kommt der Kirchenrenovierung zugute. Fürs Gesellige sorgt die Jugend der Kirchenmusik mit weihnachtlichen Liedern. Zudem locken eine Krippenausstellung und Produkte aus fairem Handel ins Pfarrzentrum.

Auf der Empore in St. Michael sind die Akteure zufrieden. Langeweile nach zehn Jahren? Christian Rohatsch schüttelt den Kopf. "Wir haben mit den Lampen so viele Möglichkeiten. Wenn wir die alle ausschöpfen, haben wir noch ein paar Jahre Zeit."

Jugendliturgie-Arbeitskreis

Christian und Tobias Rohatsch haben für das Lichtspektakel in St. Michael rund 60 Scheinwerfer aufgestellt und 1200 Meter Stromkabel verlegt. Die Brüder haben auch den Ton gesteuert.

Die Texte zum Thema Licht hat Angela Rohatsch das Jahr über gesammelt und mit ihren Söhnen ausgewählt. Im Jugendliturgie-Arbeitskreis werden sie verteilt, und jeder, der etwas vorträgt, bearbeitet seine Zeilen noch einmal.

Christina Schwara, Jasmin Heiderich, Ines Bugert, Simon Held, Lukas Beilmann, Angela Rohatsch und Franziska Hofmann haben die Texte live präsentiert. cos

Copyright © 2025 Südhessen Morgen