Bürstadt. Braucht es noch Freundschaftsvereine und Städtepartnerschaften in Zeiten, in denen die Reisebranche boomt, jeder zum Schnäppchenpreis in jede europäische Großstadt jetten kann und junge Menschen vermehrt längere Zeit im Ausland verbringen? Für die Vorsitzende des deutsch-polnischen Freundschaftsvereins „Brücke/Most“, Brigitte Paddenberg, und ihren Stellvertreter Norbert Golzer steht fest: „Wir benötigen derartige Gruppierungen mehr als je zuvor.“ Im gleichen Atemzug liefern sie die Begründung: Freundschaftsvereine bauen Vorurteile ab, bringen Menschen aus unterschiedlichen Ländern in Kontakt und gewähren authentische Einblicke in die Kultur und das Leben der Menschen des jeweils anderen Landes.
Dass gerade eine Verständigung zwischen Deutschen und Polen von besonderer Bedeutung ist, macht die gemeinsame Geschichte deutlich. Es gelte, so die Bürstädterin und der Heppenheimer, „Vorurteile und Ressentiments abzubauen.“ Der Verein „Brücke/Most“ legt besonderen Wert auf die Förderung des kulturellen und gesellschaftlichen Austauschs. Offenheit und Toleranz gegenüber Andersdenkenden spielen dabei eine große Rolle. Nebenbei: Das Wort „Most“ steht im Polnischen für „Brücke“.
Am 14. April 2002 gründeten 67 Bergsträßer Bürger den Verein „Brücke/Most“. Es war die logische Konsequenz aus der Partnerschaft zwischen dem Kreis Bergstraße und dem Kreis Swidnica/Schweidnitz in Schlesien.
Der Freundschaftsverein hat deshalb Mitglieder – derzeit rund 50 Personen – aus allen Regionen des Kreises, vom Lautertal über Bensheim und Heppenheim bis nach Bürstadt und Lampertheim. „Unser Vorstand spiegelt den kreisweiten Stellenwert des Vereins wider, denn im Gremium sind Personen aus den verschiedenen Städten und Gemeinden vertreten“, betonen Paddenberg und Golzer.
Newsletter "Guten Morgen Mannheim!" - kostenlos registrieren
Stammtische, Weinproben oder Vorträge
Das Vorstandsteam ist überaus rührig und organisiert unterschiedlichste Veranstaltungen, von regelmäßigen Stammtischen bis hin zu Weinproben oder Vorträgen. Es vergeht kein Monat, in dem nicht eine Aktivität angeboten wird. Höhepunkt des Vereinsjahres waren zweifellos die alle zwei Jahre stattfindenden Fahrten in den polnischen Partnerkreis.
In bester Erinnerung ist eine Tour gemeinsam mit den Blütenwegjazzern nach Schweidnitz. Die Menschen dort seien total aus dem Häuschen gewesen, die Musiker begeisterten mit ihren Rhythmen. Brigitte Paddenberg und Norbert Golzer heben in diesem Zusammenhang die ungeheure Gastfreundschaft der Polen hervor. Obwohl im Kreis Schweidnitz kein Partnerverein existiert – „die Polen sind keine ,Vereinsmeier’ wie wir Deutsche“ – wurden die Gäste von der Bergstraße stets herzlich empfangen und bestens betreut. Die Vorsitzende spricht von einem „enormen Engagement“ der polnischen Gastgeber.
Im vergangenen Jahr weilte eine Gruppe aus Polen auf Einladung des Bergsträßer Landrats im Kreis. „Wir waren als Betreuer gefragt und kümmerten uns um die Gäste“, erinnert Golzer. Den Freunden wurde ein abwechslungsreiches Programm geboten. Übersetzer auf beiden Seiten sorgen dafür, dass es gar nicht erst zu sprachlichen Hürden kommt.
Die nächste Tour führt nach Regensburg
Auf absehbare Zeit ist allerdings keine Tour mehr nach Polen geplant. Aufgrund der Altersstruktur der Vereinsmitglieder – die meisten sind Mitte 70 – sind neun-, zehn- oder auch elfstündige Fahrten einfach zu anstrengend.
Auf gemeinsame Touren möchte der Verein dennoch nicht verzichten. Der Vorstand organisierte deshalb am 8. und 9. Oktober eine zweitägige Reise nach Regensburg. Übrigens: An dieser Fahrt können nicht nur Vereinsmitglieder teilnehmen, auch Interessenten sind willkommen.
Zurzeit liegt das Augenmerk des Vorstands auf der Akquirierung neuer – vor allem auch jüngerer – Mitglieder. Dabei geht der Verein neue Wege und kooperiert mit anderen Organisationen, beispielsweise mit der Europa-Union Bergstraße. Gemeinsam hat der Verein einen Abend mit dem polnischen Botschafter Rolf Nikel veranstaltet.
„Wir möchten etwas Neues ausprobieren. Dazu gehört auch eine Lesung am 11. November um 19 Uhr im Heppenheimer Marstall mit dem Autoren Peter Oliver Loew. Kooperationspartner ist der Heppenheimer Verein Stolperstein“, informierte Paddenberg. Es gelte, so Paddenberg und Golzer unisono, „in verschiedene Richtungen zu schauen“.
Ein Blick richtet sich auf die polnischen Mitbürger im Kreis Bergstraße. Sie für den Verein zu gewinnen, sei ein schwieriges Unterfangen, denn die neue Einwanderergruppe sei vollauf damit beschäftigt, sich etwas aufzubauen. Sie hätten noch nicht den Kopf frei, um sich im hiesigen Vereinsleben einzubringen. Was noch nicht ist, kann allerdings noch werden, darauf setzt der Freundschaftsverein.
Brigitte Paddenberg und Norbert Golzer blicken jedenfalls mit Optimismus in die Zukunft, denn „wir spüren großes Interesse an unserer Arbeit“.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/buerstadt_artikel,-buerstadt-kreis-bergstrasse-freundschaftsverein-brueckemost-baut-vertrauen-nach-polen-auf-_arid,2230150.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/buerstadt.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/lampertheim.html