Bobstadt. „Ich hatte schon so viele weinende Mamas am Telefon, die um ihre Existenz fürchten und arbeiten gehen müssen. Sie brauchen dringend einen Betreuungsplatz“, erzählt Daniela Rentzsch, Leiterin der katholischen Kita Kolbe in Bobstadt. Ihre Warteliste ist lang. Deshalb hat sie nicht gezögert und im Mai eine weitere – fünfte – Gruppe eröffnet. Als Symbol trägt sie die Schlange, sie wird erfahrene und neue Kita-Kinder begrüßen. Im Moment sind es aber erst eine Handvoll. Denn Rentzsch wartet noch auf die Freigabe vom Amt: Für die Erweiterung fällt der Turnraum in der Kita weg, dafür sollen die Kleinen nebenan im Pfarrsaal toben. Damit hat die Kita 25 zusätzliche Plätze im Hauptgebäude.
Seit Jahresbeginn hat die Stadt Bürstadt rund 50 000 Euro ins Pfarrzentrum St. Josef investiert, informiert Ursula Cornelius vom Verwaltungsrat der Gemeinde. Denn der Saal muss hohen Sicherheitsanforderungen entsprechen. So wurden am Geländer neue Handläufe angebracht, die Heizung im Saal ist hinter einer Holzverkleidung verschwunden und die Fensterbank verbreitert worden. Bruchsichere Lampen sowie ein zweiter Notausgang wurden eingebaut, die Gardinen entfernt.
„Auch eine Wand wurde eingezogen“, sagt Cornelius und öffnet eine Tür. Dahinter stehen Tische und Stühle neben einem Klavier. Denn der Kirchenchor werde hier weiterhin proben. „Das ist auch kein Problem, da die Kinder nur von 9.30 bis 11.30 Uhr drin sind.“ Lediglich die Yoga-Gruppe habe sich hier vormittags getroffen – und sei ins Alte Rathaus umgezogen. „Nachmittags und abends ist der Saal weiterhin von anderen Gruppen nutzbar.“
Situation der Betreuungsplätze in Bürstadt
- Nach Angaben der Stadtverwaltung Bürstadt wurden 50 neue Plätze in den Kitas geschaffen, wofür auch neues Personal eingestellt werden musste. Dies gestalte sich aufgrund des bundesweit herrschenden Fachkräftemangels als schwierig.
 - In der Kita Sonnenschein ist zum November 2022 mit dem Eulennest eine weitere Gruppe mit 25 Plätzen für Kinder ab drei Jahren entstanden.
 - In der Kita Pater-Maximilian- Kolbe in Bobstadt gibt es durch den Umbau des Saals im Pfarrzentrum zum Multifunktionsraum Platz für eine weitere Gruppe mit 25 Plätzen. Seit Mai werden nach und nach neue Kinder eingewöhnt.
 - Derzeit stimmt sich die Stadt mit der Pfarrgemeinde über eine Gruppenerweiterung in St. Peter ab.
 - Laut Verwaltung „besteht derzeit weiterer Bedarf an Plätzen sowohl im Kita- als auch Krippenbereich“. Mit den geplanten Erweiterungen plus der neuen Bewegungskita auf dem Bildungs- und Sportcampus soll es dann ausreichend Plätze in Bürstadt geben.
 - Für die hohe Nachfrage nach Betreuung gibt es laut Verwaltung mehrere Gründe. Zum einen liege dies an dem seit 2015 bestehenden Flüchtlingsstrom, verbunden mit dem Familiennachzug und damit verbundenen Geburten. Zudem sind seit März 2022 etliche Familien vor dem Krieg in der Ukraine geflohen. Zusätzlich hätten Zuzüge aus weiteren Kommunen des Kreises zu Engpässen in der Platzkapazität geführt.
 - Nicht immer besuchen 25 Kinder eine Gruppe, da Kinder mit Integrationsbedarf (mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung oder Autismus) einen höheren Betreuungsbedarf haben. Deshalb bindet ein Integrationskind in einer Gruppe fünf Plätze.
 
Manche Kinder waren isoliert
Zwei Erzieher werden die rund 15 Kinder täglich in den Saal begleiten. „Wir wollen durch den Garten zum Pfarrzentrum laufen, damit wir nicht an der Straße lang müssen“, sagt Rentzsch. Das Außengelände der Kita sei zwar „riesengroß“, aber gerade bei schlechtem Wetter oder im Winter gehe es nicht ohne einen eigenen Turnraum. Denn immer weniger Kinder seien in Vereinen aktiv, beobachtet sie. „Dabei ist es so wichtig, dass sie in Bewegung sind – auch fürs soziale Miteinander.“
Rentzsch erlebt nun auch Kinder, die während der Pandemie kaum Kontakte zu Gleichaltrigen hatten. „Sie sind es nicht gewohnt, mit anderen zu agieren.“ Das aber müssen sie in der Kita lernen, immerhin hat diese nun 125 statt zuvor 100 Plätze. „Gerade morgens, wenn alle gebracht werden, ist hier vielleicht was los!“ Das überfordere manche – wie die Wahl, wie sie ihren Tag in der offenen Kita gestalten wollen. Denn nach der Begrüßungsrunde verteilen sich die Kinder auf die verschiedenen Räume. Sie entscheiden sich zwischen Rollenspielzimmer, Sinnes-, Bau- oder entspannendem Snoezelraum, der Werkstatt und dem Turnraum. Letzterer wird, sobald der Pfarrsaal von den Behörden freigegeben ist, zur Lernwerkstatt umgestaltet. „Die Möbel dafür kommen leider erst im August“, sagt Rentzsch. Um MINT soll es darin gehen. Die Abkürzung steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften sowie Technik. „Wir werden mit unterschiedlichen Materialien experimentieren. Das ist an den Schulen ein Riesenthema – und wir fangen damit schon jetzt im Kindergarten an.“ Die Leiterin ist Feuer und Flamme für den neuen Bereich.
Im Gebäude hat sich übrigens noch mehr getan. Da eine Wohnung über der Kita frei wurde, haben die Erzieher einen Aufenthaltsraum bekommen – „entfernt vom lebhaften Kita-Betrieb“, betont Cornelius. Auch einen Gesprächsraum und eine zweite Toilette gebe es nun fürs Team. Das halte übrigens fest zusammen, deshalb stellt sich das Problem Fachkräftemangel in Bobstadt zur Zeit nicht. Rentzsch braucht kein neues Personal, weil bewährte Erzieher ihre Stellen aufstocken. „Zudem wollen wir unsere Anerkennungspraktikantin behalten.“
In die neue Schlangengruppe hat Rentzsch nun Kinder aufgenommen, die ganz dringend einen Platz brauchen, weil sie schon im Sommer in die Schule wechseln. Jetzt lernen sie noch auf die Schnelle, sich in einer Gruppe zu behaupten. Die Nachfrage nach Plätzen steigt auch, seit bekannt wurde, dass einige Bürstädter Kinder im Sommer nebenan in der Astrid-Lindgren-Schule eingeschult werden. „Wir haben einige Anfragen aus Bürstadt“, sagt Rentzsch. „Die Eltern hoffen, die Geschwister hier unterbringen zu können, um nicht an zwei Orte fahren zu müssen.“ Sie kann das verstehen, müsse aber zuerst die Kinder aus Bobstadt versorgen. „Manche warten schon ein Jahr auf den Platz. Wenn wir noch Luft haben, nehmen wir auch Bürstädter Kinder auf“, sagt die Leiterin. Und mit dem Neubaugebiet Langgewann, wo gerade die ersten Häuser entstehen, steige sicher auch der Bedarf an Kita-Plätzen.
Dass es eine neue, fünfte Gruppe in der Kita gibt, entdecken Stammgäste übrigens schon außen am Gebäude: Graffiti-Künstler Jascha Held hat sein Bild auf der Fassade um eine Schlange ergänzt, die sich um einen Baum windet. Diese passt zu den Gruppentieren Affe, Pferd, Dinosaurier und Schmetterling. Wer das alles aus der Nähe erleben will, kann im September zum Sommerfest kommen. „Unsere Kita gibt’s jetzt 50 Jahre, und das wollen wir mit allen feiern“, sagt Rentzsch.
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