EKS: "Die Frau vom Checkpoint-Charly" erzählt ihre Geschichte

Jutta Fleck beeindruckt junge Zuhörer

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Jutta Fellbaum

Bürstadt. Für internationales Aufsehen sorgte sie in den 80er Jahren als "Frau vom Checkpoint Charly". Gestern war Jutta Fleck in der Bürstädter EKS zu Gast, um vom verzweifelten Kampf um ihre beiden Töchter zu berichten.

Am Berliner "Checkpoint Charly" hatte die geschiedene Mutter dafür demonstriert, dass ihre beiden Töchter ihr endlich aus der damaligen DDR in den Westen folgen durften. Sie war zum Papst nach Rom gereist, in den Hungerstreik getreten und hatte sich beim zehnten Jahrestag der KSZE-Konferenz an ein Geländer gekettet. "Mein politischer Leidensweg begann 1982", berichtete die Trägerin des Bürstädter Courage-Ordens als Einleitung zu einer "ganz anderen Lesung", wie es Lehrerin Sigrid Röhrborn in der Aula der Erich Kästner-Schule nannte.

Frisch geschieden und nach dem Tod der Mutter hatte Jutta Fleck bereits zwölf Ausreiseanträge zur Übersiedlung in die Bundesrepublik gestellt. "Ich wollte für meine Kinder mehr Freiheit und Demokratie", wandte sie sich an die Schüler der neunten Hauptschul- und zehnten Realschul- und Gymnasiumklassen. Mucksmäuschenstill lauschten diese den Passagen aus dem Buch "Die Frau vom Checkpoint Charly", in dem Autorin Ines Veith die Geschichte von Jutta Fleck beschreibt. Die Schüler hingen an ihren Lippen, als sie mit "Mein Frühwarnsystem schlug schon beim ersten Treffen Alarm" die Begegnung mit "Mirko", der die Flucht über Rumänien und Jugoslawien organisieren sollte, beschrieb. Die Flucht misslang, ihre Töchter Claudia und Beate sah sie damals zum vorerst letzten Mal.

Eindringlich schilderte Jutta Fleck die Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit, in der sie immer wieder verhört wurde und ein halbes Jahr in Untersuchungshaft blieb. Während ihre beiden Mädchen in einem Kinderheim in Munzig bei Meißen waren und dort einen Fluchtversuch wagten, wurde sie zu drei Jahren Gefängnis verurteilt und mit Schwerverbrechern in das Gefängnis nach Hoheneck verbracht. Ihre Hoffnung: "Der Westen kauft dich bald frei" wurde immer wieder enttäuscht.

Als eine sichtlich um Fassung ringende Jutta Fleck den letzten Blick auf ihre Kinder beschrieb, war die Betroffenheit fühlbar. Auf den Gesichtern der Schüler, die das geteilte Deutschland nicht miterlebt hatten, machte sich Mitgefühl und Entsetzen breit. "Der Weg in die Freiheit führte über streng vertrauliche, innerdeutsche Verhandlungen", machte sie den Jugendlichen klar und nannte auch die Summe von 90 000 DM, die der Westen damals durchschnittlich für einen freigekauften DDR-Bürger zahlen musste.

Mit Applaus reagierten die Schüler auf ihre Geschichte. Sie waren ergriffen über die glückliche Zusammenführung der Familie und wollten in der anschließenden Diskussion die Gründe für das Scheitern der Flucht wissen. "Wir sind von Anfang an verraten worden", hatte Jutta Fleck im Nachhinein herausfinden müssen. "Wir müssen es aufzeigen", nannte sie ihren Beweggrund für die zahlreichen Lesungen, die sie auch in den neuen Bundesländern durchführt. "Es haben mir viele Menschen mit ihrer Solidarität geholfen", berichtete sie.

Mit dem Courage-Orden des Heimat- und Carnevalverein im letzten Jahr ausgezeichnet, hat sie freundschaftliche Verbindungen nach Bürstadt geknüpft und kommt hierher immer wieder gerne zurück.

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