Bürstadt. Die Lanze von Nicole König lässt sich auf 24 Meter ausziehen, statt einer Spitze ist vorne eine Säge. Handlich ist das Werkzeug nicht gerade, aber zusammen mit Maike Rothenheber gelingt es der Bürstädterin, das große, ovale Nest aus der Tanne zu holen. Sogar jetzt im Winter sind die beiden Frauen unterwegs, um gegen die asiatische Hornisse vorzugehen. König hat sich dafür im vergangenen Jahr extra ausbilden lassen - und seit Juli bereits mehr als 100 Nester entfernt.
Selbst bei Minusgraden schwärmt die Hornissenberaterin aus, um die bis zu ein Meter großen Gebilde von Bäumen, Büschen oder Dächern zu holen. Jetzt im Winter geht das ohne Schutzkleidung - wegen der Winterstarre der Insekten. Denn der Stich einer Hornisse ist sehr schmerzhaft, vergleichbar mit einer heißen Nadel, die steckenbleibt, so die Bürstädterin.
Hornissenberaterin ist auf Hinweise über entdeckte Hornissennester angewiesen
Die 36-Jährige ist eigentlich gelernte Restaurantfachfrau und hält in ihrer Freizeit Bienen. „Über das Imkern kam ich zu meinem neuen Job als Hornissenberaterin“, erzählt sie. Denn die asiatische Variante bedroht als invasive Art die heimischen Insekten und muss daher eingedämmt werden. Die Kosten fürs Entfernen der Nester zahlt daher das Regierungspräsidium. Das ist aber auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen.
Gerade ist Nicole König mit ihrer Schwägerin Maike Rothenheber in Einhausen, wo Nachbarn das große Nest in einer Tanne entdeckt haben. Mit ihrer Lanze ziehen die Frauen rasch die Aufmerksamkeit auf sich. Eine Seniorin von gegenüber wirkt erleichtert, dass sich jemand um das Problem kümmert. „Ich habe hier auf dem Boden schon tote Hornissen liegen sehen“, bestätigt sie. Obwohl König alle Hände voll zu tun hat, weil sich die Lanze in den Zweigen verheddert, nimmt sie sich Zeit zu antworten. Sie redet gern über ihre Arbeit - denn nur so kann sie das Problem eindämmen.
Mittel gegen Hornissen: Betäubungsmittel, Rasierschaum und ein Staubsauger
„Im Winter lassen sich die befruchteten Königinnen aus dem Nest fallen, verkriechen sich dann in der Erde oder unter Holz“, erklärt König. Hunderte könnten es sein, die wieder eigene Völker gründen. „Wenn es wärmer wird, schwärmen sie aus und bauen ein neues Nest.“ Dafür legen sie Larven, aus denen Arbeiterinnen schlüpfen, die mithelfen. Das Nest, das sie in Einhausen schließlich nach unten bringen, ist leer. „Wahrscheinlich ist es durch Wind, Wetter oder Vögel beschädigt und deswegen verlassen worden“, vermutet König.
Im Sommer nutzt die 36-Jährige ein Betäubungsmittel und verschließt die Eingänge mit Rasierschaum, damit keine Hornisse entwischt. „Dann habe ich auch einen Staubsauger dabei, um die Arbeiterinnen, die zurückkehren, einfangen zu können.“ Danach kommt das Nest in einem großen Sack zum Bieneninstitut, wo Größe und Umfang der Brut notiert werden.
In Königs Auto liegt immer eine Kletterausrüstung, um gesichert auf Bäume steigen zu können. Auch ein Notfallset mit Cortison und einem Antiallergikum haben die Frauen dabei. „Man kann 20 Mal gestochen werden, und beim 21. Mal reagiert man doch“, sagt sie. Im vergangenen Jahr hat es sie trotz Schutzkleidung drei Mal erwischt.
Nestbau von Hornissen beginnt im Frühjahr
Meist steigt sie mit der Säge in einen Hubsteiger, um ans Nest zu gelangen. In Bürstadt hat König im vergangenen Jahr neun Nester entfernt. „Drei in Bobstadt, der Rest im Zentrum und im Osten der Stadt. Das können nicht alle gewesen sein“, sagt sie. „Als ich kürzlich im Rathaus war, flogen Hornissen am Fenster vorbei.“
Mindestens ein Nest hänge irgendwo in der alla hopp!-Anlage. Auch auf dem Boxheimerhof in der Nähe der Kita Zwergenwald hat sie schon welche gesehen, genauso beim Einkaufen in den Lächnern und am Bibliser Pfad sowie beim Indoorspielplatz Dschungelcamp. „Ich habe sogar mit meiner Tochter schon danach gesucht, aber nichts gefunden. Ich glaube auch, dass es in Riedrode welche gibt.“
Was tun, wenn ich ein Hornissennest entdecke?
- Was viele nicht wissen: Das Entfernen eines Nests der Asiatischen Hornisse zahlt das Regierungspräsidium (RP) Darmstadt. Denn es handelt sich um eine invasive Art, was bedeutet, dass sie heimischen Insekten - Bienen, Wespen, Hummeln - gefährlich werden.
- Vermutet wird, dass die Spezies über Waren nach Europa gelangte. Erstmals wurde sie 2004 in Südfrankreich gesichtet, 2014 dann in Süddeutschland und 2019 in Mannheim.
- Asiatische Hornissen sind 1,7 bis 2,4 Zentimeter lang, Königinnen bis zu drei Zentimeter. Von den Europäischen unterscheiden sie sich durch ihre dunklere Grundfärbung. Die Brust ist schwarz, der Hinterleib dunkel mit wenigen gelben Binden. Die Beine sind schwarz-gelb.
- Überwintern können laut Expertin Nicole König befruchtete Jungköniginnen, die sich im Boden, unter Dächern oder Rinden verstecken, um im Frühjahr eine neue Population zu gründen. Ein erstes, kleineres Nest werde meist im April gebaut. Im Sommer folge das deutlich größere Sekundärnest, in der Regel auf einem Baum in der Nähe. Nach dem Tod der Altkönigin setzt sich der Zyklus dann am Jahresende fort.
- Wer ein Hornissennest sieht, wendet sich ans Hessische Landesamt für Naturschutz. Unter hlnug.de gibt’s Infos zur Hornisse und ein Meldeportal.
Erfolgreich sei der Kampf nur, wenn die Bürger mithelfen und die Augen offen halten. Die Nester hängen übrigens nicht immer hoch über den Köpfen, sie könnten auch niedriger oder unter einem Dach zu finden sein. „Und wenn ich eines entferne, habe ich bisher fast immer ein zweites im Umkreis von 200 Metern gefunden.“
In diesem zweiten Jahr als Hornissenberaterin will sie noch viel mehr darüber sprechen, um die Leute zu warnen. Ruhe kehrt also nicht ein. „Es geht ja auch schon bald wieder mit dem Nestbau los - und hört nicht auf.“ Frustriert wirkt die 36-Jährige aber nicht. „Ich tu’, was ich kann.“ Und ihre Helferin Maike Rothenheber will sich ebenfalls ausbilden lassen. „Dann sind wir hier noch besser aufgestellt.“
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