Bürstadt. "Heimat ist dort, wo man den Boden barfuß betritt." Zu lesen ist dieser Satz im Bürstädter Rathaus - unter einem Foto, das Menschen zeigt, die ihre Heimat verlassen mussten. Die Bilder porträtieren Flüchtlinge und ihre Familien. Darunter stehende Texte kreisen um Vertreibung, um Hoffnung und Träume. Die Porträts individueller Schicksale offenbaren die Verletzlichkeit eines jeden Menschen. "Das sensibilisiert", lobt Bürgermeisterin Schader in ihrer Eröffnungsrede.
Jemand, der sich mit der Ausstellung auseinandersetzt, werde bestimmt keine Pauschalsätze mehr sagen, die mit "Die Flüchtlinge . . ." beginnen. Dass es "die" Flüchtlinge nicht gibt, macht auch die Auswahl der Porträtierten deutlich: Die unter Schmerzen vermisste Heimat liegt in Syrien, Eritrea oder Westpreußen.
"Hinter jedem Bild steckt ein schlagendes Herz", sagte der evangelische Pfarrer Dirk Greverus. In seiner Eröffnungsrede lobte er Michael Held für seine Arbeit als Leiter des Netzwerkes Asyl: "Sie handeln aus Nächstenliebe", betonte der Pfarrer. Greverus ergänzt: Jemand, der aus Nächstenliebe handelt, lässt Ausreden wie "Es kommen zu viele" nicht gelten. Der Theologe beobachtet Doppelzüngigkeit bis in den eigenen Freundeskreis hinein: "Alle sagen, man solle den Flüchtlingen helfen. Aber wenn es daran geht, dass Geflüchtete in einer Handballhalle untergebracht werden sollen, heißt es: 'Jetzt reicht es aber mal.'"
Bauklötze gegen Abschottung
Was der Verzicht auf eine Sporthalle im Vergleich zum Leid der Flüchtlinge ist, führen die Fotoarbeiten eindrucksvoll vor Augen: Die Geschichten berichten vom Elend, das die Al-Shabaab-Miliz über Somalia brachte, und von einem Soldaten, der einen abgelehnten Heiratsantrag mit dem Tod einer Familie rächte. Verständlich also, wenn Menschen, die so etwas erlebt haben, auf Fotos nicht erkannt werden möchten.
Dass die Wanderausstellung in Bürstadt zu sehen ist, ist auch Edith Appel-Thomas zu verdanken: Sie hat die Bilder in Heppenheim gesehen und bei einem Vorstandstreffen der evangelischen Kirche dafür geworben, die Ausstellung nach Bürstadt zu holen.
Bei der Eröffnungsrede kippte Pfarrer Greverus einen Sack voller Bauklötze über einem Tisch aus. Von den 81 Steinen war einer rot. "Jeder Baustein steht für eine Millionen Menschen in Deutschland", erläuterte Greverus. Und forderte die Zuschauer zum Mitbauen auf. Das Ziel: Der rote Stein, der für Flüchtlinge steht, soll eine ebenso wichtige wie selbstverständliche Rolle spielen.
Alle waren überrascht, als aus den gemeinsam gestapelten Klötzen eine Mauer entstand. "Lasst uns keine Mauern bauen, sondern Häuser mit offenen Türen, in denen Geflüchtete willkommen sind", forderte Schader. "Dies könnte die Grundmauer zu einem solchen Haus sein", ergänzte Greverus. Beide hoffen, die Ausstellung trage zu mehr Offenheit gegenüber Geflüchteten im Kreis Bergstraße bei, damit sie sich in Frieden einleben - und vielleicht auch mal barfuß laufen.
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