Bürstadt. „Wir haben Corona als Sprungbrett genutzt“, sagt Peter Deppert. Unter der Maske scheint er zu lächeln. Der Heppenheimer hat als Fitnesstrainer gearbeitet und in der Pandemie den Job verloren. Mit seinem Kumpel Christopher Neth hat er sich selbstständig gemacht: Seit sechs Monaten verkaufen sie im ehemaligen Juweliergeschäft von Neths Opa Hermann Herz Cannabisprodukte. „Wir sind zufrieden. Die Neugier der Bürstädter war von Anfang an gut“, sagt Deppert.
Statt sich von Corona bremsen zu lassen, haben sich Deppert und Neth in die Selbstständigkeit gewagt. Die Eröffnung im Februar konnten sie allerdings kaum feiern. „Es durfte ja keiner reinkommen, und bei uns ist der Beratungsbedarf hoch, wir erklären viel zu den Produkten“, so Deppert. Wer genau weiß, was er möchte, kann diese online bestellen. Dass Hanfprodukte belächelt werden, kann Deppert nicht verstehen. „Die Menschheit nutzt das seit 3000 Jahren, stigmatisiert wird es erst seit 100 Jahren. Vielen Leuten tun die Öle und Blüten einfach gut.“
Statt Schuhen nun Möbel auf Lager
Viel Interesse erlebt auch Steffen Finkenwirth in Bürstadt. Im ehemaligen Penny, wo zuletzt Schuhe verkauft wurden, lagert er Möbel und Accessoires aus Entrümpelungen und Haushaltsauflösungen. Der Bensheimer betreibt das Unternehmen „Die Freischaufler“ bundesweit als Franchise-Konzept. In Bensheim hat er noch einen zweiten Laden. Beide Geschäfte möchte er täglich öffnen und sucht Mitarbeiter auf 450-Euro-Basis dafür.
In Bürstadt habe er das zentrale Lager für den Großraum Metropolregion und Bergstraße eingerichtet. „Wir haben viele Flohmarktartikel aber auch sehr hochwertige Möbel und arbeiten oft mit Auktionshäusern zusammen“, sagt Finkenwirth.
Helga Bartosch bleibt positiv
Froh ist Helga Bartosch, dass sie ihr Blumengeschäft am Anfang der Nibelungenstraße ganz normal öffnen kann. „Es ist nur ein bissl ruhiger jetzt in der Sommerzeit. Aber wir machen das Beste draus“, sagt die Seniorchefin. Zufrieden ist sie auch mit der neu gestalteten Nibelungenstraße vor der Haustür, wo der Verkehr prima laufe - und sich nicht mehr zurückstaue. „Nur ein paar einzelne Autofahrer brauchen mehrere Anläufe, um durch den Kreisel zu kommen“, erzählt sie grinsend.
Waren aus Versandhäusern
Gegenüber in der Buchhandlung Pegasos finden Kunden nicht nur Bücher, sondern seit vier Wochen auch Taschen, Schals, Geldbörsen, Schmuck und weitere Accessoires. Christiana Embach, die bislang den Otto-Shop betrieben hat, erweitert mit ihrem Sortiment das Angebot von Buchhändler Karlheinz Hock. Sie präsentiert einen Teil ihrer Ware in der Ausstellung neben den Büchern und ist zudem im hinteren Bereich in einem eigenen Raum zu finden. Dort bietet sie auch weiterhin ihre Versandhandel-Dienste an.
Nur von Otto hat sie sich verabschieden müssen. Bei diversen anderen Versandhandeln aber bestellt Embach nach wie vor die Artikel für ihre Kunden. „Ohne Portokosten können sie die Sachen bei mir abholen, anprobieren und auch zurückbringen, was sie nicht behalten wollen.“ Embach ist zufrieden mit der Kooperation, denn von ihrem großen Laden wollte sie sich ohnehin trennen. Und sowohl sie als auch die Buchhandlung profitiere nun von dieser Zusammenarbeit, ist sie überzeugt.
Keine Zwangspause für Optiker
Positiv ist die Stimmung auch bei der Brillenschlange. „Wir hatten die gesamte Zeit über gut zu tun, da wir zum Glück öffnen durften“, erzählt Linda Eberle. Seit gut 20 Jahren arbeitet sie im Geschäft mit. Aufgefallen ist ihr, dass mehr Brillen repariert werden mussten. „Mit dem Mundschutz haben sich etliche Leute den Bügel vom Ohr gezogen, so dass die Brille herunter fiel.“ Auch für einen neuen Verkaufsschlager habe die Pandemie gesorgt, fügt ihre Kollegin Julia Diehl hinzu: „Anti-Beschlag-Mittel und -Tücher waren der Renner im Herbst und Winter.“
Gelitten habe dagegen die Nachfrage nach Sonnenbrillen im vergangenen Jahr. „Dafür hat der Frühjahrsmarkt gefehlt, denn das ist immer der Start in die Saison“, sagt Eberle. In diesem Jahr habe Chef Meik Kronauer daher weniger Sonnenbrillen als sonst bestellt. Froh sind die Mitarbeiterinnen aber, dass sie weiterhin arbeiten und ihren Kunden auch helfen konnten. „Die Leute waren nur stark verunsichert am Anfang, wie sie sich verhalten sollen.“ Manche hätten ihren Sehtest und den Kauf der neuen Brille erstmal bis nach Corona verschieben wollen. Da der Zeitpunkt aber nicht absehbar war, seien die Kunden dann doch ganz normal gekommen - und hätten es zum Teil auch richtig genossen, sich mal etwas Neues kaufen zu können.
Peter Limburg macht Passfotos
Im Keller seines Schreibwarengeschäfts Megabyte richtet Peter Limburg gerade ein kleines Fotostudio ein, um bald biometrische Bilder für Pässe und Personalausweise machen zu können. „Seit das Fotostudio in der Marktstraße und auch Leder Deutsch zugemacht haben, konnte man in Bürstadt keine Passbilder mehr machen. Das will ich jetzt anbieten.“ Allerdings nicht jeden Tag, sondern montags, mittwochs und freitags oder auch nach Absprache, wenn seine Mitarbeiterin den Laden oben betreuen kann. Im Laufe der kommenden Woche habe er alles fertig, um mit den Passbildern starten zu können, erzählt er.
Die Pandemie habe zwar für viele Einschränkungen gesorgt, aber Limburg hofft, dass der Umsatz nach den Sommerferien wieder zunimmt. „Es fängt an, langsam besser zu werden.“ Vor allem Patronen für Drucker seien gefragt gewesen während des Homeschoolings. Dabei gibt Limburg auch gerne Tipps zum Kauf von Druckern. Diese gebe es zum Teil sehr günstig, dafür seien die Patronen oft umso teurer. Auch bei Computerproblemen hilft Limburg weiter und zeigt den Kunden am PC im Laden, wie Programme funktionieren. Häufig druckt er auch Dokumente für Leute aus, die keinen PC besitzen. „Dafür kommen Leute extra aus Gernsheim gefahren.“
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