Bürstadt. Der neue Haushaltsplan für 2023 ist in der Stadtverordnetenversammlung von Bürstadt so zügig durchgegangen, dass sich die Kommunalpolitiker nachher selbst zu wundern schienen. Nach dem erbitterten Streit im vergangenen Jahr und vielen weiteren Diskussionen bis zum verspäteten Beschluss Anfang Februar gab es dieses Mal sogar Lob für die Verwaltung, allen voran für Martin Niederhöfer, den neuen Finanzchef im Rathaus.
Grundsätzlich sind sich zwar alle im Parlament einig, was die Investitionen fürs kommende Jahr angeht, doch Streit gibt’s trotzdem. Gegenseitige Vorwürfe prägen die Debatte um die Obdachlosenunterkunft, für die sich weiterhin keine Lösung abzeichnet. Die Fraktionen schieben sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe. Saskia Wenz (SPD) findet es „skandalös“ und „eine Schande für Bürstadt“, dass die Menschen weiter unter unzumutbaren Bedingungen leben müssen. Alle müssten bei dem Thema kompromissbereit sein, fordert Uwe Metzner (Grüne). „Wir brauchen einen Standort, der innerhalb von einem Jahr realisierbar ist!“
Zustimmung mit Zähneknirschen
Die Freien Wähler haben dafür ein Grundstück in den Lächnern im Auge und bereits mit dem Eigentümer gesprochen, der die Unterkunft sogar selbst errichten könnte, betont Heinz Huth. Wieso sich die anderen Fraktionen dagegen sperren, ist für ihn nicht nachvollziehbar. An der CDU liege es auch nicht, ruft Levin Held: „Dass es keine Entscheidung gibt, liegt einzig daran, dass es nicht auf der Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung stand!“ Dieser Angriff richtet sich gegen Franz Siegl (SPD) als Vorsitzenden des Parlaments, der die Sitzung plant und leitet. Dieser aber hat mehrfach betont, erst darüber abstimmen zu lassen, wenn sich eine Mehrheit für einen Standort abzeichnet. Endlose Diskussionen möchte er vermeiden.
Ein ähnlicher Dauerbrenner bei Auseinandersetzungen der Politiker ist die Abschaffung der wiederkehrenden Straßenbeiträge – beschlossen von CDU und Freien Wählern. Dagegen wettern SPD, FDP und Grüne regelmäßig und fordern zugleich ein Konzept, wie dies aufgefangen werden kann. Marode Fahrbahnen müsse die Stadt trotzdem erneuern, verlangt Uwe Metzner (Grüne). Nur mit welchem Geld? Die Schuldenlast nehme der Stadt ohnehin schon Gestaltungsspielräume. Zusätzliche Kosten erwartet er durch die Pflege des neuen Campus-Geländes oder die Übernahme der kirchlichen Kitas. Dabei müsse es nach den hohen Investitionen in den vergangenen zehn Jahren doch nun um Konsolidierung gehen. Metzner erwartet, dass die Grundsteuer 2024 steigt, weil die Leuchtturmprojekte finanziert werden müssen. „Wir leben weiter auf Kosten unserer Kinder“, warnt Metzner. Dem Haushalt stimme seine Fraktion daher nur „zähneknirschend“ zu.
Dass Bürstadt die Grundsteuer jetzt nicht erhöht, erleichtert Saskia Wenz (SPD) vor allem im Hinblick auf Lampertheim, wo die Verwaltung dies in enormer Höhe plant. Ziele nennt die Nachwuchspolitikerin einige, sie legt neben Prestigeprojekten wie den Campus vor allem großen Wert auf den Freizeitkicker als alternativen Treffpunkt. Weitere Sozialwohnungen wünscht sie sich von der GBG, dafür solle die Stadt ihr Bauplätze anbieten. Die städtische Tochter BGE solle ebenfalls investieren und Wohnraum zu verträglichen Mietpreisen schaffen. Das ist inzwischen auch Konsens im Parlament. Dafür könnten auch Leerstände in der Stadt umgebaut werden.
Im Vergleich mit Lampertheim steht Bürstadt in den Augen von Chantal Stockmann (FDP) gut da. Nicht nur wegen der Grundsteuer, sondern auch weil in der Nachbarstadt an Kitas und Klimaschutz gespart werden solle – während Bürstadt dafür ordentlich Geld in die Hand nehme. Politiker aller Parteien setzen vor allem auf Photovoltaikanlagen – und schreiben diese nun auch erstmals im neuen Gewerbegebiet Mittelfeld vor.
Unnötige Ausgaben erwartet Stockmann für einen Rechtsstreit zum Bebauungsplan am Bibliser Pfad. Denn diesen hatte die Stadt trotz ihrer eindringlichen Warnung aufgestellt. Kritisch sieht sie zudem die hohe Kreisumlage, die Bürstadt zu zahlen hat. Und sie wünscht sich – wie die SPD – viel mehr Geschwindigkeitskontrollen in der Stadt, um die Raserei in den Griff zu kriegen.
Kanalsanierung früher geplant
Lob für die Verwaltung von Bürgermeisterin Bärbel Schader (CDU) gibt es erwartungsgemäß von der eigenen Fraktion. Levin Held bewundert, wie Schader an Zuschüsse gelangt und die Stadt durch stürmische Zeiten steuert. Wert legt seine Fraktion ebenfalls auf die Entwicklung bezahlbaren Wohnraums, Innenverdichtung und Kinderbetreuung. Dass Bürstadt bei den Sätzen von Grund- und Gewerbesteuer unter dem Kreisdurchschnitt bleibt, wertet Held als Erfolg. Mittelfristig soll die Verschuldung der Stadt dann wieder sinken.
In den neuen Haushalt muss Finanzchef Niederhöfer auf der Zielgeraden noch Investitionen in die Kanäle einarbeiten. Denn die Freien Wähler haben erfolgreich dafür gekämpft, die geplante Sanierung in der Nordstraße und im Zwerghaag jeweils um ein Jahr vorzuziehen, weil in Bobstadt bei Regen mehrfach Keller vollgelaufen sind.
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