Integration

Frauen helfen in Bürstadt durch den Dschungel der Bürokratie

Sie sind selbst aus dem Ausland nach Bürstadt gekommen. Daher wissen sie, wie schwierig es ist, sich in Deutschland zurechtzufinden. Jetzt haben sich die vier Frauen zu Integrationshelferinnen ausbilden lassen

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Abdalla Gdoura vom Interkulturellen Büro, Brigitta Eckert und Bärbel Schade mit den Absolventinnen Anastasiia Shybashova, Shahin Asadizade, Kübra Altay, Lorin Chir und der Integrationsbeauftragten Gerasimoula Grigoraki. © Christine Dirigo

Bürstadt. Die Hauptmotivation, die Ausbildung zur Integrationslotsin zu machen, war bei den vier Frauen im Alter von 22 bis 33 Jahren die Gleiche. Sie wollen anderen Neuankömmlingen in Bürstadt dabei helfen, sich im Dschungel der Bürokratie zurechtzufinden. Damit wollen sie das weitergeben, was sie selbst erlebt und erfahren haben. Dafür erhielten sie aus den Händen von Bürgermeisterin Bärbel Schader ihr Zertifikat über den bestandenen Kurs.

16 Lotsen stehen zur Verfügung

Mit ihnen gibt es jetzt 16 Lotsen mit den Sprachen Arabisch, Somalisch, Urdu, Punjabi, Hindi, Dari, Farsi. Persisch, Polnisch, Rumänisch, Türkisch, Englisch, Tigrinya, Griechisch, Ukrainisch und Kurdisch.

Eine der Frauen ist Anastasiia Shybashova. Sie ist die Jüngste und kam direkt nach Beginn des Krieges in der Ukraine mit Mutter und Tante zu ihrer Schwester nach Bürstadt. „In der Ukraine habe ich Deutsch, Englisch und Weltliteratur studiert“, erzählt sie. Deswegen ist sie nun an der Schillerschule als Lehrkraft in der Intensivklasse angestellt.

Lorin Chiri ist 2016 aus Syrien nach Bürstadt gekommen und hat die Sprachkurse des Lernmobils in St. Michael besucht. Inzwischen studiert sie Architektur im dritten Semester. Jetzt ist sie 24 Jahre alt und weiß, was es bedeutet, in ein fremdes Land mit wenig Sprachkenntnissen zu kommen und sich nicht auszukennen. „Ich bin selbst in dieser Situation gewesen und möchte für andere da sein“, sagt sie. Lorin spricht auch Kurdisch.

Aus dem Iran ist Shahin Asadizade zusammen mit ihrer kleinen Tochter geflohen und lebt seit 2020 in Bürstadt. Die Sprachkurse hat sie bis zum Niveau B2 gemacht - B1 liefert die Basis für einen Berufseinstieg. „Inzwischen mache ich eine Ausbildung als Arzthelferin. Mit einem Kind ist alles noch ein bisschen schwieriger“, berichtet die 33 Jahre alte Frau.

Kübra Altay ist in Deutschland geboren und besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft. Ihre Eltern kommen aus der Türkei und bei ihnen im Betrieb macht sie eine kaufmännische Ausbildung. Die 32-jährige ist dreifache Mama und erzieht ihre Kinder allein. „Ich wollte vor allem mehr über die Bürokratie lernen, aber die Ausbildung zur Lotsin ist sehr vielfältig“, merkt sie an.

Sprachenvielfalt vorhanden

Der Bürgermeisterin war die Freude bei der Feierstunde anlässlich der Verleihung der Zertifikate anzusehen. „Durch die Zertifizierung sind Sie ein großes Geschenk für die Menschen im Bürgerbüro und mit Ihrem Sprachenvielfalt sind Sie ein großer Schatz“, wandte sich Schader an alle Absolventinnen. Eingesetzt werden die engagierten Frauen aber nicht nur im Bürgerbüro des Rathauses, sondern überall, wo es mit der sprachlichen Verständigung hapert.

Etwa im Jobcenter, in Kindertagesstätten - vor allem in der Kita Sonnenschein - und in den beiden Bürstädter Schulen. Sie begleiten ihre Schützlinge zu Ämtern, Firmen, Ärzten oder Versicherungen und sind im Austausch mit anderen Kommunen, dem Kreis Bergstraße und überall dort, wo Menschen Unterstützung durch Übersetzen brauchen. Die Integrationslotsinnen sind im interkulturellen Büro angesiedelt. Hier unterstützen sie neu zugewanderte und bereits länger in Bürstadt lebenden Menschen in ihrem Alltag und helfen ihnen, sich in die Gesellschaft zu integrieren.

2016 hat die Stadt ehrenamtlich damit begonnen, den Flüchtlingen zu helfen, aber schnell erkannt, dass hier hauptamtliche, niederschwellige Angebote geschaffen werden müssen. Ein Partner dafür ist das Lernmobil, das seinen Sitz in Viernheim hat. Dessen Geschäftsführerin Dr. Brigitta Eckert freute sich ebenfalls, dass sich die vier Frauen auf die Reise in der Ausbildung auf unbekanntes Terrain gemacht haben.

Unter anderen waren sie an sieben Samstagen in Viernheim und haben neben Studium, Berufsausbildung und zum Teil mit Kindern unterschiedliche Themen kennengelernt. „Dafür meinen großen Respekt. Sie bauen Brücken für die Menschen, die noch kommen werden“, so Eckert. Für ihre künftige Tätigkeit wünschte sie allen viel Kraft und dass sie die Neugierde auf die Menschen behalten.

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