Tradition - Die 132-jährige Geschichte der Traube in Bobstadt endet / Wirtin Gerlinde Leibold geht nach 61 Jahren Arbeitszeit in Ruhestand

"Einmal muss Schluss sein"

Von 
Petra Schäfer
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Bobstadt. Ein Bierchen nach Feierabend trinken, mit Freunden eine Runde Schafkopf spielen, am Sonntag zum Stammtisch gehen und früher auch mal tanzen - die Traube in Bobstadt war für Generationen ein geselliger Treffpunkt. Die TG wurde dort sogar gegründet. Am Ostermontag hat Wirtin Gerlinde Leibold zum letzten Mal ihre Gäste bewirtet. "Einmal muss Schluss sein", sagt sie.

Da sie im März ihren 75. Geburtstag feierte, sah Gerlinde Leibold den Zeitpunkt gekommen, um in Ruhestand zu gehen. Ihre Entscheidung teilte sie um die Fastnachtszeit ihren Gästen mit. Die Nachricht, dass mit der Traube die letzte Traditionsgaststätte in Bobstadt schließt, machte schnell die Runde.

132 Jahre lang gab es das Lokal in Bobstadt. Als Schlusspunkt wählte Gerlinde Leibold den Ostermontag. Für den Sonntagsstammtisch wollte sie noch einmal die Tür öffnen - und wegen Ostern eben am Feiertag. Über 30 Jahre lang trafen sich die Stammtischler immer sonntags in der Traube.

Einen Ersatz zu finden, wird für viele Stammgäste bestimmt nicht einfach. Denn es war kein Problem, wenn sie auch mal was zu essen mitbrachten. Im Nebenzimmer durfte geraucht werden. Gerade bei den Skatspielern, die sich regelmäßig in dem Lokal trafen, war dieses Angebot sehr geschätzt.

Die besten Schnitzel

"Unsere Speisekarte gab's mündlich", betont die Wirtin und lacht. Aber sie muss sich ab und zu auch mal über die Augen wischen, als sie mit unserer Zeitung über die Schließung der Gaststätte spricht. "Es hieß immer: ,Bei Ella gibt's die besten Schnitzel,'" sagt Siegfried Dennda, der bei unserem Gespräch mit am Tisch sitzt.

Der 75-Jährige kam 1958 nach Bobstadt. "Und seitdem bin ich Gast in der Traube. Hier habe ich auch Goldene Hochzeit gefeiert", erzählt er. Inzwischen wohnt er in Bürstadt, aber auf ein Bier ist er immer gerne nach Bobstadt zurückgekehrt.

"Die Ella" sei eine Institution gewesen, erklärt er. Gerlinde Leibold nickt zustimmend. "Meine Mutter Ella hat hier bis zu ihrem Lebensende gearbeitet." Sie starb vor sieben Jahren im Alter von 90 Jahren. "Mein Vater hat 1931 die Gaststätte übernommen", erzählt Gerlinde Leibold.

Die Traube gehörte schon immer zur Familie. Doch dieses Kapitel der Familiengeschichte ist an Ostermontag zu Ende gegangen. Die nächste Generation will das Geschäft nicht weiterführen. "Davon kann man ja heute auch nicht leben", betont Gerlinde Leibold. Sie ist verwitwet. Die Rente ihres Mannes hat sie finanziell abgesichert. "Die Traube war ein Hobby", macht sie deutlich.

Als ihr Vater Adolf-Ludwig Cornelius das Gasthaus führte und zusätzlich noch eine Landwirtschaft betrieb, konnte er seine Familie damit ernähren. Und nach seinem Tod besserte sich seine Witwe die geringe Rente aus der Landwirtschaft mit dem Lokal auf.

Als Tochter Gerlinde mit der Schule fertig war, wurde sie in der Gastwirtschaft gebraucht. 61 Jahre lang blieb sie dort. Zusammen mit ihrer Mutter Ella führte sie das Lokal. Unterstützt wurde sie von ihren Geschwistern Elfriede Cornelius-Ruh und ihrem Bruder Werner Cornelius, die beide in anderen Berufen arbeiten und in ihrer Freizeit im Lokal aushalfen. Auch sie können sich nun ein bisschen mehr Ruhe gönnen. "Meine Schwester und ich lesen gerne." Dafür bleibt beiden nun mehr Zeit. Und natürlich auch für Familienbesuche.

Mehr Zeit für die Familie

Vier Töchter hat Gerlinde Leibold. Teilweise muss die 75-Jährige ganz schön weit fahren, um ihre Kinder und deren Familien zu besuchen. "Basel und Berlin", zählt sie auf. "Das ist bisher auch zu kurz gekommen." Ob es ihr vielleicht doch langweilig werden könnte - wenn der Ruhestand begonnen hat? "Nein", kommt sofort und entschieden ihre Antwort. Obwohl der Abschied von der Traube nicht leicht fällt, Gerlinde Leibold schaut nach vorne. "Wir sehen uns alle mal wieder", sagt sie und blickt zu Siegfried Dennda, der ihr zustimmt.

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