Gericht - Sexueller Missbrauch an Stieftöchtern

Bürstädter zu vier Jahren verurteilt

Von 
Gerlinde Scharf
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Das Gericht hat den 71-Jährigen zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt. © Britta Pedersen/dpa

Darmstadt/Bürstadt. Wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern hat die Darmstädter Jugendschutzkammer einen 71-Jährigen aus Bürstadt zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Der Vorsitzende Richter Jens Aßling verkündete das Strafmaß. Er nannte den Strafrahmen „erforderlich, aber auch notwendig“. Daraufhin legte Verteidigerin Ursula Domke für ihren Mandanten Revision gegen das Urteil ein.

Staatsanwalt Dominik John hatte eine viereinhalbjährige Strafe beantragt, die Verteidigung auf eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren plädiert. Nebenklägervertreter Thomas Schales schloss sich dem Antrag der Staatsanwaltschaft an. Die Plädoyers fanden ebenso wie zuvor die Vernehmung des Angeklagten und der beiden Opfer unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Richter: Es fing ganz harmlos an

Nach Überzeugung der Kammer hat sich der bis dato nicht vorbestrafte Rentner zwischen Juli 2018 und Februar 2019 elf Mal an den beiden neun und 13 Jahre alten Töchtern seiner geschiedenen und wieder verheirateten Frau vergangen und das Vertrauen der Kinder in der häuslichen Situation ausgenutzt. „Sie waren in der Familie noch immer integriert und kannten die Psyche der Mädchen“, sagte Aßling zum Angeklagten: „Es fing alles ganz harmlos mit Hausaufgabenhilfen an.“

Allerdings hat auch der Bruder der Mädchen den 71-Jährigen vor Gericht schwer belastet. Ob er sich diesen Vorwürfen vor Gericht noch stellen müsse, „liegt nicht in unserer Verantwortung. Das muss die Staatsanwaltschaft entscheiden.“

Auf Aussagen gestützt

Der Urteilsspruch, betonte der Vorsitzende Richter, stützte sich in erster Linie auf die Aussagen des Rentners. Denn bei der polizeilichen Vernehmung, bei der er ausdrücklich auf den Beistand eines Anwalts verzichtet hatte, hatte er den Missbrauch eingeräumt. Ob es darüber hinaus noch schwerwiegendere Fälle gegeben hat, „wissen wir nicht, es liegt eventuell sogar nahe“. Entsprechende Angaben der Neunjährigen dazu hätten für den Prozess „nicht verwertet“ werden können, da sowohl die Ermittlungsbeamtin der Polizei als auch die Mutter auf das schüchterne Kind zu stark eingewirkt hätten.

Mädchen macht sich Vorwürfe

Aßling skizzierte unter anderem die Persönlichkeit der jungen Opfer. Die 13-Jährige mache den Eindruck eines selbstbewussten Mädchens, das sich zu artikulieren weiß und sich schnell der Mutter offenbart hat: „Im Moment sieht es so aus, dass sie mit dem Geschehenen klar kommt.“ Die Zukunft der jüngeren Schwester hingegen stehe in den Sternen: „Wir wissen nicht, ob und welche Probleme noch auf sie zukommen. Sie hat vieles in sich hinein gefressen und sich selbst Vorwürfe gemacht, warum sie das alles über sich hat ergehen lassen.“

Kritisch bewertete der Richter die innere Einstellung des 71-Jährigen. Nach wie vor weise er pädophile Neigungen weit von sich. Stattdessen hätte er sich offenbaren und es den Kindern leichter machen können. Skeptisch äußerte sich der Vorsitzende zum Therapiestart des 71-Jährigen: „Ob Sie das für uns gemacht haben, lassen wir offen.“ Seinen Therapeuten jedenfalls habe er nicht von seiner Schweigepflicht entbunden – „wenn Sie aber ernsthaft den Willen zu einer Therapie haben, so können Sie diese im Rahmen des Strafvollzuges beginnen“, sagte Richter Aßling. sg

Freie Autorin Seit vielen Jahren "im Geschäft", zunächst als Redakteurin beim "Darmstädter Echo", dann als freie Mitarbeiterin beim Bergsträßer Anzeiger und Südhessen Morgen. Spezialgebiet: Gerichtsreportagen; ansonsten alles was in einer Lokalredaktion anfällt: Vereine, kulturelle Veranstaltungen, Porträts. Mich interessieren Menschen und wie sie "ticken", woher sie kommen, was sie erreiche haben - oder auch nicht-, wohin sie wollen, ihre Vorlieben, Erfolge, Misserfolge, Wünschte etc.

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