Bürstadt. „Bei uns brennt’s.“ Torsten Wiechmann, Leiter der Bürstädter Schillerschule, wünscht sich ganz dringend stärkere Unterstützung, weil es immer mehr Kinder gibt, die dem Unterricht alleine nicht folgen können. Mit fatalen Auswirkungen: Sie stören die gesamte Klasse. Aktuell bräuchte er in den ersten Klassen drei Schulbegleiter, sogenannte Teilhabe-Assistenten, hat bisher aber keinen einzigen. Und jetzt schlägt der Personalrat am Schulamt sogar noch Alarm, weil er von enormen Budget-Kürzungen erfahren hat. Das Landratsamt weist diese Behauptung zurück.
„Stellen Sie sich vor, Sie unterrichten eine erste Klasse mit 24 Kindern, eines davon läuft ständig unerwartet aus dem Klassenzimmer.“ So schildert der Gesamtpersonalrat die schwierige Situation im Schulalltag. Was soll der Lehrer tun? Hinterherrennen und den Rest alleine lassen? Oder das Kind laufen lassen? Wie passend dieses Beispiel ist, bestätigt Torsten Wiechmann in Bürstadt. „Wir haben sechs erste Klassen, und alle sind randvoll mit 25 Kindern.“ Das sei für die Lehrkräfte schon eine extreme Belastung. Hinzu kämen Kinder mit sprachlichen Schwächen, weil sie aus Intensivklassen kommen. Und dann gebe es eben zunehmend sozial oder psychisch auffällige Kinder. Zum Teil sei in dieser Konstellation kaum Unterricht möglich. „Wir müssen sogar, was mir sehr missfällt, Kinder abholen lassen – sonst leiden alle anderen Schüler der Klasse darunter.“ Schulbegleiter könnten dabei einiges auffangen. Werde daran jetzt gespart, verschärfe sich die Situation weiter. Dabei sei sie schon jetzt dramatisch.
Dass die Anzahl an Kindern mit Förderbedarf zunimmt, bestätigt der Kreis Bergstraße auf Anfrage der Redaktion. Von 2017 bis 2021 sei die Zahl der Teilhabe-Kräfte von 224 auf 346 gestiegen. Deshalb werde seit Jahren immer mehr Geld in solche Assistenzkräfte investiert. 2017 seien es noch zehn Millionen Euro gewesen, in diesem Jahr sind es laut Pressestelle schätzungsweise 27 Millionen Euro. Von massiven Kürzungen könne keine Rede sein.
Diagnose wird zu spät gestellt
Allerdings geht aus einem Papier des Jugendamts in Heppenheim klar hervor, dass die Teilhabe-Assistenz nur noch maximal 80 Prozent des Unterrichts abdecken soll. In Förderschulen dürfe sie sogar nur noch im Ausnahmefall gewährt werden. Für die Betreuung nachmittags ist die Schulbegleitung zudem gar nicht vorgesehen, so Wiechmann. „Dabei ist sie dann besonders wichtig, weil solche Kinder eine feste Struktur brauchen – die nachmittags fehlt.“
Laut Bürstadts Schulleiter habe sich das Problem in der Pandemie verstärkt, weil der Förderbedarf vieler Kinder viel zu spät erkannt werde. Das Gesundheitsamt habe wegen Corona so gut wie keine schulärztlichen Untersuchungen vorgenommen. Auffällige Kinder seien in die Schule gekommen, ohne dass für den Start Unterstützung organisiert werden konnte. Zudem ziehe sich die Diagnose, die für den Antrag vorliegen muss, über Monate hin. „Für einen Termin bei der Vitos-Klinik warten Eltern ein Dreivierteljahr“, sagt Wiechmann kopfschüttelnd.
In Einzelfällen könne an der Schillerschule auch mal eine FSJ-Kraft aushelfen, aber nicht bei sozial auffälligen Kindern. „Dafür braucht es eine Fachkraft, und die sind offenbar auch kaum zu finden.“ Wiechmann weiß, dass Teilhabe-Assistenten dringend gesucht würden. Auch der Personalrat am Staatlichen Schulamt sieht die Inklusion insgesamt „stark gefährdet“: Denn „es fehlt qualifiziertes, pädagogisch ausgebildetes Personal“. Die Aufgabe als Teilhabe-Assistenz sei weder zeitlich noch finanziell besonders attraktiv, wird kritisiert.
Die Situation an der Schillerschule als größte Grundschule im Kreis stellt Wiechmann ständig vor neue Herausforderungen. Viele Kinder seien in der Pandemie weniger in die Kita gegangen und hätten im sozialen Miteinander Defizite. „Und dann haben wir auch keine Räume, in denen mal jemand in Ruhe mit dem Kind alleine arbeiten könnte. Bei uns ist alles belegt, obwohl die Sprachheilschule ausgezogen ist.“ Zu der durchgehend sechszügigen Grundschule kommen noch je drei Vorlaufkurse und Intensivklassen. „Es ist eng. Immerhin haben wir die Vision, dass es mit dem Neubau besser wird“, sagt Wiechmann.
Langes Warten auf Spielgeräte
Bis dahin vergehen aber noch mindestens drei Jahre. „Viele Kinder erleben nur die Baustelle – und wissen gar nicht mehr, wie es zuvor war. Und sie sind weg, wenn der Neubau fertig ist“, sagt Sebastian Geschwind vom Elternbeirat mit Bedauern. Vor allem liege der Schulhof wie eine Brachfläche da. Froh ist er zu hören, dass der Kreis Bergstraße auf Anfrage dieser Redaktion erklärt, in den Herbstferien würden Spielgeräte geliefert und „zeitnah“ aufgebaut. Die monatelange Verzögerung wird mit Lieferengpässen erklärt.
Konkret handle es sich um ein Mikado aus sechs Robinienstämmen, eine Balancierstrecke aus drei Robinienstämmen sowie um einen Basketballkorb. Zudem sollen noch eine Kletterstrecke an der Gymnastikhalle angelegt sowie ein bis zwei Tischtennisplatten auf dem Schulhof installiert werden.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/buerstadt_artikel,-buerstadt-buerstaedter-schillerschule-hat-immer-mehr-kinder-mit-foerderbedarf-_arid,2003610.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/buerstadt.html