Obdachlosigkeit

Bürstadt: Wohin mit den neuen Unterkünften für Obdachlose?

Von 
Corinna Busalt
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Die Häuser in der Görlitzer Straße 9 und 11 sollen abgerissen werden. Eine Sanierung der maroden Wohnungen gilt als unwirtschaftlich. © Berno Nix

Bürstadt. Es gibt keine Heizung, also läuft in jedem Zimmer ein Lüfter. Oft Tag und Nacht. „Damit es warm bleibt in der Bude. Das kostet ein Heidengeld und belastet das Stadtsäckel enorm“, sagt Katharina Alborea vom Diakonischen Werk. Sie kümmert sich seit gut einem halben Jahr um Obdachlose in Bürstadt und hat schon vor zwei Jahren ein Konzept dazu vorgestellt. Oberstes Ziel: eine neue, menschenwürdige Unterbringung für Wohnungslose – als Ersatz für die maroden Häuser in der Görlitzer Straße. Am Dienstag, 14. Dezember, steht das Thema auf der Tagesordnung im Ausschuss für Bau und Stadtentwicklung. Die Notwendigkeit der neuen Unterkunft ist allen bewusst – nur die Frage nach dem Standort noch offen.

Die Unterbringung von Wohnungslosen, das macht Alborea ganz deutlich, „hat nichts mit Mildtätigkeit oder Menschenfreundlichkeit zu tun: Es ist eine Pflichtaufgabe der Kommunen“. Deshalb, so die engagierte Sozialarbeiterin, müsse man schlichtweg das Beste draus machen. Dass die Standortfrage extrem kompliziert und die einzelnen Möglichkeiten umstritten sind, hat Alborea in den vergangenen Monaten gemerkt. Und doch bringe es nichts, die Entscheidung hinauszuzögern. Allein schon wegen der laufenden Kosten. Nicht nur für den Strom jetzt im Winter. „Auch Reparaturen sind immer wieder notwendig. Mal schließt ein Fenster nicht, es gibt Schimmel oder der Wasserhahn geht kaputt.“ Dabei ist der Abriss schon beschlossen.

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Nur für Personen aus Bürstadt

Die neue Unterkunft soll die Nachbarschaft so wenig stören wie möglich, erklärt Alborea, gleichzeitig sollen die Bewohner bei all ihren Problemen so angenehm wie möglich leben können. Bus und Bahn sowie Einkaufsmöglichkeiten müssten erreichbar sein. „Da diese Menschen so gut wie nie ein Auto haben, sollten auch Arbeitsplätze in der Nähe sein.“ Denn: „Ein Wohnungsverlust kann auch jemanden treffen, der nicht ganz unten lebt. Und so jemand möchte nicht am Waldrand wohnen.“ Zudem sei generell eine kurzfristige Unterbringung von vier bis sechs Wochen angedacht. Realistisch betrachtet dauere es aber oft länger – einfach weil es schwierig ist, etwas Neues zu finden. Von einer kurzfristigen Unterbringung kann ohnehin für viele, die von der Görlitzer Straße 9 und 11 kommen, keine Rede sein. Laut Alborea sind etliche Bewohner über 50 und 60 Jahre alt und haben auf dem freien Wohnungsmarkt kaum eine Chance. „Das stellt schon Normalverdiener vor große Probleme.“ Für diese ältere Zielgruppe, die auch stärkere Betreuung brauche, denkt sie an eine Art Wohngruppe mit gemeinsamer Küche und Aufenthaltsraum.

Notfallhilfe und Betreuung

  • Katharina Alborea arbeitet für das Diakonische Werk Bergstraße und die Stadt Bürstadt. Sie kümmert sich seit April 2021 jeweils mit einer halben Stelle um die Obdachlosenbetreuung der Stadt sowie die Wohnungsnotfallhilfe und Gemeinwesenarbeit in Bürstadt.
  • Seit Juli erhält sie Unterstützung von Franz Stehlik, mit dem sie in Bensheim beim Diakonischen Werk gearbeitet hat. Stehlik ist in Bürstadt zur Schule gegangen. Er kümmert sich mit einer halben Stelle mit ihr um die Gemeinwesenarbeit, den Rest der Zeit arbeitet er weiterhin in den Ambulanten Wohnhilfen.
  • Alborea lehrt an der Hochschule Darmstadt sowie an der evangelischen Hochschule „Armutspolitik“ und zum Thema Wohnungslosenhilfe. 2019 hat die 52-Jährige das Obdachlosenkonzept im Auftrag der Stadt Bürstadt erstellt.
  • Obdachlose bringt die Stadt Bürstadt in der Görlitzer Straße 9 und 11 sowie im ehemaligen Gesundheitsamt in der Erbacher Straße 2 unter.

Dem Argument, das neue Wohnungslosenheim könne Personen von auswärts anlocken, widerspricht Alborea: „Es ist nur für Menschen gedacht, die ihren Lebensmittelpunkt in Bürstadt haben.“ Also die Bewohner aus der Görlitzer Straße. Am Standort Erbacher Straße, wo Alborea ihr Büro hat und Familien leben, ist eine Sanierung vorgesehen. Die Planung dafür soll noch im Dezember vergeben werden. Bevor die Arbeiten im früheren Gesundheitsamt beginnen, sollte die neue Unterkunft fertig sein – damit die Bewohner während der Bauphase ausweichen können.

Katharina Alborea und ihr Kollege Franz Stehlik betreuen die Obdachlosen nicht nur. Sie treiben auch die Gemeinwesenarbeit voran: In der Erbacher Straße wollen sie auf neutralem Terrain einen Ort schaffen, an dem sich Menschen begegnen und voneinander lernen können. An Kurse, Hausaufgabenhilfe, Vorträge oder eine Fahrradwerkstatt denken sie dabei. Platz bietet das Erdgeschoss, wo es früher ärztliche Untersuchungen gab, genug.

Einen großen Wunsch hat Alborea: „Dass die neue Unterkunft bis zum nächsten Weihnachtsfest steht. Denn die Bauzeit ist nicht sehr lange.“ Die Wahl ist bereits auf flexible Module gefallen, die gut miteinander kombiniert werden können. Städtebaufördermittel aus dem Programm „Sozialer Zusammenhalt“ sind ebenfalls schon bewilligt. Das Grundstück dafür müsste laut Stadtverwaltung maximal 2000 Quadratmeter groß sein.

Redaktion Redakteurin des Südhessen Morgen und zuständig für die Ausgabe Bürstadt/Biblis

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