Soziales

Bürstadt: Unterkunft für Obdachlose kaum noch bewohnbar

Schimmel breitet sich aus, die Zustände sind menschenunwürdig, kritisieren die Sozialarbeiter der Diakonie. Bei der Suche nach einem neuen Standort sind die Fronten klar gezogen: Kicker oder Bolzplatz?

Von 
Sandra Bollmann
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Das Freizeitkickergelände ist nach wie vor als Standort für eine neue Obdachlosenunterkunft im Gespräch. © Bernhard Zinke

Bürstadt. „Wir sind erschrocken, dass es sowas gibt.“ Alexandra Weißhaar spricht von der Obdachlosenunterkunft in der Görlitzer Straße und findet im Sozialausschuss deutliche Worte für die Zustände, die sie „menschenunwürdig“ und „unsäglich“ findet. „Dass man sich da nicht dahinterklemmt, dass etwas passiert!“ Sie sei fassungslos.

Die Diakonie-Mitarbeiterin ist zusammen mit Kollege Franz Stehlik in den Ausschuss gekommen, um den Politikern aus erster Hand zu berichten, wie es in der Görlitzer Straße läuft. Geheizt wird mit kleinen Radiatoren. Wenn es zu warm wird, werden dennoch die Fenster geöffnet. Inzwischen sind einige Zimmer gar nicht mehr bewohnbar, weil sich Schimmel breit macht. „Die Zeit drängt“, mahnt Bürgermeisterin Bärbel Schader. „Die Unterbringung ist eine Pflichtaufgabe, kein ’Nice to have’“, stellt sie klar.

Streit über Standort

Dass es eine neue Unterkunft geben muss, darüber herrscht Einigkeit. Die Fraktionen streiten sich allerdings seit Jahren über den passenden Standort. SPD und Grüne haben inzwischen einen Ringtausch vorgeschlagen mit einem Containerdorf in der Karlsbader, einem Neubau in der Görlitzer und einer Unterkunft in der Bahnhofsstraße (wir haben berichtet). Die CDU hält an einer Randbebauung am Freizeitkickergelände fest, will den Ringtausch allerdings nicht kategorisch ausschließen.

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Knapp 40 Personen leben in der Görlitzer Straße, fast alle alkohol-, spiel- oder drogensüchtig - oder auch alles zusammen, wie Franz Stehlik erläutert. Inzwischen zeige die Betreuung Wirkung. „Wir haben eine Vertrauensbasis aufgebaut“, kann er berichten. „Die Bewohner kommen schon mal zu mir und bitten um Hilfe.“ Wenn es darum geht, Formulare auszufüllen, beispielsweise. Streitereien und Tätlichkeiten hätten nachgelassen, Polizeieinsätze gebe es kaum noch.

Das bestätigt auch Anwohner Reiner Mecky. Er ist eigens zum Ausschuss gekommen, um zu hören, wie es weiter gehen soll mit der Unterbringung. Er lebt seit 30 Jahren in der Görlitzer Straße und hat nichts gegen die Leute dort, wie er versichert. Im Gegenteil: „Ich habe schon Geld verliehen und auch wieder zurückbekommen.“ Tatsächlich wären in den vergangenen Monaten kaum noch Feuerwehr, Polizei oder SEK vorgefahren. Für die Nachbarschaft findet er die Situation dennoch belastend. Warum also nicht einen kleinen Teil des Freizeitkickers nutzen? Mit Freunden habe er dort früher gerne Fußball gespielt. Inzwischen gehe kaum noch jemand dorthin, weil das Gras kniehoch stehe und die Tore völlig kaputt seien.

Auch für Alexandra Weißhaar und Franz Stehlik wäre das Freizeitkickergelände der optimale Standort, wie sie am Rande der Sitzung betonen. „Die Verkehrsanbindung ist gut, und es gibt Einkaufsmöglichkeiten, das ist perfekt.“ Zudem sei das Gelände riesig, und für die neue Unterkunft werde nur ein Bruchteil gebraucht.

Dieses Argument führt auch Ursula Cornelius (CDU) bei ihrem „dringenden Appell“ an die Fraktionen ins Feld: „Bitte denken Sie noch einmal über das Freizeitkickergelände nach!“ Zumal nun auch die Bogenschützen wieder auf ihr Vereinsgelände zurückgekehrt seien. „Damit ist doch genug Platz“, sagt Cornelius. „Die Lösung liegt vor unserer Haustür, und wir könnten sie schnell umsetzen.“

Boris Wenz (SPD) weist noch einmal auf den großen Vorteil der Ringtausch-Idee hin: „Das ist schnell umzusetzen.“ Wohncontainer aufzustellen, sei keine langwierige Sache. Aber auch mit einem feststehenden Gebäude könne er sich anfreunden. Die ausschlaggebende Frage ist allerdings noch offen: Kann der Bolzplatz in der Karlsbader Straße wegen der Ferngasleitungen überhaupt bebaut werden? „Wir warten immer noch auf Antwort“, lautet die Auskunft der Bürgermeisterin.

Deutliche Kritik

Die Idee für den Ringtausch sei lediglich „aus der Not heraus“ entstanden, um eine schnelle Lösung zu finden, macht Wenz klar. „Die Leute müssen aus dieser furchtbaren Wohnsituation herauskommen“, pflichtet ihm Uwe Metzner (Grüne) bei. Für Renate Strand (Freie Wähler) ist der Freizeitkicker nach wie vor tabu. Mit dem Ringtausch könne ihre Fraktion aber durchaus mitgehen, macht sie klar.

Chantal Stockmann (FDP) wehrt sich gegen den Vorwurf, die Standortsuche sei alleine wegen der Fraktionen nicht vorangekommen. Teilweise hätten Unterlagen nicht gestimmt, beispielsweise zu den Besitzverhältnissen der Grundstücke, die in Frage kamen. Das habe wiederholt für Verzögerungen gesorgt. Von Verwaltungsseite sei doch von Anfang an der Freizeitkicker gewünscht gewesen, kritisiert Stockmann. „Jetzt bleibt wegen des Zeitdrucks kaum eine andere Lösung.“

Diakonie-Mitarbeiterin Alexandra Weißhaar ist von der Ringtausch-Idee nicht begeistert. Die Leute „hin- und herzuschieben“, das findet sie schwierig. Die vorgesehene Aufteilung in schwere und weniger schwere Fälle kann sie kaum nachvollziehen - auch wenn das so ihm Konzept steht, dass die Diakonie für die Unterbringung der Obdachlosen erstellt hat. Nach über einem Jahr in Bürstadt stellt sie fest: „Die Praxis hat gezeigt, dass es kaum Unterschiede gibt.“ Sämtliche Bewohner könnten auf lange Sicht nicht alleine leben. Sie bräuchten eine gute Betreuung. Und eine menschenwürdige Unterkunft.

Über den Standort wird in etwa zwei Wochen erneut im Bauausschuss diskutiert.

Redaktion Redakteurin "Südhessen Morgen", Schwerpunkt Bürstadt

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