Bürstadt. An Dramatik ist die Situation kaum noch zu überbieten: Aus den Fenstern des früheren Hotel Berg schlagen Flammen, zwei Menschen harren im zweiten Stock auf einem schmalen Sims aus und warten auf Rettung. Auf der Rückseite des Gebäudes haben sich fünf Personen mit zusammengeknoteten Bettlaken abgeseilt. Sie finden Zuflucht auf einem niedrigeren Anbau. Alle können binnen 15, höchstens 20 Minuten in Sicherheit gebracht werden, zeigt sich der Bürstädter Stadtbrandinspektor Uwe Schwara noch am nächsten Morgen hochgradig erleichtert. „Es ist niemandem etwas Schlimmeres passiert“, fasst er zusammen. Fest steht: Das Ganze hätte komplett anders ausgehen können.
Nachbarn hatten in der Nacht zum Dienstag gegen 0.20 Uhr die Polizei alarmiert, der Brand war kurz nach Mitternacht in einer Wohnung im ersten Obergeschoss ausgebrochen, direkt über dem Haupteingang in der Vinzenzstraße. Mehrere Streifen und auch die Feuerwehr waren kurz darauf vor Ort. „Als wir ankamen, schlugen die Flammen bereits aus den Fenstern“, schildert Schwara. Viele Bewohner waren da schon in heller Panik. Die meisten hatten sich ins Freie gerettet. Einige befanden sich allerdings in lebensgefährlichen Situationen, wie Schwara deutlich macht: Zwei Männer balancierten auf einer Mauerbrüstung mehrere Meter über der Erde. Noch immer ist der Bürstädter Feuerwehrchef heilfroh, dass die beiden nicht gesprungen sind. „Wir haben durch Rufen versucht, sie davon abzuhalten.“ Das habe zum Glück funktioniert. Die beiden wurden als erste per Teleskoparm mit dem Hubrettungsfahrzeug von ihrem luftigen Standort gerettet.
Mit Bettlaken gerettet
Nicht weit entfernt, in einem Fenster neben der brennenden Wohnung im ersten Stock, wartete ebenfalls ein Bewohner dringend auf Hilfe. Hier habe eine Schiebeleiter ausgereicht, um ihn zu erreichen und sicher nach unten zu bringen, so Schwara.
Auf der Rückseite des Gebäudes hatten sich fünf Männer aus dem zweiten Stock auf ein tiefer gelegenes Dach geflüchtet – auch das hätte schlimm enden können, macht Schwara deutlich: Die Bewohner hatten mehrere Betttücher aneinander geknotet und sich so nach unten gehangelt. Eine weitere Person befand sich auf dem weitaus höheren Dach des Haupttrakts. Auch hier kamen Teleskop-Gelenkmast und Rettungsleiter zum Einsatz. Ein Mann hatte sich auf einen Balkon in Sicherheit gebracht. Ihn brachten Feuerwehrleute mithilfe einer Brandschutzhaube, die giftige Dämpfe abhält, durch das Treppenhaus ins Freie. „Innerhalb von höchstens 20 Minuten waren alle in Sicherheit“, berichtet der Stadtbrandinspektor. Allerdings war auch danach die Anspannung groß, ob sich nicht doch noch Bewohner – oder Gäste – in dem früheren Hotel aufhielten.
Erleichterung kam erst auf, als die Flammen nach etwa zwei Stunden gelöscht waren. Einige Einsatzkräfte hatten sich mit Hilfe des Hubrettungssteigers auf Höhe des ersten Stocks begeben. Zusätzlich machten sich einige Kameraden von der Rückseite des Gebäudes zu Fuß auf den Weg zum Brandherd. Die komplette Bürstädter Wehr war im Einsatz, Unterstützung kam zudem aus Lampertheim – insgesamt waren es 75 Frauen und Männer, wie Uwe Schwara berichtet.
Erst nach Abschluss der Löscharbeiten konnten Retter mit Atemschutz Wohnung für Wohnung absuchen. Dann stand endlich fest: Alle Menschen sind in Sicherheit. Allerdings hatten fünf Personen giftige Rauchgase eingeatmet, zwei von ihnen wurden ins Krankenhaus eingeliefert.
Bereits mitten in der Nacht waren auch Bürgermeisterin Bärbel Schader, Landrat Christian Engelhardt und Kreisbrandinspektor Steffen Lutter vor Ort. Sie kümmerten sich unter anderem um eine schnelle Notunterkunft für die Bewohner, die in der eiskalten Nacht – teils nur mit Schlafanzug und Hausschuhen bekleidet – im Freien ausharren mussten. Das DRK richtete für die Menschen, darunter eine Familie mit einem Kleinkind, Feldbetten in der Wasserwerkhalle ein und übernahm auch die Verpflegung.
Durchwachte Nacht
Bürgermeisterin Bärbel Schader steht nach einer durchwachten Nacht noch immer unter dem Eindruck der Rettungsarbeiten. „Dass alle lebend gerettet werden konnten, das ist eine riesige Erleichterung“, sagt sie. Von den Feuerwehrleuten ist sie hellauf begeistert. „Da sitzt jeder Handgriff. Sonst wäre das anders ausgegangen“, ist sie sicher.
Morgens gegen halb drei ging es dann darum, die Menschen ins Warme zu bringen und mit Getränken und später auch mit einem Frühstück zu versorgen. „Unser Landrat hatte zum Glück den Schlüssel für die Wasserwerkhalle dabei.“ Hier verbrachten die Eltern mit ihren beiden Kindern und elf junge Männer die Morgenstunden. Etliche wollten später wieder zur Arbeit gehen.
Inzwischen hat das Rathaus eine längerfristige Unterkunft für die Leute gefunden, gibt Ordnungsamtsleiter Rainer Stöckel Auskunft. Mittlerweile konnten zumindest aus einigen Wohnungen Dokumente und Papiere gesichert werden. Die junge Familie freut sich über einige dringend benötigte Sachen aus ihrer Wohnung im Erdgeschoss. „Nur in den ersten Stock konnten wir nicht. Den hat die Kriminalpolizei versiegelt“, erläutert Stöckel.
Noch vor Jahren galt das Hotel Berg als durchaus empfehlenswerte Unterkunft. Zwischenzeitlich wurde der Komplex als Flüchtlingsquartier genutzt. Mittlerweile hat der aktuelle Besitzer die Räumlichkeiten zu Wohnungen umgebaut und vermietet sie – einige auch an die vorhergehenden Bewohner.
„Wir kennen uns hier ja schon aus“, erinnert Uwe Schwara an mehrere Feuer in dem Komplex. So war der Dachstuhl im Jahr 2013 bei einem Brand völlig zerstört worden.
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