Bürstadt. Bagger und Baumaschinen haben im Biotop am Krieglachring gerade Vorfahrt. Spaziergänger müssen erstmal draußen bleiben. Dafür soll das kleine Stückchen Natur mitten in Bürstadt bald so richtig aufblühen: als eine Art „Rettungsboot“ für Tiere und Pflanzen. Aber auch als wunderschöne Grünanlage und Begegnungsort mit der Natur. Beim Rundgang erklären Umweltbeauftragter Henry Riechmann und Landschaftsarchitektin Anette Ludwig unserer Redaktion, wie das gelingen soll.
Noch sieht es so gar nicht nach blühendem Paradies aus: Die Bagger haben tiefe Spuren im feuchten Erdreich hinterlassen. Erdhaufen türmen sich auf, kahle Beete sind zu sehen, wo im Sommer eine bunte Pracht wachsen soll. Einiges ist aber auch schon so gut wie fertig: die riesigen Steinblöcke beispielsweise, gleich rechts neben dem Eingang Im Röschen. Die mächtigen Quader bilden die Rückwand zu einer kleinen gepflasterten Fläche. Davor sollen zwei Bänke Platz finden, von denen man an den großen Bäumen vorbei auf den großen Schilfbereich blicken kann. Die Steine fangen die Sonnenstrahlen ein und sorgen im Frühjahr und Herbst für angenehme Wärme. Und bieten einen idealen Rückzugsort für Eidechsen, wie Anette Ludwig erklärt. Ringsum sind die Arbeiter zugange und bringen den Untergrund in Form. „Alles wasserdurchlässig“, erläutert die Landschaftsplanerin. Schließlich soll so viel Feuchtigkeit ins Erdreich gelangen wie nur möglich.
Platz für Molche und Kröten
Dazu trägt auch bald der kleine Bachlauf bei, der gerade im Entstehen ist. Auf der Seite der Graf-von-Stauffenberg-Straße liegen einige große Wacker bereit. Hier soll das Flüsschen entspringen und – per Grundwasserpumpe elektrisch betrieben – für einige Stunden am Tag sprudeln. Das Wasser soll dann am tiefsten Punkt des Biotops im Boden versickern. Mehr Schilf und weniger Brombeeren wünschen sich Anette Ludwig und Henry Riechmann. Und damit mehr Platz für Molche, Kröten und andere Liebhaber von sumpfigen Ecken. Mit dem Schilfrohrsänger als Dauergast rechnet der Umweltbeauftragte auf jeden Fall. Vielleicht zieht aber auch ein Blaukehlchen ein. „Aber so mitten in der Stadt?“ – Riechmann hat seine Zweifel. Aber genau dafür sei das Biotop eigentlich da: Um Tieren einen sicheren Hafen zu bieten, die zwar hier heimisch sind, aber die kaum noch geeignete Lebensräume finden. Damit könnte man das Biotop durchaus als Rettungsboot für seltene Arten sehen, findet Riechmann.
Trotzdem gab es auch Kritik am geplanten Bachlauf – schon allein, weil dafür Energie fließen muss. Deutlich vehementer waren allerdings die Widersprüche gegen eine offene Wasserfläche, die sich die Naturschützer eigentlich gewünscht hatten. Stattdessen gibt es nun zwei Mini-Teiche. Ein Zaun drumrum soll dafür sorgen, dass niemand hineinfallen kann, berichtet Riechmann. Er hat Verständnis. Schließlich wollen auch Kitas regelmäßig Ausflüge zu hierher machen. In den beiden kleinen Folienteichen können sich Frösche und Libellen ebenfalls wohlfühlen, versichert der Biologe. „Und wenn sich das Schilf erst so richtig ausgebreitet hat, ist von dem Zaun kaum etwas zu sehen.“ Dennoch können die Besucher genau verfolgen, was sich im und auf dem Wasser abspielt.
Zahlen und Fakten
- Das etwa 3,3 Hektar große Feuchtbiotop zwischen Krieglachring und Graf-von-Stauffenberg-Straße ist ursprünglich ein Stück ehemaliger Rheinarm.
- Angelegt wurde es bereits bei der Bebauung des Bereichs in den 1990er Jahren. Seitdem hatten sich Brennnesseln und Brombeeren ausgebreitet. Die Wege waren fast zugewuchert.
- Inzwischen sind auf rund 2500 Quadratmetern blütenreiche und standortgerechte Blumensamen eingesät worden. Dazu kommen 550 Quadratmeter mit blühenden Präriestauden.
- Kleinbiotope wie zwei Amphibientümpel, ein kleiner Bachlauf, das Eidechsenhabitat, ein Bienenhotel und eine Naturstein-Trockenmauer sind im Entstehen. Fünf Obstbäume und 100 Sträucher werden gepflanzt.
- Der Weg wird erneuert, entlang der rund 720 Meter langen Strecke werden Holzstämme und Findlinge ausgelegt, zehn neue Bänke und ein Steinrondell als Freiluftklassenzimmer sind geplant.
- Die Arbeiten müssen bis Ende April abgeschlossen sein, wenn die Stadt europäische Fördermittel für den Umbau nutzen will.
Begegnungen zwischen Mensch und Tier: Auch dafür sind die rund 3,3 Hektar Freifläche gedacht. Gleich neben dem neuen Eidechsenhabitat am Eingangsbereich zum Krieglachring entsteht das Freiluftklassenzimmer. Einige riesige Steinquader lassen schon erahnen, was hier entstehen soll. Die losen Zweige auf den zusammengewürfelten Felsbrocken sehen dabei aus wie zufällig zusammengewürfelt.
Dabei ist der neue Tummelplatz für die selten gewordenen Eidechsen eine genau ausgeklügelte Behausung, wie Anette Ludwig erläutert. Größere Brocken liegen auf einer Schicht kleiner Steine. So entstehen verschieden große Hohlräume. Die Äste halten Fressfeinde wie Raubvögel auf Distanz.
Hier am vielleicht sonnigsten Bereich plant die Gartenarchitektin ein ganz besonderes Beet: Die fein geharkte Fläche ist für Präriestauden reserviert – Sonnenliebhaber, die auch mit Trockenheit gut zurechtkommen. „Die Sommer werden heißer und die Hitze hält länger an – der Klimawandel halt“, sagt die Fachfrau. Da müsse sich auch die Bepflanzung anpassen. Schön üppig und bunt wird es trotzdem, versichert sie. Und vielleicht holen sich hier ja auch Gartenbesitzer, die weniger gießen wollen, einige Anregungen.
Noch viel mehr bunte Beete sind geplant. An den Eingangsbereichen werden Stauden gesetzt. Entlang des Rundweges sähen die Gärtner Blumenmischungen ein – geeignet für richtig nasse und eher feuchte Bereiche. „Initialstreifen“, nennt Riechmann die langen Bänder, die im Sommer bunt leuchten und sich kräftig versamen sollen. Damit sie sich gegen die ausbreitungswütige Brennnessel durchsetzen können, wurde ordentlich Sand in die nährstoffreiche Erde gemischt. „Magerwiesen blühen eben am schönsten“, bestätigt Anette Ludwig.
Wildschweine bleiben draußen
Ein Großteil der wild wuchernden Brombeerhecken ist inzwischen verschwunden. Damit haben sich auch die Wildschweine verzogen, die hier ihr Unwesen getrieben haben. „Dazu haben sicher auch die Rodungsarbeiten entlang der B 47 beigetragen“, erläutert Henry Riechmann. Ohne schützendes Gehölz haben sich die Schwarzkittel offensichtlich nicht mehr bis in die Stadt getraut – für Wiechmann eine echte Erleichterung. „Dann brauchen wir auch keine aufwendige Vergrämungsaktion.“
Auch wenn Wildschweine ebenfalls ein Stück Natur darstellen, sind sie hier einfach fehl am Platz, stellt der Biologe fest. Manchmal müsse man eben nachhelfen, um Raum für Vielfalt und Artenreichtum zu schaffen. Dafür sei das Biotop gedacht. Und eben auch als Ort der Begegnung, der im Sommer für Schatten und Abkühlung sorgt.
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