Bürstadt. An der Sonnenbotschafterin kann es nicht gelegen haben. Charlotte Heiderich hatte alles versucht, um Bürstadt einen schönen Sonntag zu bescheren. Ohne Erfolg. Häppchenweiser Regen und winterliche vier Grad haben Ausstellern und Gästen des Frühjahrsmarkts die Stimmung fast verhagelt. Die Besucherzahl blieb mehr als überschaubar. Citymanager Tim Lux mutmaßte bei der nasskalten Eröffnung auf dem Marktplatz, dass womöglich die Drähte nach oben irgendwie gestört sein müssen. „Das ist suboptimal“, kommentierte der Mann vom Stadtmarketing, der bereits den Live-Auftritt der Band District Lounge am Samstagabend witterungsbedingt abgesagt hatte.
Auch am verkaufsoffenen Sonntag wurde das Bühnenprogramm spontan um einige Auftritte reduziert. Lediglich die Tanzdarbietung der Rasselbande vom HCV Bürstadt fand gegen 14 Uhr planmäßig statt. Die Kinder hatten sich sehr auf den Auftritt gefreut und waren teilweise extra aus Groß-Rohrheim gekommen, so dass die Veranstalter in Absprache mit den Betreuerinnen ihr „Go“ gaben.
Schließlich sollte auch die neue Bühne der Stadt endlich eingeweiht werden, die eigens für örtliche Feste angeschafft wurde, wie Bürgermeisterin Bärbel Schader betonte. Die Rathauschefin nahm die klamme Witterung mit Humor und strahlte die Wolken einfach weg: mit rekordverdächtigen 71 Teilnehmern biete man in der Innenstadt einen bunten Branchenmix mit Einzel- und Großhändlern, Gastronomie und Handwerk sowie etlichen Vertretern aus Vereinen und Verbänden.
„Das Wetter ist das einzige, was nicht in unserer Hand liegt“, so Schader beim Fassanstich mit Charlotte I., den die 19-jährige Bürstädterin sehr souverän gemeistert hat. Auch wenn vielen eher nach einem Glühwein als nach einem kalten Bierchen war.
Heißer Quittenwein unter dem Markthallendach
Die Freiwillige Feuerwehr, die sich ebenfalls auf dem Marktplatz präsentierte, hatte es wohl geahnt: Wenn der Nachwuchs nicht gerade damit beschäftigt war, ein „brennendes“ kleines Häuschen zu löschen, dienten die Gasflammen auch zum Aufwärmen kalter Hände. „Wir machen halt das Beste draus“, so einer der Kameraden. Die meisten anderen sahen das ebenso.
Und gegen 15 Uhr ließ dann auch der Regen nach. Und das Thermometer steigerte sich auf spektakuläre sieben Grad. „Schon ironisch, dass der Termin von März auf Mitte April verschoben wurde, um das Wetterrisiko zu entschärfen“, so ein in Daunen gekleideter Besucher unterm Regenschirm. Doch der Monat macht sprichwörtlich alles, was er will. Mit einem Tässchen heißem Quittenwein unter dem Markthallendach ließ sich diese Tatsache aber recht gut akzeptieren.
Das Grünzeug beim NABU Bürstadt hatte überhaupt nichts gegen etwas Regenwasser. Das Team um die Vorstandsmitglieder Christine Winkler und Marion Brandner hatte wieder eine Pflanzentauschbörse organisiert. Vorgezogene heimische Blümchen und Stauden sowie Ableger aus dem Garten und wild aufgegangene Pflanzen standen zum Tauschen und Abholen bereit. Man konnte Eigengewächse spenden und im Gegenzug pflanzliche Grüße aus anderen Gärten mit nach Hause nehmen.
Inklusive kompetenter Informationen zum naturnahem Gärtnern auf heimischem Terrain. Auf diese Weise schürten die Naturschützer die Artenvielfalt im Ortsgebiet auf eine völlig andere Weise. Und wer wollte, konnte sich ein paar „Samenbomben“ für biologische Diversitätsanschläge im Stadtgebiet mitnehmen. Dabei handelt es sich um Objekte aus Erde und Pflanzensamen, wie sie in der Guerillagärtnerei-Bewegung als Methode der Aussaat im urbanen Raum verwendet werden. Ist aber eine sehr friedliche Mission, um Insekten eine nektarreiche Blütenpracht zu bieten.
Um Freiheit ganz anderer Art geht es bei der E-Rikscha. Der Bürstädter Seniorenbeirat will ein solches Gefährt demnächst vorstellen. Am Sonntag präsentierte man ein Modell aus der Stadt Lampertheim, die seit März 2022 im Besitz eines solchen Gefährts ist. Die Rikscha soll Menschen, die nur noch eingeschränkt Rad fahren können, mehr Mobilität ermöglichen und das Erlebnis von Wind in den Haaren bieten. Nicht nur ältere Menschen können auf den beiden vorderen Passagier-Sitzen ihre Umgebung neu erleben, wie Beiratsmitglied Siegfried Gebhardt betont. Das umgebaute E-Bike mit zwei Akkus stehe für unkompliziertes Radeln ohne jede Altersbeschränkung.
Auch ein Personenbeförderungsschein ist nicht nötig. Eine flexible Haube schützt die Passagiere vor Wind, Regen, Schnee und Sonne. Im Rahmen des Frühjahrsmarktes waren Probefahrten möglich.
Ausprobieren lautete auch das Stichwort bei der Katholischen Kirchenmusik, die in einem (wasserdichten) Zelt einige Blasinstrumente als musikalische Versuchsobjekte angeboten hatte. Der Verein feiert in diesem Jahr nicht nur sein 100-jähriges Bestehen, sondern heißt auch neue Musiker und solche, die es erst noch werden wollen, immer herzlich willkommen. Ab acht Jahren kann man bei der KKM mit der Ausbildung beginnen. Wer nicht ganz so viel Luft hat, kann auch Schlagzeug und Percussion lernen.
Die Bürstädter Innenstadt bot fünf Stunden lang Vielfalt und Abwechslung. Sie war Autosalon und kulinarische Meile, Servicestation und Kreativworkshop, Beratungszimmer und Unterhaltungsbühne. Auch das jüngst eröffnete Beratungs- und Begegnungszentrum „MITtendrin“ an der Nibelungenstraße 44 war am Sonntag geöffnet. Entlang der abgesperrten City waren aktuelle Fahrzeugmodelle ausgestellt, drei Autohäuser informieren über ihre Angebote.
„Wir wollen uns den Tag nicht vermiesen lassen“
Der regionale Nahverkehrsanbieter VRN hatte einen 14 Meter langen Aktionsbus geparkt, und auch Grimme-Reisen präsentierte einen modernen Luxusliner. Auf dem Marktplatz bot die Stadt eine kostenlose Kinderbetreuung an, die von den pädagogischen Profis der Kinder- und Schülerbetreuung „Bärenhöhle“ mit Sandra Beilstein und ihrer Crew übernommen wurde. Erstmals hatte sich der Künstlerverein mit einer Ausstellung beteiligt.
Aber auch Service-Dienstleister, inhabergeführte Geschäfte und Energiespezialisten waren vertreten und standen für Fragen bereit. Selbst wenn manchem das Wetter einen Strich durch die Rechnung machte: Denn bei Nieselregen und wolkenverhangenem Himmel fühlt sich nicht jeder dazu animiert, Näheres über die Vorteile eine Photovoltaikanlage auf dem Balkon zu erfahren.
Charlotte I. verfügt über Sonnenenergie von innen heraus. Die Repräsentantin ihrer Stadt blieb trotz Herbststimmung fröhlich und milde gestimmt. Bereits ihre Schwester Jasmin war Sonnenbotschafterin. Die strahlende Wärme liegt der Familie offenbar im Blut. Und auch die Bürgermeisterin blies keine Trübsal: „Wir wollen uns den Tag nicht vermiesen lassen, das haben die Aussteller nicht verdient“, so Bärbel Schader, die bereits auf die Spargelwanderung am 28. April auf der Gemarkung der Städte Lampertheim und Bürstadt hinwies, bei der es sicherlich frühlingshafter sein wird. Die Prognosen sehen gut aus.
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