Umwelt

Bergsträßer Klimaforum in Bürstadt: Ist ein Kochkäseschnitzel interessanter als Klimaschutz?

Das Interesse am zweiten Bergsträßer Klimaforum in Bürstadt hält sich in Grenzen. Landrat Christian Engelhardt ist enttäuscht und zieht einen Vergleich: Ein Kochkäseschnitzel erhalte mehr Aufmerksamkeit

Von 
Thomas Tritsch
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Strahlende Gesichter bei den Schülerinnen und Schülern, die mitgeholfen haben, Energiekosten zu senken. © Thomas Tritsch

Das zweite Klimaforum Bergstraße lockte nur wenige Besucher auf den neuen Bildungs- und Sportcampus nach Bürstadt. In Kooperation mit der Stadt hatte der Kreis Bergstraße eine zweitägige Messe zum Themenkomplex Nachhaltigkeit organisiert. Insbesondere am Samstag fielen die Besucherzahlen ernüchternd aus. Aussteller, Vortragende und Mitarbeiter der Kreisverwaltung blieben weitgehend unter sich. Wie bereits bei der Premiere vor einem Jahr in Bensheim mussten die Veranstalter ein schwaches Interesse aus der Bevölkerung bilanzieren.

Landrat Christian Engelhardt thematisierte dies bei der Eröffnung im Bildungszentrum, wo sich keine 20 Menschen versammelt hatten. Der Blick in die leeren Reihen zeige, dass man derartige Formate überdenken müsse, so Engelhardt. Trotz professioneller und früher Werbung auf allen medialen Kanälen gelinge es offensichtlich nicht, die Menschen aus ihrer Komfortzone zu holen und für eine solche Messe zu mobilisieren.

Dies sei umso unverständlicher, weil Themen wie Klimaschutz, Biodiversität und die Bemühungen für eine erfolgreiche Energiewende jeden Einzelnen betreffen, so der Landrat: „Der Post eines Kochkäseschnitzels erregt in den sozialen Medien mehr Aufmerksamkeit als der Hinweis auf eine Veranstaltung über globale Herausforderungen.“

Rund 30 Vereine beteiligen sich

Man müsse sich weitaus stärker darum bemühen, eine breite Öffentlichkeit anzusprechen. Ansonsten erscheine laut Engelhardt weiterhin nur die übliche Klientel, die für das Thema ohnehin brennt und nicht noch überzeugt werden müsse. Genau dies war in Bürstadt der Fall. Der Landrat lobte diesen harten Kern als leidenschaftliche Akteure, die für die Sache „Gold wert“ seien.

Bürgermeisterin Bärbel Schader sah die Situation weniger dramatisch: Es komme bei einer solchen Messe nicht auf die Gäste an, die sich eine offizielle Eröffnung von Politikern anhören, sondern um die Besucher draußen an den Ständen, an denen am Wochenende rund 30 Vereine, Unternehmen und Institutionen über Energiethemen, Artenvielfalt, Mobilität und Regionalität informiert haben. Aber auch dort war die Lage übersichtlich.

Die Themen waren jedoch durchaus interessant: Ein Hersteller präsentierte ein neuartiges ökologisches Dämmmaterial auf der Basis von verdichteten Holzfasern, das völlig ohne Glasfaser und andere Fremdstoffe auskommt. Eine Entsorgung als Sondermüll sei daher nicht notwendig, wie ein Mitarbeiter erläuterte. Auch die Energiegenossenschaft Starkenburg aus Heppenheim ist 13 Jahre nach ihrer Gründung noch immer aktiv. Ihr Ziel ist die Förderung regenerativer Energien in Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort. Der Ausbau von Ökostrom aus Sonne, Wind und Biomasse soll weitergehen, so Vorstandsmitglied Ute Schumacher. Jüngst wurden in der Gemeinde Fürth die Weichen für einen Bürgersolarpark gestellt. Die Erfahrung der Starkenburger Energiegenossen in Sachen Bürgerbeteiligung fließt in das Projekt mit ein.

Die Genossenschaft will „Klimaschutz zu einem Volkssport machen“. Eine Dynamik, die durch eine solche Messe befeuert werden soll. Der Vorstandsvorsitzende der „Klimastiftung für Bürger“, Bernd Welz, lobte das Klimaforum und berichtete von einem anderen Format, das sehr erfolgreich gestartet war: die Klima-Arena in Sinsheim ein einzigartiger Erlebnisort, der als Forum für Nachhaltigkeit und außerschulischer Lernort die Zusammenhänge zwischen individuellem Handeln und globalen Folgen verstehbar mache. Gründer und Schirmherr ist der Unternehmer und Mäzen Dietmar Hopp, der die Stiftung 2014 ins Leben gerufen und mit finanziellem Basiskapital ausgestattet hat.

Buchstäblich mit dem Campus in Bürstadt verwurzelt ist Architekt Gero Quasten, der das zentrale Gebäude auf dem Bildungs- und Sportcampus als Massivbau aus Holz und Lehm entworfen hat. Klimaneutral, ohne späteren Sondermüll und einfach zu demontieren, wie er in seinem Vortrag erläuterte. Mit dem Vorschlag, nachhaltig zu bauen, sei man in der Kommune auf offene Ohren gestoßen, so Quasten. Das Projekt wurde bereits vor der Eröffnung Ende September mit dem hessischen Landespreis Baukultur sowie dem Staatspreis für Architektur und Städtebau ausgezeichnet.

Bürgermeistern Bärbel Schader betonte die frühe Bürgerbeteiligung auf dem Weg ins Ziel als zentralen Bestandteil des Erfolgs. Man habe gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern ein einzigartiges Konzept für einen nachhaltigen Spiel-, Bewegungs-, und Aufenthaltsort für alle Menschen geschaffen. Man müsse vorhandene Standorte zeitgemäß denken und neu entwickeln, so die Rathauschefin, die das Klimaforum in ihrer Stadt ideal verortet sah. Das Programm beim Klimaforum umfasste an beiden Tagen Fachvorträge zu den Themen Bauen und Wohnen, Artenvielfalt und Waldwirtschaft sowie über technische und infrastrukturelle Aspekte von Klimaschutz und Energieoptimierung.

Heimische Spezialitäten

Flankiert wurde das Forum von Mitmachaktionen, Führungen, einem E-Bike-Parcours und einem Familienprogramm. Am Sonntag war die Biodiversitätskonferenz in die Messe integriert. Parallel dazu fanden auch im Jugendzentrum der Stadt Seminare und Kreativwettbewerbe für Kinder und Jugendliche statt. Bei einem Regionalmarkt konnte man heimische Spezialitäten in fester und flüssiger Form genießen. Aber auch kleine Manufakturen gewährten aromatische Einblicke in ihre Werkstätten.

Das Klimaforum soll Menschen inspirieren, sich mit Nachhaltigkeitsthemen auseinanderzusetzen und selbst etwas für ein besseres Morgen zu unternehmen, so Landrat Christian Engelhardt, der in Bürstadt auch die Preise für die erfolgreichsten Schulen beim Prämienmodell des Kreises vergab. Denn manche Schulen fallen beim Energiesparen besonders positiv auf. Sie werden regelmäßig für ihr Engagement im schulischen Alltag ausgezeichnet. Das pädagogische Prämienmodell, das der Eigenbetrieb Schule und Gebäudewirtschaft mit dem Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung durchführt, läuft kreisweit schon seit 20 Jahren.

Schulen senken Energiekosten

Alle teilnehmenden Schulen haben im vergangenen Jahr knapp 25 000 Euro Energiekosten eingespart. Die Hälfte der Summe fließt an sie zurück. Je nach Größe der Schule und einem prozentualen Berechnungsschlüssel setzt sich die Belohnung zusammen, die der Schulträger in Form von Gutscheinen und Sachpreisen „zurückzahlt“. Auf Platz eins kam die Schule an der Weschnitz in Einhausen vor der Nibelungenschule in Hofheim und der Felsenmeerschule in Reichenbach. Einen Sonderpreis gab es für die Melibokusschule in Zwingenberg. Die Klassen initiierten Mülltrennungskonzepte, organisierten Recyclingmaßnahmen und untersuchten den Kohlenstoffdioxid-Ausstoß von „Elterntaxis“. Das Fazit der Schüler lautet: Lieber mit Rad oder Bus fahren.

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