Stadtentwicklung

Anwohner sehnen Abriss der Raiffeisenhallen in Bürstadt herbei

Von 
Corinna Busalt
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Die beiden vorderen Hallen gehören Rüdiger Engert, das Grundstück ist aber im Besitz der Stadt. Engert will sie kulturell nutzen. Die restlichen Hallen bis zum Blumengeschäft sollen nach dem Willen der Stadtverordneten Platz machen für eine Wohnbebauung. Ob der markante Siloturm stehen bleibt, hängt vom Konzept des Investors ab. © Busalt

Bürstadt. „Gut 20 Jahre hat man ihn vergammeln lassen, jetzt soll er auf einmal architektonisch wertvoll sein? Da kann ich nur lachen.“ Peter Ille schaut seit rund 50 Jahren auf den großen Siloturm inmitten der Raiffeisenhallen, erzählt er. Sein Herz hängt jedenfalls nicht dran. Der sei nur für die „Taubenzucht“ gut, merkt der Bürstädter ironisch an. Wer Anwohner in der Industrie- und in den Seitenstraßen fragt, hört immer wieder das Gleiche: Die Hallen sollen samt Turm lieber heute als morgen weg. Und eine Wohnbebauung anstelle der maroden Gebäude können sich die Nachbarn nur schwer vorstellen.

„Was wir hier dringend brauchen, das sind Parkplätze“, sagt Tamara Moos. Für die eigenen Fahrzeuge hat ihre Familie zwar Garagen auf dem Grundstück. Aber wenn mal Besuch komme, könne dieser nirgendwo sein Auto abstellen. „Denn die Leute, die die Bahn nehmen, parken oft auf dieser Seite – und nicht drüben, wo Parkplätze dafür angelegt wurden“, erzählt die 29-Jährige. Und wenn noch Wohnungen gegenüber gebaut würden, „wo sollen diese Leute dann parken?“ Sie würde sich dort jedenfalls keine Immobilie kaufen wollen – auf dem schmalen Streifen zwischen den Schienen und der viel befahrenen Industriestraße. „Da wäre doch eine Grünfläche viel besser – und eben Stellplätze.“

Dass in der Nähe des Unternehmens Furniture, also weiter unten in der Straße, ein Parkhaus angedacht ist, weiß eine Nachbarin, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. „Aber wer läuft so weit zum Stellplatz, wenn er hier wohnt?“, fragt sie sich kopfschüttelnd. Die Ideen von Rüdiger Engert, der im vorderen Teil seiner eigenen Halle ein Yoga-Studio, Räume für Künstler und ein Café einrichten möchte, betrachtet sie skeptisch.

Tauben fliegen ein und aus

Einig sind sich die Nachbarn darin, dass sich etwas ändern soll in der Industriestraße. „Diese Hallen sind wirklich kein schönes Bild“, meint die Anwohnerin. Daran gewöhnt hat sie sich trotzdem. Sie lebt schon mehr als 20 Jahre mit dem Anblick. Seither fliegen nur die Tauben ein und aus, lassen sich auch auf benachbarten Gebäuden nieder – und hinterlassen Dreck. „So schnell wie möglich alles abreißen“, fordert der Opa von Tamara Moos. „Viele Bäume wie in der Bahnhofsallee wären toll“, sagt die 29-Jährige.

Ihre Großeltern erinnern sich sehnsüchtig daran, wie ruhig es auf der Industriestraße zuging, als sie 1988 einzogen. Zwar gilt Tempo 30 auf der schmalen Straße, aber daran halte sich kaum einer. Das könne auch die festinstallierte Radarfalle nicht ändern, sagt eine andere Anwohnerin. „Vollbremsung vor dem Blitzer, dann mit Vollgas weiter.“ Schlimm sei es vor allem, wenn Lkw, Motorräder oder Quads mit Getöse vorbeirauschen, erzählt Tamara Moos. „Hier fährt ja alles durch! Wenn die Hallen weg sind, wäre das sicher besser mit dem Schall.“ Sie fügt hinzu: „Wenn meine Eltern gewusst hätten, wie sich das mit dem Verkehr hier entwickelt, hätten sie das Haus hier nicht gekauft.“

Eine Einbahnstraße, wie die SPD sie vorschlägt, hält Peter Ille für „unsinnig“: „Das sind unausgegorene Überlegungen. Der gesamte Verkehr müsste jedes Mal ganz um den Friedhof herumfahren – durch die Schanzen-, Schubert- und Mozartstraße.“ Er fordert, endlich die Belastung – vor allem durch den Schwerlastverkehr – zu verringern. „Aber darum kümmert sich keiner.“ Ille hatte mit Nachbarn schon vor fünf Jahren eine Unterschriftenaktion gestartet und der Stadt die Wünsche der Anwohner mitgeteilt. Passiert sei nichts. Sie fürchten, die Wohnqualität in ihrem Viertel könnte mit hohen Neubauten weiter abnehmen.

Zeitplan fürs Areal

Im Sommer soll die Bürstädter Stadtverordnetenversammlung entscheiden, welcher Investor zum Zuge kommt, um das Raiffeisenareal zu entwickeln. Je nach Konzept ist dann auch klar, ob der Turm erhalten bleibt. Der Abriss der Hallen könnte noch dieses Jahr erfolgen.

Sechs Bauherren hatten ihr Interesse für die schmale Fläche zwischen Bahngleisen und Industriestraße bekundet. In einer nichtöffentlichen Sitzung im Februar haben sie den Kommunalpolitikern ihre Konzepte vorgestellt. Nun folgt ein Vergabeverfahren mit Kriterienkatalog und Bewertung nach Punkten.

Redaktion Redakteurin des Südhessen Morgen und zuständig für die Ausgabe Bürstadt/Biblis

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