Bürstadt. Fast sieben Jahre stand Benjamin Sigmund bei Eintracht Bürstadt als Spielertrainer in der Verantwortung. Zwischen 2016 und 2018 führte er die Grün-Weißen zu zwei Meistertiteln in Folge – und zum ersten Mal überhaupt in die Fußball-Gruppenliga Darmstadt. „Benny hat Vereinsgeschichte geschrieben“, hielt Eintracht-Vorsitzender Rainer Beckerle nach Sigmunds Rücktritt im Herbst vergangenen Jahres fest.
In der Saisonbilanz des neuen Eintracht-Trainers Karl-Heinz Göbel kamen Sigmund und sein langjähriger Weggefährte Marcus Haßlöcher allerdings schlecht weg. „Der Niedergang hat vor zwei, drei Jahren begonnen. Man hat viele ligataugliche Spieler verloren und nicht ersetzt. Das ist das Ergebnis“, resümierte Göbel Anfang Juli in dieser Zeitung.
Der Lampertheimer, der die Eintracht im Winter übernahm, kritisierte auch die Zusammensetzung des Kaders, der den Abstieg nicht verhindern konnte: „Von 18 verbliebenen Spielern hatten nur zwölf Gruppenliga-Format.“ Zudem ging der Coach die eigenen Torhüter scharf an („Sie haben uns Punkte gekostet“).
Im Vereinsumfeld sorgten diese Aussagen für Aufsehen. Sigmund selbst wollte sich auf Nachfrage dieser Redaktion nicht äußern. Haßlöcher, der bei der Eintracht als Abteilungsleiter Fußball tätig ist, den Posten als Sportlicher Leiter vor kurzem jedoch an Ex-Kapitän Flamur Bajrami abgab, hätte sich mehr Differenzierung von Göbel gewünscht. Dass die Eintracht in den letzten zwei Gruppenliga-Saisons Schwierigkeiten hatte, räumt Haßlöcher ein. „Karl-Heinz’ Darstellungen fehlt aber der Hintergrund. Wir haben es nicht einfach laufen lassen“, stellt der langjährige Sportchef klar.
Teilweise „horrende“ Forderungen
Göbels Vorwurf, wonach abgewanderte Leistungsträger nicht kompensiert worden seien, nimmt Haßlöcher als gutes Beispiel dafür, dass eine tiefere Analyse nötig sei. Allein im Sommer 2022 habe er „über 40 Gespräche mit Spielern geführt“, rief der 48-Jährige in Erinnerung. „Paul Herbel, Niclas Herzberger und Riccardo Presti wollten sportlich mehr und sind deshalb nach Fehlheim gewechselt. Maxi Hödl und Vassilios Theodorou sind auf eigenen Wunsch in tiefere Klassen gewechselt. Alex Lehmann, Andi Schwöbel, Christian Steiner und Matthias Wegerle haben ihre Karriere beendet“, zählt Haßlöcher auf: „Das sind ganz normale Dinge. Da kannst du nichts machen – außer neue Spieler zu verpflichten. Mit unserem kleinen Geldbeutel war es aber schwierig, etwas Passendes zu holen.“
Dass aus der A-Jugend des JFV Bürstadt zuletzt kaum Spieler zur Eintracht stießen, nennt Haßlöcher als eine weitere Ursache dafür, dass sich die Personallage zuspitzte. „Mit Leon Münch und Kerem Bulut, der jetzt nach Lorsch wechselt, haben es in drei Jahren nur zwei Spieler in unserer ersten Mannschaft gepackt“, erklärt er.
Darüber hinaus spricht Haßlöcher von einem „schleichenden Prozess“. Diesen macht er auch daran fest, dass die Eintracht nach dem Durchmarsch aus der Kreisliga A plötzlich in höheren Liga-Gefilden gefordert war: „Das war ein sehr großer Sprung. Bis auf die erste Gruppenliga-Saison war es immer ein Kampf ums Überleben mit mehr Niederlagen als Siegen. Das zermürbt auf Dauer. In der abgelaufenen Runde war es noch mal schlimmer.“
Auch Eintracht-Boss Beckerle war nicht begeistert von Göbels Aussagen. „Ich habe ein klärendes Gespräch mit Karl-Heinz geführt. Er kennt meine Meinung“, sagt der 62-Jährige. Und betont: „Benjamin und Marcus haben das Möglichste gemacht. Ich habe keinen Grund, nachzukarten. Die Zeit unter Benjamin Sigmund war die erfolgreichste unserer Vereinsgeschichte. Marcus hat meine Rückendeckung, was seine aktuelle Tätigkeit und die Vergangenheit angeht. Das wird sich nicht ändern.“
Wie Haßlöcher erinnert auch Beckerle an die Verhandlungen mit Spielern. „Die Forderungen waren zum Teil horrend“, bestätigt der Vereinsboss: „Spieler wie Steiner, Lehmann oder Bajrami, die das Eintracht-Gen gelebt haben und nur altersbedingt in die 1b gegangen sind, findest du selten.“
Ein vermittelndes Gespräch mit Haßlöcher und Göbel sieht Beckerle nicht als notwendig an: „Sie müssen nur auf sachlicher Ebene zusammenarbeiten.“ Er selbst glaube indes nicht, „dass Göbel jemandem persönlich zu nahetreten wollte“, meint Beckerle.
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