Geschichte

Wie Bibliser im 18. Jahrhundert in die Batschka auswanderten

Die Hoffnung auf ein besseres Leben: Der Verein für Heimatgeschichte in Nordheim erklärt, wieso im 18. Jahrhundert viele Familien aus Biblis in den Südosten Europas immigrierten. Dabei spielte auch Religionsfreiheit eine Rolle

Von 
Christine Dirigo
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So könnte eine Postkarte aus Biblis ausgesehen haben, die an die Auswanderer verschickt wurde. Allerdings stammt diese aus dem Jahr 1902. © Christine Dirigo

Nordheim. Eine ungewöhnliche Anfrage hat den Verein für Heimatgeschichte (VfH) erreicht. Regina Kimpel ist auf der Suche nach ihren Vorfahren. Das ist an sich noch nichts Besonderes. Doch die Frau ist derzeit bei der Deutschen Botschaft in Bangkok angestellt und kann deshalb verschiedene Angaben, die sie bereits erhalten hat, nicht persönlich nachprüfen.

Kimpel befasst sich mit Ahnenforschung und hat bereits herausgefunden, dass ein Teil ihrer Familie Donauschwaben waren, die sich im 18. Jahrhundert im Bereich des früheren Jugoslawien und Ungarn ansiedelten. Ein Zweig kam aus Baden-Württemberg und ließ sich in Futok, damals Ungarn, heute Serbien, nieder. Und sie hat entdeckt, dass einige ihrer Vorfahren aus Biblis stammen. Das Ortssippenbuch aus Futok verzeichnet eine Eva Katharina Seibert (geboren am 14.8.1769 in Biblis), die 1785 einen Franz Lissmann geheiratet hat. Eva Katharinas Eltern Johann Valentin und Maria Sabina Seibert (geborene Bormeth) waren wohl damals nach 1771 mit ihren fünf Kindern ausgewandert.

„Die Familie Seibert ist ab 1656 in Biblis in mehreren Zweigen nachweisbar“, berichtet Günter Mössinger, Vorsitzender des VfH. Er holt ein bisschen aus: Die Zeit nach dem 30-jährigen Krieg (1618-1648) war nicht die Beste. Der große Krieg hatte die Bevölkerung stark dezimiert. Überall fehlten Leute, die in der Fron zu Deicharbeiten bei Hochwasser des Rheins und der Weschnitz notwendig waren. Die Landwirtschaft war eine weitgehende Weidewirtschaft mit geringen Erträgen. Im Südosten Europas konnten die Türken einen jahrelangen Vormarsch auf Kosten der Habsburger Donaumonarchie verbuchen. Das Kriegsglück wendete sich, als sie 1683 die große Schlacht vor Wien verloren. 1690 wurde das Fürstentum Siebenbürgen habsburgisch.

Von den langen Kriegen war das Land weitgehend entvölkert. Um neue Menschen für das Gebiet zu gewinnen, wurden von der kaiserlichen Verwaltung in Wien sehr vorteilhafte Vergünstigungen und Freiheiten für neue Ansiedler in der Batschka, das ist die Region, in der Futok liegt, gewährt.

Vorteile einer Auswanderung überwogen für viele Bibliser

Dazu gehörte unter anderem Land, die lebenslängliche Befreiung vom Militärdienst, die Befreiung von Abgaben für die nächsten zehn Jahre und Religionsfreiheit. „Die Vorteile einer Auswanderung überwogen für viele Bibliser. Und es war nicht nur die ärmere Bevölkerung, was bisher angenommen wurde. Unter den Auswandererfamilien waren auch zwei mit dem Namen Seibert“, erzählt Mössinger weiter.

Insgesamt seien in dieser Zeit 32 Familien ausgewandert. Die Hinweise von Kimpel zur Familie Seibert werden in die Arbeiten der Familienforschergruppe im VfH einfließen, die sich sehr über diese Informationen freuen.

„Das Ehepaar Seibert hatte wohl mit ihren Kindern in Futok schon Fuß gefasst, als Eva Katharina mit 18 den sieben Jahre älteren Lissmann heiratete. Sie bekamen vier Mädchen und vier Jungen, die alle später in Futok deutschstämmige Partner ehelichten“, fährt Mössinger fort. Die Bibliser Auswanderer halfen wie viele andere aus dem Ried tatkräftig mit, das fruchtbare Banat und die etwas westlich gelegene Batschka zu einer dicht besiedelten Kulturlandschaft zu ausbauen – eine Entwicklung hin zu einer Kornkammer Mitteleuropas mit Weizen-, Mais- und Tabakfeldern, mit einer einträglichen Viehzucht und einem fortschrittlichen Weinbau.

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