Katastrophenschutz

Was Besucher im Atomschutzbunker in Biblis erwartet

Er war für den Super-GAU angelegt und sieht alles andere als behaglich aus: Der Atomschutzbunker unter dem Bibliser Rathaus. Ein Rundgang hinter Eisentüren.

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Dirk Timmermann
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Zum ersten Mal wurden im Rahmen der Bibliser Herbstvielfalt Führungen durch den Atomschutzbunker angeboten. © Dirk Timmermann

Biblis. Die Treppe führt hinab in das Kellergeschoss. „Schutzraum“ steht auf der Wand gleich neben der orangenen Eisentür. Was sich dahinter verbirgt, dürfte den meisten unbekannt sein. „Hier hätten sich die letzten drei Überlebenden von Biblis aufgehalten“, sagt Volker Scheib lakonisch. Die Bemerkung des Bürgermeisters hat einen ernsten Hintergrund: Die Räumlichkeiten unter dem Rathaus waren für den Ernstfall vorbereitet worden.

Atomschutzbunker in Biblis: Viele Jahrzehnte war eine Führung nicht denkbar

„Der Atomschutzbunker war für den Super-GAU angelegt“, erfahren die gespannten Besucher. Das nahe gelegene Kernkraftwerk ging 1975 ans Netz und wurde im Nachgang der Fukushima-Katastrophe 2011 stillgelegt. Zwei Blöcke waren jahrzehntelang in Betrieb, zwei weitere wurden verworfen. Die Angst vor dem Äußersten blieb dabei stets präsent.

„Noch vor 20 Jahren hätten wir eine solche Führung nicht angeboten“, erklärt Volker Scheib. Mit dem nötigen Abstand sei alles nun etwas einfacher. Dreimal am Nachmittag führt der Rathauschef Kleingruppen von bis zu zehn Personen durch den beklemmenden Ort. 20 Minuten dauert die Führung.

Bürgermeister Volker Scheib zeigt die Karte der Gefahrenzone im Falle des Super-GAU im ehemaligen AKW Biblis. © Dirk Timmermann

Ein solches Programm im Rahmen der „Herbstvielfalt“ gab es noch nie, im Vorjahr ging es hinauf in den Rathausturm, zuvor in den Rathaussaal.

„Wenn Sie nicht schnell genug waren, ist keiner mehr rausgekommen“, sagt Volker Scheib und zeigt auf die Landkarte. Inmitten des Schlafraums sind die Gefahrenzonen markiert. Zu nah am Atomkraftwerk hätte den sicheren Tod bedeutet. Wer den Bunker erreicht hätte, wisse man allerdings nicht – „vielleicht noch am ehesten die Rathaus-Mitarbeiter“.

30 Sitzplätze im Bibliser Atomschutzbunker – aber kein Vorrat an Nahrungsmitteln

Maximal 14 Tage wäre ein Aufenthalt möglich gewesen. 30 Sitzplätze und 18 Liegen standen dafür zur Verfügung. „Bevorratet wurde nicht“, fügt der Bürgermeister hinzu. Der Mangel an Nahrungsmitteln in Kombination mit voller Belegung – das hätte gewiss zu Spannungen geführt. „Nichts zu tun außer sitzen und liegen.“ Die Perspektiven waren ernüchternd.

30 Sitzplätze und 18 Liegen hätten den Bewohnern zur Verfügung gestanden. © Dirk Timmermann

Damit die Druckwelle beim Super-GAU nicht hereinbricht, sind Betonsteine aufgestellt. Ihre Form ist derart gewählt, dass sie ineinander verkeilt stapelbar sind – direkt vor dem Notausstieg. Zwei schwere Eisentüren sollten den Druck weiter abmildern.

„Es ging einfach nur ums Überleben“, macht Volker Scheib deutlich. Dazu gehört auch die Körperhygiene. Chemie-Klos und -Duschen hätten auf chloriertem Wasser basiert, weil Anschlüsse nicht vorhanden sind.

Herzstück des Bunkers im Keller des Rathauses ist die Be- und Entlüftungsanlage. © Dirk Timmermann

Das „Herzstück“ des Bunkers befindet sich im erweiterten Schlafsaal, mit der Be- und Entlüftungsanlage. Und selbst an ein Telefon wurde gedacht: „Ob auf der anderen Seite jemand abgenommen hätte, ist jedoch mehr als fraglich“, bemerkt der Bürgermeister.

Der Atomschutzbunker in Biblis: In den 1980er erbaut und zum Glück nie benötigt

Erbaut wurde der Bunker zu Beginn der 80er Jahre. Beim Entwurf des neuen Rathauses habe man ihn mit eingeplant. Nach der Eröffnung des Gebäudes 1984 sei es zum Glück aber nie wirklich Ernst geworden. Nur einmal Mitte der 90er habe es eine „spannende Situation“ gegeben, so die Erinnerung.

„Durch den Bau ist jedenfalls dokumentiert, dass man sich auf den Super-GAU einstellen musste!“ Der durchgehend betonierte Atomschutzbunker ist ansonsten nicht öffentlich zugänglich. Der Rückbau des AKW Biblis ist in vollem Gange. Die Arbeiten sollen bis 2032 abgeschlossen sein.

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