KAB

Von bewegenden Begegnungen

Thorsten Hoyer stellt seinen Dokumentarfilm „Grenzerfahrungen“ über die ehemalige innerdeutsche Grenze in der Filminsel vor

Von 
Stefanie Reis
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Thorsten Hoyer hat die deutsch-deutsche Grenze erwandert. Im Bibliser Kino spricht er über seine „Grenzerfahrungen“ auf der Tour. © Berno Nix

Biblis. Das „Grüne Band“ windet sich entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Es sind gut 1400 Kilometer, einst gezäumt von DDR-Grenzanlagen, Todesstreifen, Sperrgräben und Mauern. Ein Weg auch von menschlichen Schicksalen: Fluchtversuchen, Freiheitsdrang und Tod. In seinem Dokumentarfilm „Grenzerfahrungen“ nimmt Extremwanderer Thorsten Hoyer die Zuschauer mit auf diesem Weg. Die KAB lud hierfür zu einem Filmabend mit Diskussion in die Filminsel Biblis ein.

Mehr als 40 Jahre war die Grenze zwischen der BRD und der DDR streng bewacht. 1400 Kilometer war die innerdeutsche Grenze lang und oftmals bis zu 500 Meter breit – Todesstreifen, Zutritt nur für Grenzsoldaten. „Die Natur darin blieb lange unberührt“, so Thorsten Hoyer. Denn Menschen kamen hierher selten, dadurch wurde der Todesstreifen ein lebendiger Rückzugsort für die Natur, für seltene Pflanzen und Tiere. „Als Kind spielte ich hier in der Nähe, überquerte ich den kleinen Fluss im Wald, stand ich auf DDR-Seite. Das trauten wir uns als Kinder öfters mal, das war sehr aufregend“, erinnerte sich Prof. Dr. Kai Frobel im Film.

Er initiierte Anfang der 1990er Jahre den Schutz des „Grünen Bandes“, damit das wertvolle Ökosystem und die Artenvielfalt erhalten bleibt. 24 Tage benötigte Hoyer, um das „Grüne Band“ abzuwandern, durchschnittlich 50 Kilometer am Tag. Warum er dies machte, berichtete er im Film, denn auch seine Lebensgeschichte ist mit der deutsch-deutschen Teilung verbunden.

Begegnung mit Geflüchteten

„Mein Vater floh aus der DDR nach West-Berlin. Meinen Großvater in der DDR sah ich nur ein einziges Mal“, so Hoyer, der auch durch die Liebe jetzt Wahlthüringer ist. Auf seinem Weg begegnet er im Film Günter Wetzel, der 1979 mit weiteren Familien mit einem selbstgebauten Heißluftballon aus der DDR floh, seine Geschichte wurde 2018 verfilmt. „Beim ersten Bauversuch war der Stoff zu schwer. Beim zweiten Ballon reichte die Tragkraft nicht für alle. Eine Familie versuchte es, die Flucht misslang jedoch“, erinnerte er sich. Nun musste sie besonders aufpassen, sie reisten durch das ganze Land und kaufen überall kleine Mengen Stoff und nähten mit einer alten Nähmaschine daraus einen bunten Heißluftballon. Mit diesem dritten Ballon gelang für mehrere Familien die Flucht.

„Heute würde ich das mit dem Ballon, mit dem Wissen über die Gefahren, wohl nicht mehr machen“, bekannte Wetzel im Film. Mit seiner Familie wurde er glücklich im Westen. Weitere Mensch kreuzen den Weg des Wanderers, wie der „Brocken-Benno“, der an seinem 90 Geburtstag 9000 Aufstiege auf den Brocken feiern konnte. Er erzählte, wie der Brocken einst abgeriegelt wurde und wie er unter den Menschen war, die für dessen Öffnung demonstrierten – und welch erhabenes Gefühl es war, endlich wieder frei auf den Brocken wandern zu können.

Hoyer hört von Menschen vor Ort, von jungen Menschen, die ihr Leben an der Grenze ließen, denen Mahnmale gewidmet sind. Von Menschen, die beim Versuch, Selbstschussanlagen zu demontieren, getötet wurden. Es zeigt, wie Nahe sich einst die Gegner von USA/NATO und DDR/Warschauer Pakt am Checkpoint Alpha gegenüberstanden.

Film behandelt aktuelles Thema

Der Film ist ein Blick in die deutsch-deutsche Geschichte, vor allem eine Mahnung, für Freiheit und Demokratie. „Das Thema ist heute aktueller den je“, betonten auch Gunter Lutzi und Georg Flörchinger von der KAB.

Lutzi initiierte den Besuch von Thorsten Hoyer in Biblis und danke im Namen der KAB den Spendern, darunter der Bürgerstiftung Biblis, für die Mitfinanzierung dieses Abends. Im Anschluss tauschten sich die Anwesenden über ihre Erfahrungen und Erinnerungen zur deutschen Teilung aus und fragen Hoyer auch vieles über seine Wandermotivation und Organisation aus.

Freie Autorin

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