Biblis. Die Regale reichen gar nicht aus für alle Urkunden und Pokale. Von diesem Jahr stehen die Preise noch auf der Theke der TanzBar neben Gläsern mit Naschereien. Kommende Woche könnten noch welche hinzu kommen: Am Sonntag machen sich fast 20 Tänzerinnen aus dem Ried auf zur Weltmeisterschaft nach Slowenien. Darauf vorbereitet hat sie die Bibliserin Lisa Herrmann mit den Trainerinnen ihrer TanzBar und der TG Bobstadt.
„Seit 2012 waren wir jedes Jahr bei der WM“, erzählt die 35-Jährige in ihrem Tanzstudio. Zum ersten Mal wird die Bibliserin nicht dabei sein, weil sie schwanger ist. Trotzdem macht sie beim Stretchen mit ihrer Gruppe Neo mit wie alle anderen. Das Dehnen wird begleitet von Rhythmen aus den Lautsprechern – es gibt schon einen Vorgeschmack darauf, wie sich die Mädchen gleich bewegen werden. Danach zeigen die 14- bis 16-Jährigen spektakuläre Sprünge, Drehungen und Hebefiguren sowie unzählige schnelle Schritte – alles im Takt zur Musik.
Im Hauptberuf Lehrerin
Lisa Herrmann hat selbst mit drei Jahren angefangen zu tanzen: Ihre Mutter hat sie mit ihrer Schwester Eva zum Ballett nach Bensheim gefahren. Bald darauf kam der Kontakt zur Tanzabteilung der TG Bobstadt zustande. Der Rest ist Geschichte – eine unglaubliche Erfolgsgeschichte. Die Mädchen haben in Bobstadt erst zweite Bundesliga getanzt, später wechselten sie zum TGV Rosengarten, wo sie fünf Jahre lang in der Ersten Bundesliga mithielten. Die Verbindung zur TG Bobstadt blieb aber eng. Erst half Lisa Herrmann der Trainerin nur, mit 13 hatte sie eine eigene Gruppe. Bald kamen mehr Teams hinzu, sie bildete sich fort und ist inzwischen auch als Wertungsrichterin anerkannt. Nur fehlt ihr dafür die Zeit. Denn das Tanzen gehört zwar zu ihrem Leben, aber die 35-Jährige unterrichtet Schüler des Gymnasiums Groß-Gerau in den Fächern Deutsch und Biologie.
„Gerade während des Studiums war das Tanzen ein toller Ausgleich zum Lernen. Dabei kann man alles vergessen“, schwärmt sie. Die Bewegung zur Musik und dass der ganze Körper gefordert wird, gefallen ihr besonders – vor allem auch mit anderen zusammen. „Und es hat mir schon früh Spaß gemacht, Musik auszuwählen und mir dazu Schritte auszudenken.“ Bald entwickelte sie erste Choreographien. Passend dazu sucht sie die Kostüme aus. Diese zahlen die Eltern übrigens selbst, genauso wie die Anreise zu den Wettbewerben und einen Monatsbeitrag, um die Unkosten zu decken. „Die Unterstützung ist großartig. Das funktioniert auch nur, weil Tänzerinnen, Trainerinnen und Eltern zusammen halten.“
Um Geld zu verdienen, taugt das Tanzstudio übrigens nicht. Vor sieben Jahren hat sie es eröffnet, weil es immer mehr Gruppen und zu wenig Platz in der Bobstädter Halle gab. Der Monatsbeitrag der Mädchen geht für Miete, Heizkosten und das kleine Gehalt der Trainerinnen drauf. In den Räumen der Darmstädter Straße 1, die sie mit ihrem Mann renoviert hat, haben zuvor Eisenbahnfreunde Züge fahren lassen. „Ganz früher war hier auch mal ein Kino.“ Filmreif ist auch das, was die Gruppen auf dem Schwingboden zeigen: geschmeidige Bewegungen, ausdrucksstarke Körpersprache und athletische Elemente. Sie tanzen aus der Reihe und beeindrucken doch durch ihre Harmonie.
Gruppen auch international vorne dabei
- Die Tanz-Weltmeisterschaft im slowenischen Podcetrtek wird von Montag, 28. November, bis Sonntag, 4. Dezember, ausgetragen in den Bereichen Ballett, Jazz, Modern and Contemporary. Mit dabei sind 20 Tänzerinnen der TG Bobstadt und der TanzBar Biblis.
- Seit 2015 betreibt Lisa Herrmann die TanzBar in der Darmstädter Straße 1 von Biblis – in enger Kooperation mit der Tanzabteilung der TG Bobstadt. Acht Tanzgruppen trainieren hier – ab dem Alter von drei Jahren bis zu Erwachsenen. Regelmäßig kehren sie von Wettbewerben mit Medaillen und Pokalen zurück. Auch international tanzen sie weit vorne mit.
- Den bislang größten Erfolg erreichte Lisa Herrmanns Schützling Marilena Seng aus Lorsch. Im September erreichte sie im Duo mit ihrem Tanzpartner Christian Weiß aus Voerde den zweiten Platz bei der Europameisterschaft in Skopje (Nord-Mazedonien). Dort bildete die Gruppe aus Biblis/Bobstadt sogar das größte Team aus Deutschland. National ragt der deutsche Meistertitel der Modern Formation Neo heraus.
So lange die Bobstädter Sporthalle saniert wird, trainieren alle Gruppen in Biblis. An den Wochenenden weichen sie oft aus, weil sie in der TanzBar nicht so viel Platz haben wie auf Wettkampfbühnen. „Choreographien trainieren wir in der EKS-Sporthalle oder in Nordheim.“ Das dauere pro Gruppe schon mal zwei bis drei Stunden. „Das Niveau bei Wettbewerben steigt immer mehr. Es wird auch immer akrobatischer. Gerade für Sprünge brauchen wir Platz“, erzählt sie. Dass die Mädchen – Jungs gibt es nur wenige – dabei nicht den Spaß verlieren, ist Lisa Herrmann ganz wichtig. „Es soll ja kein Drill sein. Ich möchte die Freude am Tanzen vermitteln.“
Kleine eifern Großen nach
In der Kinderliga-Gruppe stöhnen die Neun- bis Elfjährigen beim Training hörbar, als Sit-ups anstehen, um die Bauchmuskeln zu kräftigen. Trost ist, dass alle in der Gruppe mitmachen, und schon kommt wieder Bewegung rein. Als die Mädchen fertig sind, kommen sie strahlend aus dem Saal – und machen Platz für die „Neos“, die drei oder vier Jahre älter sind. „Die Tänzerinnen treffen sich alle ständig. Für die Kleinen ist das ein Ansporn, wenn sie sehen, was die Großen schaffen.“ In dieser Gruppe tanzt auch Marilena Seng – aktuelle Vize-Europameisterin. Die komplette Mannschaft hat sich für die WM qualifiziert. „Gerade jetzt stehen so viele Klassenarbeiten an“, sagt Lisa Herrmann zähneknirschend. Die Mädchen nähmen alle einen Packen von der Schule mit, um nachzuholen, was sie im Unterricht verpassen. Mit dabei sind natürlich viele Eltern, um sie zu unterstützen – nicht nur beim Lernen, sondern auch beim Frisieren und Schminken.
Insgesamt treten die Mädchen von TanzBar und TG Bobstadt in elf Kategorien an – laut Herrmann ein Zeichen für ihre enorme Stärke. Denn alle Tanzgruppen mussten sich dafür qualifizieren. Jeden Tag werden sie gefordert, ehe es am Sonntag heim geht. Eins betont Lisa Herrmann schon jetzt: „Ich bin megastolz auf alle.“ Umgekehrt scheint das genauso. Bei der Frage, was ihre Trainerin besonders gut mache, rufen sie: „Alles!“ Die 16-jährige Marilena Seng sagt: „Sie kann uns prima motivieren und gibt uns gute Kommandos, damit wir uns verbessern. Eine richtig tolle Trainerin!“
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