Kommunalpolitik

Konstantin Großmann erklärt Kritik am Bibliser Bürgermeister

Der Bibliser CDU-Vorsitzende Konstantin Großmann drängt darauf, dass Beschlüsse des Parlaments zügig umgesetzt werden. In einem Flyer haben die Christdemokraten weitere Kritikpunkte aufgeführt.

Von 
Petra Schäfer
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Konstantin Großmann beim Gespräch mit unserer Redaktion in Mannheim. © Berno Nix

Herr Großmann, Sie üben deutliche Kritik an Bürgermeister Volker Scheib und der Leistungsfähigkeit der Gemeindeverwaltung. In Biblis herrsche Stillstand statt Fortschritt. Ist das Ihr Weckruf?

Konstantin Großmann: Bevor ich die Frage beantworte, möchte ich sagen, dass ich heute als Vorsitzender der CDU Biblis hier spreche. Das Rollenverständnis ist mir ganz wichtig. Uns war wichtig, in dem Flyer den Bürgerinnen und Bürgern Sachverhalte zu ausgewählten Themen mitzuteilen und auch Lösungsideen aufzuzeigen. Wir suchen den Dialog mit den Menschen. Immer wieder erreichen uns Fragen. Deshalb haben wir versucht, die Themen, bei denen dringender Handlungsbedarf besteht, aufs Papier zu bringen, um so die Bürgerinnen und Bürger umfassend zu informieren.

Zu den aufgeführten Punkten gehört die personelle Situation in der Verwaltung, besonders im Bauamt. Wie sieht es dort aus?

Großmann: Wir haben vier Abgänge in den letzten zwei Jahren zu verzeichnen. Drei davon im Bauamt. Außerdem ist der Leiter der Finanzabteilung gegangen. Wir wollen jetzt wissen, ob das Einzelentscheidungen waren, oder ob es Gemeinsamkeiten gab, weshalb diese Leute gegangen sind.

Ob es Probleme gibt?

Großmann: Genau. Alle Personen haben mitunter einen Grund genannt, warum sie gegangen sind. Das hat uns bewogen, jetzt zu handeln.

Sie wollen diesen Grund nicht öffentlich nennen, weil Ihnen das im Vertrauen gesagt wurde?

Großmann: So ist es. Und es sind nicht nur diese vier Menschen. Auch ich frage mich, womit das zusammenhängt, wenn ein Mensch nach 27 Jahren geht – mit seinem ganzen Netzwerk und all seinen Erfahrungen. Das ist ein herber Verlust für die Gemeinde. Und vor allem in dieser Schlüsselposition Bauamt.

Sie meinen Bauamtsleiter Alexander Dinges, der zur Groß-Rohrheimer Verwaltung wechseln wird?

Großmann: Richtig. Wir haben so viele Bauvorhaben, die anstehen. Die großen Projekte werden erst mal stillstehen, weil das Personal im Bauamt nicht mehr da ist. In meinen Augen ist der entscheidende Punkt der Führungsstil in der Verwaltung. Zu einem guten Führungsstil gehört für mich an erster Stelle das Vertrauen in die Mitarbeiter. Vertrauen in die Fähigkeiten und Kompetenzen, die sich die Mitarbeiter über viele Jahre und Jahrzehnte angeeignet haben. Ich muss ihnen vertrauen können, mit dem Glauben daran, dass sie ihr Bestes geben, um die Arbeit zu erledigen. Als Bürgermeister muss ich nicht bestimmen, welche Farben die Gießkannen auf dem Friedhof haben, das kann doch der Mitarbeiter des Bauhofes entscheiden. Das ist für mich ein ganz elementarer Bestandteil einer guten Zusammenarbeit.

Es fehlt das Vertrauen?

Großmann: Meine persönliche Wahrnehmung ist die, dass egal, ob es die eigenen Mitarbeiter oder die politischen Mandatsträger sind, jeder wird aus Sicht des Bürgermeisters erst mal als Person gesehen, die gegen ihn arbeitet, und das ist einfach eine falsche Wahrnehmung. Ich hoffe sehr, dass der Bürgermeister diese Wahrnehmung reflektiert und sein Handeln überdenkt. Die Kritik, die wir üben, ist nicht auf seine Person bezogen, sondern hat vielmehr mit der Zusammenarbeit zu tun. Auch ein Bürgermeister hat andere Meinungen zu respektieren und – wenn sie eine Mehrheit finden – auch zu akzeptieren und umzusetzen. Das gilt auch für die Vorbereitung von Sitzungsvorlagen.

Was erwarten Sie von den Sitzungsunterlagen?

Großmann: Es ist wichtig, die Politik für ein Thema zu begeistern und dafür Mehrheiten zu finden. Das ist mitunter Aufgabe des Bürgermeisters. Bemängelt haben wir des Öfteren, dass die Vorlagen, die die Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen Politik und Verwaltung sind, nicht gut ausgearbeitet waren und zu spät zur Verfügung gestellt wurden. Immer wieder haben wichtige Informationen wie Kostenschätzungen und Varianten gefehlt. Wie sollen wir Entscheidungen treffen, wenn uns keine Kosten vorliegen? Das war beispielsweise beim Kindergartenneubau so. Was kostet ein Anbau, eine Sanierung oder ein Neubau? Diese Datenaufbereitung ist Grundlage, um einen Beschluss fassen zu können. Schließlich müssen wir das Wohl der Gemeinde und der Bürger auch in finanzieller Hinsicht, in Zeiten leerer Kassen, berücksichtigen.

Wann war das Parlament nicht begeistert?

Großmann: Das beste Beispiel hierfür ist sicherlich die Heldenbrücke. Wir hätten mehr Informationen darüber benötigt, was an der Weschnitz umgesetzt werden könnte – von pädagogischen Lehrpfaden bis zur Einbindung in den Radverkehrsweg. Die Vision, die der Bürgermeister für das dortige Gelände womöglich hatte, war uns nicht bekannt, beziehungsweise wurde uns nicht vorgestellt. Verärgert hatte uns auch, dass seitens der Bibliser Verwaltung Richtung Einhausen bereits im Frühjahr 2022 signalisiert wurde, dass wir uns an einem Brückenneubau beteiligen würden. Politisch wurde darüber nie diskutiert.

Sie schreiben im Flyer, dass der Bürgermeister einige Entscheidungen des Parlaments nicht umgesetzt habe. Wo sehen Sie dringenden Handlungsbedarf?

Großmann: Am dringendsten sehe ich Handlungsbedarf bei der Entwicklung des Neubaugebietes Helfrichsgärtel IV und V und bei der ärztlichen Versorgung.

Was fordern Sie?

Großmann. Das Areal muss schnellstmöglich entwickelt und erschlossen werden, damit dort Bauland entstehen kann. Wir brauchen dringend einen Projektentwickler, der die Grundstücke ankauft.

Baut der Projektentwickler auch die Häuser?

Großmann: Nein, das wird er nicht.

Es gilt die freie Bauweise?

Großmann: Genau. Wir Mandatsträger werden sehr genau hinschauen, dass dort nicht das Gleiche passiert wie im Helfrichsgärtel III.

Warum braucht Biblis einen Projektentwickler? Weil das Bauamt diese Aufgabe im Moment nicht leisten kann?

Großmann: Nicht nur das. Wir haben auch gar nicht die finanziellen Mittel, um die Grundstücke anzukaufen. Wir sprechen über mehrere Hektar Land. Das können wir als Gemeinde gar nicht stemmen.

Weil die Gemeinde in Vorkasse gehen müsste?

Großmann: Ja. Deshalb werden wir diesen Ankaufsprozess vergeben. Aber dabei bleibt es auch. Die Gemeinde entscheidet über den Quadratmeterpreis der Grundstücke, über die Vergabe der Bauplätze, die auch zu gewissen Anteilen an Einheimische gehen sollen, und bestimmt über den städtebaulichen Bebauungsplan. Und noch mal: Die Gemeinde entscheidet, an wen zu welchen Konditionen verkauft wird.

Läuft die Suche nach einem Projektentwickler?

Großmann: Wir warten darauf, dass wir die Bewerber, die sich auf die Ausschreibung beworben haben, in einem Ranking präsentiert bekommen, insbesondere sollte auch eine Abwägung beziehungsweise Empfehlung der Verwaltung vorliegen. Parallel muss der Bebauungsplan angegangen werden. Mit der Erschließung könnten wir schätzungsweise in zweieinhalb Jahren beginnen. Aber der Knackpunkt ist, dass erst einmal die benötigten Grundstücke angekauft werden müssen. Es sind schon Menschen auf mich zugekommen und haben gesagt: Was ist denn los, wir möchten gerne in Verhandlung mit der Gemeinde gehen, hören aber seit einem halben Jahr nichts.

Sie warten auch auf eine Auflistung von freien Gewerbeflächen. Warum wollen Sie diese Liste?

Großmann: Das ist ein ganz wichtiger Beschluss. Biblis braucht Einnahmen. Durch die Gewerbesteuer generieren wir hohe Einnahmen, die für uns notwendig sind, um einen genehmigungsfähigen Haushalt aufstellen zu können. Sofern es uns also nicht gelingt, Mehreinnahmen unter anderem durch die Ansiedlung neuer Gewerbetreibenden oder durch Erweiterungsmöglichkeiten bestehender Gewerbetreibender zu generieren, schreibt uns die Kommunalaufsicht vor, Steuern weiter zu erhöhen. Und das möchten wir unbedingt vermeiden. Aber Biblis schafft es einfach nicht, Gewerbeflächen auszuweisen. Das hat zur Folge, dass Unternehmen in die Nachbarkommunen abwandern und dort ihre Gewerbesteuer zahlen.

Firmen haben Biblis verlassen?

Großmann: Richtig. Größere Unternehmen, die im Baugewerbe tätig sind, wollten expandieren und in Biblis bleiben. Sie haben aber keine Flächen bekommen. Also sind sie nach Lampertheim oder Bürstadt gegangen. Deshalb gab es den CDU-Antrag für eine Auflistung aller gemeindeeigenen Gewerbeflächen, die wir veräußern können. Bis heute gibt es dazu keine Unterlagen. Das ist bedauerlich, denn diese Flächen gibt es. Wenn der Bürgermeister sagt, dass diese Gewerbetreibenden ruhig gehen sollen, da zehn andere Gewerbetreibende nachkommen werden, verkennt er in meinen Augen den Ernst der Lage.

Ein weiteres Thema im CDU-Flyer ist die Ansiedlung einer Hausarztpraxis im Neubaugebiet am Rübgarten. Ein Arzt hatte Interesse und war mit Bürgermeister Volker Scheib in Kontakt. Aus der Sache ist aber nichts geworden. Warum nicht?

Großmann: Dem Arzt hat alles zu lang gedauert und er hätte sich mehr Unterstützung gewünscht. Sicherlich hätte es Möglichkeiten gegeben, den Arzt nach Biblis zu holen, damit er hier praktiziert. Beispielsweise hätte die Gemeinde, die über Grundstücke in dem Baugebiet verfügt, einen reduzierten Quadratmeterpreis anbieten können. Die Investitionshilfe von 50 000 Euro, die im Haushalt steht, hätten wir aufstocken können. Diese Summe hätte der Hausarzt dann beispielsweise nutzen können, um die Praxis auszustatten.

Sie haben niemals mit dem Arzt gesprochen?

Großmann: Nein, niemals. Das ist schade. Wir als Gemeindevertretung haben aus der Zeitung erfahren, dass es nicht geklappt hat. Gleichzeitig haben wir Mandatsträger die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass es in Biblis eine gute gesundheitliche Versorgung gibt. Wenn wir vor vollendete Tatsachen gestellt werden, ist das eine vertane Chance, die wenig mit einem Miteinander zu tun hat.

Ist der Flyer Ihr Bewerbungsschreiben für die nächste Bürgermeisterwahl in Biblis?

Großmann. Ich bin Gemeindevertretervorsitzender und nehme diese Funktion, auch mit dem zeitlichen Aufwand, gerne wahr. Zu Ihrer Frage: Ich bin mir sicher, dass wir uns als CDU zu gegebener Zeit dazu Gedanken gemacht haben werden, welche Alternative wir den Bibliser Bürgerinnen und Bürgern bei der Bürgermeisterwahl geben werden. Das möchte ich losgelöst von meiner Person sehen.

Eine Abwahl – ist das ein Gedanke, den die CDU hat?

Großmann: Wir leben in einer Demokratie. Dazu gehört auch, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre politischen Vertreter bei der Kommunalwahl 2020 gewählt haben. Ebenso haben Sie im Jahr 2019 mehrheitlich Volker Scheib zum neuen Bürgermeister gewählt. Die Bürgerinnen und Bürger unserer Gemeinde haben ein Recht darauf, dass alle gewählten Vertreterinnen und Vertreter im Sinne der Bürgerinnen und Bürger agieren und der Fokus auf der Weiterentwicklung unserer Gemeinde gelegt wird. Das ist Fakt, und von daher sollten wir schauen, dass wir auf politischer Ebene nicht von einer Abwahl sprechen, sondern dass wir gemeinsam weiter daran arbeiten, die Gemeinde Biblis zukunftsfähig zu machen und die Vorhaben, die uns allen wichtig sind, weiter umzusetzen.

CDU-Chef in Biblis

Konstantin Großmann ist Bibliser CDU-Vorsitzender und Parlaments-Chef. Außerdem sitzt er im Stiftungsrat der Bibliser Bürgerstiftung.

Der 37-Jährige arbeitet als Fachgebietsleiter bei der Hessischen Lehrkräfteakademie in Wiesbaden. Als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlich Demokratischer Lehrer nimmt er an Sitzungen des CDU-Kreisvorstandes teil. ps

Redaktion Redakteurin Südhessen Morgen

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