Ladenburg - Tote Rabenkrähen halten lebende Artgenossen vom Plündern eines Kürbisfelds ab – die Außenwirkung ist aber umstritten

Wie in Ladenburg tote Rabenkrähen ein Feld schützen sollen

Von 
Peter Jaschke
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Die intelligenten Rabenkrähen durchschauen es, wenn Attrappen statt echter Tiere zur Abschreckung verwendet werden. © Peter Jaschke

Ladenburg. „Wie makaber“, also schauerlich, denkt sich ein Spaziergänger, als er auf einem Acker in Ladenburg drei tot an Gestellen und am Zaun baumelnde Rabenkrähen entdeckt. Im Glauben, dem sei „womöglich Tierquälerei“ vorausgegangen, informiert er diese Redaktion, möchte aber in den Medien ungenannt bleiben. Um Hintergründe zu erfahren, haben wir recherchiert. „Es ist makaber, ja, aber leider auch das Einzige, was uns hilft“, sagt Landwirt Steffen Linnenbach auf Anfrage. Er spricht ruhig, aber seine Verzweiflung ist groß – und alles ist rechtens abgelaufen.

Schutzvlies einfach durchgepickt

Erst beim Mais, dann beim Hafer und zuletzt bei den Kürbissen hat es Linnenbach schon erlebt: „Krähen machen alles kaputt.“ Er hat es vergebens mit Schutzvlies versucht: „Da wurde durchgepickt.“ Er hat vergebens zunächst Krähen-Attrappen kopfunter aufgehängt, die auch jetzt noch neben den toten Tieren zu sehen sind. „Aber diese Vögel sind so schlau, dass sie das bald durchschauen“, weiß Linnenbach. So greift er inzwischen auf jenes altbewährte Mittel zurück. Zunächst erwirkt er bei der zuständigen Kreisbehörde eine Genehmigung. Damit ist es einem örtlichen Jäger erlaubt, eine Handvoll der massenhaft vorkommenden Art waidgerecht zu schießen. Die Krähen entleeren auf Nahrungssuche auch gerne öffentliche Mülleimer regelrecht. Man könnte sagen: Drei davon retten jetzt Linnenbachs Kürbisernte.

Massive Schäden in der Landwirtschaft

  • „Die Schäden gehen oftmals in die Zehntausende“, heißt es in einer Pressemitteilung des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Pfalz Süd zu den Schäden, die Krähen in der Landwirtschaft hinterlassen. Der Präsident des Verbands, Eberhard Hartelt, kritisiert: „Die Schäden durch Saat- und Rabenkrähen haben in den letzten Jahren stark zugenommen.
  • Wirksame Gegenmaßnahmen scheitern oftmals an fehlenden Genehmigungen der Behörden. Die Betriebe werden im Stich gelassen und haben die Verluste durch die in Schwärmen auftretenden Krähen ohne jeglichen Schadensausgleich hinzunehmen.“ Die Möglichkeiten zur Jagd auf die Tiere müssten ausgeweitet werden, fordert er.
  • Bisher sind die Krähen geschützt und dürfen nicht geschossen werden. Zur Abwendung ernster landwirtschaftlicher Schäden können jedoch Ausnahmen genehmigt werden. Wegen der gestiegenen Population sieht Hartelt den Schutzstatus aber ohnehin als überholt. 

„Da Krähen sehr intelligent sind, lassen sie sich vergrämen, wenn sie sehen, dass ein Artgenosse in unnatürlicher Weise über Kopf hängt oder mit gestreckten Flügeln und dem Bauch nach oben daliegt“, bestätigt Dorian Jacobs, seit 2017 Wildtierbeauftragter des Rhein-Neckar-Kreises. Wirksam sei diese Methode vor allem bei Rabenkrähen. Ausdrücklich heißt es: „Attrappen können nie so aufgehängt oder gelegt werden, dass sie wie tote Vögel aussehen, wirken nur abschreckend auf andere Vogelarten und locken die neugierigen Rabenkrähen eher an.“ Außerdem ist zu erfahren, dass Genehmigungen zum Abschuss von Krähen vor Beginn der regulären Jagdzeit „nur dann in Ausnahmefällen erteilt werden, wenn Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen in einem Ausmaß auftreten, die ein Eingreifen erfordern“. Dies ist in Ladenburg der Fall, denn gerade bei Kürbissen können innerhalb von ein bis zwei Tagen Schäden in Höhe von 10 000 bis 15 000 Euro auftreten, wenn nicht rechtzeitig gehandelt wird.

Pro Jahr werden deshalb im Rhein-Neckar-Kreis etwa in drei bis fünf Gemeinden solche Ausnahmen erteilt. Die untere Jagdbehörde ordnet in diesen Fällen den Abschuss zu Vergrämungszwecken an. Für tote Krähen gibt es „keine Entsorgungspflicht“. Das Aufhängen der Kadaver geschieht jedoch in Eigenregie der Betroffenen. „Es ist ganz klar eine althergebrachte, sehr effektive Methode zur Vergrämung von Krähen, über deren Außenwirkung sich zwar streiten lässt, die in einigen Fällen jedoch sicherlich Schäden von mehreren Tausend Euro verhindern kann, die dem Landwirt niemand ersetzen würde“, versichert der Behördenfachmann.

Mit der Methode aufgewachsen

Der Ladenburger Jagdpächter Andreas Huben berichtet: „Weitere Landwirte haben wegen bedrohter Erdbeer- und Maispflanzen auch schon bei mir angefragt.“ Huben fügt hinzu: „Die Methode ist makaber, aber ich bin damit groß geworden, dass man tote Vögel zur Abschreckung aufhängt.“ Auch der Edinger Bauer Georg Koch leidet unter Krähen, die unter anderem seine Schnittsonnenblumen beschädigen, und sagt: „Das macht der Kollege nicht aus Spaß, sondern weil er weiß, dass es effektiv ist.“ Koch stellt seit 2021 Schreckschuss-Apparate auf, um Tauben aus Sojabohnen zu vertreiben. „Das hat auch vielen nicht gepasst, aber wenn man zum wiederholten Male Tausende von Euro an Saatgut verloren hat, denkt man anders“, so Koch. Er gibt zu bedenken, dass Rabenkrähen große Nesträuber seien, und sagt: „Makaber ist auch, wenn Sie beobachten, wie mehrere Krähen einen jungen Hasen zu Tode quälen.“

Freier Autor Peter Jaschke ist freier Mitarbeiter seit 1997 und macht überwiegend regionale Berichterstattung, nimmt aber auch Sport- und Kultur-Termine wahr.

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