Das Wichtigste in Kürze
- Tim Tugendhat ist 38 und will für die SPD in den Bundestag.
- Seine geringen Chancen schätzt er realistisch ein, gibt aber nicht auf.
- Tugendhat ist Physiker und arbeitet für die Deutsche Bahn.
Rhein-Neckar. Tim Tugendhat kommt auf die Minute pünktlich zum vereinbarten Treffpunkt auf dem Ladenburger Marktplatz. Der 38-Jährige ist dieser Tage - wir treffen ihn Ende Januar - viel beschäftigt, muss er doch einen Vollzeit-Job und den Wahlkampf als SPD-Kandidat unter einen Hut bringen. „Im Moment gibt es wirklich keine Pausen“, gesteht er. Aus Zeitgründen ist er mit dem Carsharing-Auto aus Heidelberg gekommen, sonst nimmt er auch gerne mal das Fahrrad.
Tim Tugendhat (SPD)
- Geburtstag: 28. Dezember 1986
- Geburtsort: Ulm
- Wohnort: Heidelberg
- Familie: ledig, keine Kinder
- Beruf: gelernter Physiker, Teamleiter bei der Deutschen Bahn
- Beruflicher Werdegang:
u.a. 2006 Abitur in Ulm, 2013 Master Physik in Heidelberg, 2018 Abschluss der Promotion, ab 2007: verschiedene Jobs, um das Studium mitzufinanzieren u.a. Pizzafahrer, Verkäufer im Einzelhandel, solo-selbstständig als IT-Support und DJ ab 2018 Reserveoffizierbewerber
- Politisches Engagement:
Seit 2024 Vorsitzender SPD Heidelberg, vorher u.a. Stellvertreter, Beisitzer im Kreisvorstand AWO Heidelberg,
Außerdem Mitglied bei der EVG, Initiative Stolpersteine (HD), Verband der Reservisten
Es ist Tugendhats erste Kandidatur für den Bundestag und seine Chancen auf den Einzug ins Parlament sind gering - um es freundlich zu formulieren. Er ist auf Platz 32 der Landesliste. Das Direktmandat scheint angesichts von Konkurrenten wie Franziska Brantner (Grünen-Bundesvorsitzende) und dem CDU-Abgeordneten Alexander Föhr wenig wahrscheinlich. Tugendhat wirft die Flinte aber nicht ins Korn: „Es ist so wichtig, sich demokratisch zu engagieren - und ich mache den Wählerinnen und Wählern ein gutes und ehrliches Angebot.“
Tim Tugendhat betont seine Rolle als Teamplayer
Die Entscheidung, zu kandidieren, hat sich der Physiker nicht leicht gemacht: „Ich bin nicht unbedingt ein Mensch, der sich in den Vordergrund drängt. Ich weiß aber auch, wann es an der Zeit ist, Verantwortung zu übernehmen.“ Seine Arbeit versteht Tugendhat als Teamleistung: „Was die Leute in meinem Team an Arbeit machen, ist phänomenal - und das alles ehrenamtlich.“ Dabei gehe es nicht nur ums Plakate-Aufhängen, sondern auch um das Vereinbaren von Terminen und die Pflege von Kontakten.
Der SPD-Kandidat ist getrieben von dem Wunsch, Dinge besser zu machen. „Ich bin keiner, der motzt, dass alles schlecht ist. Ich packe lieber an“, sagt der Heidelberger. Diese Einstellung habe er auch bei der Bundeswehr mitgenommen. Mittlerweile ist er dort Reserveoffizier. Sozialdemokrat und Bundeswehr-Mitglied - passt das zusammen? „Das werde ich nicht selten gefragt, auch in der Bundeswehr selbst“, sagt Tugendhat.
Tugendhat ist Reserveoffizier bei der Bundeswehr - warum?
„Ich würde auch lieber in einer Welt leben, in der es keine Streitkräfte geben muss“, betont der 38-Jährige. Aber wenn er die aktuellen Entwicklungen in der Welt verfolge, sei er dankbar, dass Deutschland Streitkräfte habe. Tugendhat ist ein Verfechter des „Staatsbürgers in Uniform“, dieses Konzept besagt (vereinfacht), dass die Armee kein eigener Staat im Staat ist, sondern aus Menschen aus allen Bevölkerungsschichten besteht.
Tugendhat arbeitet seit einigen Jahren für die Deutsche Bahn. „Ich weiß, SPD, Bundeswehr und Bahn - drei Organisationen, die es gerade schwer haben“, gesteht er mit einem Augenzwinkern. Doch auch bei der Bahn lässt sich der promovierte Physiker von den Herausforderungen nicht entmutigen. Mit seinem Team analysiert er den Betrieb, geht Verspätungsursachen auf den Grund. Auf Basis der Informationen, die Tugendhat und sein Team erarbeiten, können die Disponenten in den Betriebszentralen bessere Entscheidungen treffen.
Und dann kommt eine Ansage, die nicht nur so manchen Bahn-Skeptiker aufhorchen lassen dürfte: „Ich glaube, dass wir in 10 bis 15 Jahren die beste und effizienteste Bahn in Europa haben könnte - das kostet aber Geld.“ Da rede man nicht über 17 Milliarden, sondern über 200. Der Ampel-Koalition gesteht er zu, zumindest in die richtige Richtung gegangen zu sein: „Sie hat die Investitionen in die Schiene deutlich erhöht.“
Tugendhat zeigt Verständnis für fehlende Motivation bei jungen Menschen
Sorgen macht ihm, dass die Stimmung im Land grundsätzlich pessimistisch ist. Allerdings ist er davon nicht überrascht. „Diese Aufstiegsversprechen, dass es uns mal besser gehen wird als der Generation vorher, das gibt es nicht mehr“, befindet Tugendhat und zeigt Verständnis für junge Menschen, die sich manchmal fragten, warum sie sich noch anstrengen sollten. „Eine eigene Immobilie ohne Startkapital, heute unmöglich“, sagt der SPD-Kandidat. Die Antwort auf die Fragen der Zukunft müsse im weitesten Sinne „links, sozial“ sein.
Die aufgeheizte Stimmung im Land sei für einen Wahlkämpfer schwierig: „Es passiert im Kleinen eigentlich jeden Tag, dass ich angepöbelt werde.“ Positive Rückmeldungen seien eine schöne Abwechslung zu dem teils harten Alltag. „Als ich neulich auf dem Neujahrsempfang der SPD in Weinheim gesprochen habe, kam nachher ein Mann zu mir und meinte, er könne jetzt mit gutem Gewissen beide Stimmen der SPD geben“, erzählt Tugendhat.
Tugendhat ist mit seiner eigenen Partei, der SPD, auch nicht immer einverstanden
Dass er selbst mit seiner Partei nicht immer einverstanden ist, ist für ihn kein Grund, den Sozialdemokraten den Rücken zuzuwenden. Er erzählt von einem Parteimitglied, dass seit 40 Jahren der SPD die Treue halte: „Die Dame ist Paartherapeutin und als ich sie fragte, warum sie immer noch in der SPD sei, meinte sie: Das ist eine bewusste Entscheidung, wie eine Ehe. Nur wegen einer Sache, die mir nicht gefällt, schmeiße ich nicht hin.“
Und gibt es ein konkretes Beispiel, das Tugendhat aktuell an seiner Partei nicht gefällt? Ja, die Umstände der Kanzlerkandidatur. Tagelang war unklar, ob Olaf Scholz oder der weitaus beliebtere Oskar Pistorius Kanzlerkandidat werden. Tugendhat findet die Entscheidung für Scholz absolut richtig: „Man darf nicht ständig nach Beliebtheitswerten gehen, dann kommt die Sachpolitik zu kurz.“ Die SPD hätte jegliche Diskussion darüber gleich beenden müssen, ist der Heidelberger Kandidat überzeugt. Denn seiner Meinung nach, sei von Anfang an klar gewesen, dass Pistorius nicht Kanzlerkandidat sein wollte.
In seiner Freizeit legt Tim Tugendhat als DJ auf
Wenn Tugendhat mal über freie Zeit verfügt (im aktuellen Wahlkampf kommt das seinen Angaben zufolge nie vor), betätigt er sich gerne als DJ. Früher hatte er eine monatliche Party in der Halle 02, außerdem legte er regelmäßig im Karlstorbahnhof auf. Was als Studentenjob begann, ist für ihn eine Leidenschaft geworden: „Ich würde von mir sagen, dass ich einen Raum gut lesen kann und weiß, was bei den Gästen gut ankommt.“
Im Studium widmete sich Tugendhat der theoretischen Astrophysik, in der er später auch promovierte. „Es fasziniert mich bis heute, dass ich als winziges Wesen im Universum nachvollziehen kann, wie der Urknall abgelaufen ist. Ich kann der Natur auf die Finger schauen“, sagt er. Während seines Studiums hat Tugendhat Schülern auch Nachhilfe gegeben - unter anderem in Physik, und zwar in Ladenburg. „Gerade als ich hier geparkt habe, fiel mir das wieder ein“, erinnert sich Tugendhat, der sonst auch gerne mit dem Fahrrad unterwegs ist - an diesem Wintertag aber lieber das Carsharing-Auto genommen hat.
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