Ladenburg, Edingen-Neckarhausen. Auf dem Neckar kurz vor dem Stauwehr in Ladenburg hat die Perun festgemacht. Und das ist durchaus wörtlich zu verstehen. Denn das Boot ist nicht einfach nur vor Anker gegangen. Ein mächtiger Pfahl aus Stahl ragt noch ein Stück aus dem Deck heraus, der Rest befindet sich unter Wasser und ist im Grund des Flusses eingerammt. So wird verhindert, dass sich das Boot von der Stelle bewegt.
Die Perun ist von Stettin auf dem Wasserweg gekommen. Sie gehört dem Unternehmen Sea Terra aus Wandlitz, und sie hat einen brisanten Auftrag. Bevor der Bau der Neckarbrücke zwischen Ladenburg und Neckarhausen beginnen kann, müssen Taucher auf dem Grund des Flusses nach möglichen Weltkriegsrelikten suchen. Hinweise auf Metall gibt es jede Menge.
Taucher gehen sämtlichen Verdachtsmomenten auf den Grund
„Wir haben im Vorfeld eine magnetische Oberflächensondierung vorgenommen und Anomalien festgestellt“, erläutert André Böhme von Sea Terra. Metall ist also vorhanden. Weil man den Verdacht auf Kampfmittel nicht ausschließen kann, müssen nun Taucher der Sache buchstäblich auf den Grund gehen.
Für jeden der bei der Sondierung ermittelten Punkte sind die GPS-Daten gespeichert worden. So wird jetzt Punkt für Punkt untersucht und das Metall unter die Lupe genommen. Ein Kran bewegt sich punktgenau ans Ziel und lässt einen Korb ab. Der Taucher muss dann nur noch dem Seil folgen und ist an der richtigen Stelle. Meist findet er allerdings einfach nur Schrott. Auch Fahrräder wurden schon nach oben befördert, wie Böhme berichtet: „Wir lassen keinen Müll auf dem Grund liegen.“
Ob man da unten im Neckar überhaupt etwas sieht? „Wir haben eine Sichtweite von zwei Metern, das ist sehr gut“, erläutert Böhme. Es ist also kein Blindflug unter Wasser. Trotzdem beschränkt sich die Tätigkeit der Taucher vor allem auf das Erkunden. Und was passiert, wenn wirklich Kampfstoffreste entdeckt werden? Dann wird unterschieden, erläutert Böhme.
Feuerwerker können die Gefahr unter Wasser abschätzen
Die Taucher sind ausgebildete Feuerwerker und können die Lage deshalb genau beurteilen. Wenn der Fund ungefährlich ist, etwa weggeworfene Munition, dann kann ihn der Experte mit nach oben nehmen. Ist das Relikt dagegen unsicher, wird es nur identifiziert und bleibt erst einmal an Ort und Stelle. Das ist die Stunde des Kampfmittelräumdienstes. Er beurteilt die Lage und entscheidet, was damit zu machen ist. Entweder werden die Funde geborgen oder notfalls auch gesprengt.
Böhme selbst ist kein Taucher. „Ich setze mir keinen Helm auf und lass‘ mich da von Geräten beatmen“, gesteht er lachend. Er sei Feuerwerker und Kampfmittelräumer: „Aber Tauchen ist nicht meins.“ Vor den Tauchern hat er großen Respekt: „Die Arbeit ist sehr anstrengend.“ Ein Zwölf-Kilo-Helm auf dem Kopf und Gerätschaften in der Hand, wie Sonden (Magnetometer) und einen Feuerwehrschlauch zum Freispülen, das alles kostet Kraft.
Ob es jemals eine Explosion unter Wasser gegeben hat? „Bei uns nicht“, versichert Böhme: „Gott sei Dank.“ Aber könnten Roboter nicht sicherer arbeiten als Menschen? „Wir haben zwar einen Unterwasserroboter“, erklärt Böhme, aber der werde nur in größeren Tiefen vom zehn und mehr Metern eingesetzt: „Hier am Neckar ist man mit Tauchen schneller.“ Trotzdem wird es noch ein paar Tage dauern, bis die Baustelle freigegeben werden kann für die Arbeiten an den Flusspfeilern.
André Nieder vom Referat Straßenbau beim Regierungspräsidium Karlsruhe blickt beim Ortstermin mit der Redaktion auf die Perun. Eigentlich sie es so gut wie ausgeschlossen, dass hier Weltkriegsrelikte liegen. Einschläge seien hier nicht registriert worden. Aber sicher ist sicher. Es könnte nämlich auch sein, dass Kampfmittelreste mit der Flussströmung hier „angefrachtet“ worden seien. Da erinnert sich der „MM“-Fotograf Marcus Schwetasch an ein altes Schwarz-Weiß-Foto seines Vaters. Das zeigt, wie ein Kran die Reste eines Geschosses aus dem Neckar hievt. Insofern ist also auch nichts ausgeschlossen.
Bau der Flusspfeiler ist eine technische Herausforderung
An so etwas mag Nieder gar nicht denken. Er bereitet sich bereits auf die nächsten Arbeiten vor. Etwa dort, wo jetzt das Schiff liegt, wird später einer von zwei Pfeilern entstehen. Keine leichte Baustelle unter Wasser. Zunächst wird gespundet, also eine Art Baugrube aus Stahlelementen gebildet. Außerdem braucht es einen Rammschutz für Schiffe, damit diese nicht in die Baustelle geraten können. Erst danach kann mit dem Bau der Brückenstützen begonnen werden. Zwei davon stehen im Fluss, eine dritte auf der Mole. In der Fahrrinne selbst wird kein Brückenbauteil den Schiffsverkehr beeinträchtigen.
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