Daten und Fakten - Kommunen bauen Betreuungsangebot seit Jahren aus / Dennoch Wartelisten und unerfüllte Elternwünsche

Ein Platz für jedes dritte Kleinkind

Von 
Anja Görlitz
Lesedauer: 
Rein statistisch kommen im Rhein-Neckar-Kreis auf 100 Kinder über drei Jahren 106 Kindergartenplätze. Dennoch können Elternwünsche offen bleiben. © dpa

Gibt es in den Gemeinden des Rhein-Neckar-Kreises ausreichend Betreuungsplätze? Diese Frage ist nicht nur für Eltern, sondern auch für das Landratsamt von Interesse. Denn sollte jemand wegen eines fehlenden Platzes vor Gericht ziehen, richtet sich die Klage gegen den Kreis. Er ist es, der laut Sozialgesetzbuch für die Planung verantwortlich ist, also ein bedarfsgerechtes Angebot gewährleisten muss. Realisieren müssen es laut Landesgesetz allerdings die Städte und Gemeinden. Damit der Kreis sieht, wie das klappt, fragt er jährlich bei seinen Kommunen Zahlen ab. In den vergangenen Jahren geschah dies immer zum März – die aktuelle Erhebung läuft also gerade.

Aber auch ein Blick auf die Ergebnisse von 2019 lohnt sich. So zeigt sich insbesondere bei den Plätzen für unter Dreijährige, dass die Kommunen ihr Angebot ausgebaut haben. Im Vergleich zu 2018 wurden kreisweit 177 zusätzliche Krippenplätze geschaffen, heißt es in der Sitzungsvorlage des Jugendhilfeausschusses, dem die Zahlen im November vorgelegt wurden. Die Versorgungsquote – also die Zahl der vorhandenen Betreuungsplätze gemessen an der Zahl der Kinder unter drei – kletterte leicht auf 36 Prozent (2018: 34,7 Prozent).

Für mehr als jedes dritte Kleinkind steht also im Rhein-Neckar-Kreis ein Platz in einer Krippe oder bei Tagesmüttern und -vätern zur Verfügung. Zum Vergleich: Zehn Jahre zuvor hätte diesen kreisweit nur knapp jedes vierte Kind der Altersgruppe gefunden. Die absolute Zahl der Plätze hat sich im Landkreis innerhalb eines Jahrzehnts ungefähr verdoppelt. Allerdings gibt es den Rechtsanspruch für die unter Dreijährigen auch erst seit 2013. Dementsprechend wurde das Angebot in den Kommunen gerade in den vergangenen Jahren deutlich erweitert.

Walldorf ganz vorn

Mit zu den Spitzenreitern im Vergleich der Städte und Gemeinden zählt übrigens Schriesheim mit einer Versorgungsquote von 45,7 Prozent bei den unter Dreijährigen. Die Nase ganz vorn hatte 2019 Walldorf (63 Prozent). Etwas unter dem Kreisdurchschnitt von 36 Prozent liegen im Verbreitungsgebiet dieser „MM“-Ausgabe Edingen-Neckarhausen (32,1), Heddesheim (34,9) und Ladenburg (35,4 Prozent).

Für Kinder von null bis drei Jahren geht die Fachverwaltung der Stadt Mannheim davon aus, dass in den kommenden Jahren für 40 Prozent der Kinder ein Betreuungsangebot nachgefragt werden wird und so mit einer gesamtstädtischen Quote von 40 Prozent der Rechtsanspruch erfüllt werden kann.

Mit dem quantitativen Ausbau einher ging auch ein Wachstum bei den Betreuungsquoten, also der Zahl der tatsächlich betreuten Kinder gemessen an der gesamten Altersgruppe. Waren es 2015 noch 30,4 Prozent der unter Dreijährigen, gibt der Rhein-Neckar-Kreis den Anteil der betreuten Kinder für 2019 bereits mit 34,2 Prozent an. Im Rhein-Neckar-Kreis geben Eltern ihre Kleinkinder also etwas häufiger in die Obhut von Krippe oder Tagesmutter als im Landesdurchschnitt: Für ganz Baden-Württemberg lag die Betreuungsquote laut Statistischem Landesamt 2019 bei 29,5 Prozent. Das Jugendamt geht davon aus, das der Bedarf weiter ansteigt, weil Eltern immer schneller in den Beruf zurückkehren wollen.

Auch für die Altersgruppe der über Dreijährigen sammelt der Landkreis die Daten bei seinen Kommunen ein. Die Umfrage 2019 ergab demnach eine Versorgungsquote von durchschnittlich 106,4 Prozent. Laut Statistik kommen auf 100 Kinder (drei Jahre bis Schuleintritt) also gut 106 Plätze. Die Zahl ist bereits um altersgemischte Gruppen bereinigt. Damit wird berücksichtigt, dass in diesen Gruppen unter Dreijährige aufgenommen werden können, dann aber rein rechnerisch zwei Plätze „belegen“.

Bei den Kindern über drei Jahren geht die Mannheimer Verwaltung davon aus, dass der Rechtsanspruch mit einer gesamtstädtischen Quote von 95 Prozent erfüllt werden kann. Über den aktuellen Stand der Betreuungssituation berichtet die Verwaltung dem Mannheimer Gemeinderat quartalsweise.

Allerdings: Auch eine Versorgungsquote von 100 Prozent und mehr sagt noch nichts darüber aus, ob das Angebot auch hinsichtlich der Betreuungszeiten passt, wie das Jugendamt des Rhein-Neckar-Kreises betont. Inwiefern etwa jeder Wunsch auf einen Ganztagsplatz erfüllt werden kann, verraten die Zahlen nicht. Ebenso wenig garantiert eine 100-prozentige Versorgungsquote, dass ein Platz zum gewünschten Zeitpunkt zur Verfügung steht. So standen laut Kreis zum Stichtag 1. März 2019 in den 54 zugehörigen Gemeinden insgesamt 257 Kinder auf Wartelisten.

Kurzfristiger Bedarf (Zuzug von Familien) sei eine Erklärung dafür. Die wohl häufigere: Weitere Kinder werden im Laufe des Frühjahrs drei Jahre alt, ihr Platzbedarf kann aber erst ab September gedeckt werden – also dann, wenn die „großen“ Kita-Nutzer in die Schule wechseln. Das Kreisjugendamt empfiehlt deshalb einen Puffer, also eine örtliche Versorgungsquote von mehr als 100 Prozent.

Einzige Klage abgewiesen

Treten tatsächlich einmal Eltern an die Behörde heran, weil ihnen ein Betreuungsplatz fehlt, versucht man dort nach eigener Aussage, eine Lösung gemeinsam mit den zuständigen Gemeinden zu finden. „Es gab daher bisher nur eine Klage gegen den Rhein-Neckar-Kreis“, informiert eine Jugendamt-Mitarbeiterin auf „MM“-Nachfrage. Diese Klage habe sich auf die Erstattung von Mehrkosten gerichtet, die dadurch entstanden waren, dass nur ein Platz in einer teureren Einrichtung und nicht in der günstigeren kommunalen zur Verfügung stand. Die Klage sei abgewiesen worden. (mit tge)

Redaktion Stellvertretende Nachrichtenchefin

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen