Hobby

An Wochenenden unterwegs im Tierkostüm: Gespräch mit einem Furry

Wenn Martin W. aus Weinheim als Furry unter seinem tierähnlichen Anzug steckt, ist er in einer eigenen Welt – und mit seiner Leidenschaft nicht alleine.

Von 
Melissa Richter
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Flauschiges Hobby: Schon 2024 trafen sich die Furries am Weinheimer Marktplatz. © Philipp Reimer Fotografie

Weinheim. Martin W. ist ein Furry – unter der Woche arbeitet der Familienvater als Lagerist, doch am Wochenende schlüpft er für sein Hobby in flauschige Anzüge. Furries sind Menschen, deren Hobby es ist, in Tierkostüme zu schlüpfen und sich in Gruppen zu präsentieren. „Furry Fandom“ nennt sich der Trend aus den USA, auf Deutsch: pelzige Fangemeinde.

Die Liebe zu den sogenannten „anthropomorphen (menschenähnlichen) Charakteren“ hat Martin W. durch das Online-Rollenspiel „World of Warcraft“ entdeckt. Der Weinheimer erinnert sich an einen Tag vor ein paar Jahren, als er auf YouTube zum ersten Mal ein Video von einem Menschen in einem tierähnlichen Anzug – in Fachkreisen wird von Suits gesprochen – gesehen hat, einem Furry also. „Damals habe ich mich gefragt: Warum mache ich das nicht?“ Dem 42-Jährigen war in diesem Moment klar, dass er selbst ein Furry sein wollte.

Doch wie wird man ein Furry? Seine Suche begann im Internet, schnell fand er jemanden, der einen alten Suit abgeben wollte. „Es war ein Panda“, erinnert er sich und erklärt: „Ich habe mir dann den Kopf und den Schwanz gekauft, der Rest des Anzugs war mir zu klein.“ Für die fehlenden Teile – Pfoten, Schuhe und Körper – wurde der Weinheimer in einem Cosplay-Laden fündig. Dabei gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen Cosplay und Furry: Bei einem Cosplay ist der Mensch hinter dem Kostüm noch zu erkennen, beim Furry verschwindet er unter dem Anzug komplett.

Ein Fursona namens Karisama als neuen Charakter

Seit Oktober 2022 ist Martin W. nun Teil der Furry-Community und dem Verein „Weinberg Furs“ mit Sitz in Eppingen beigetreten. Dieser ist eine Anlaufstelle für Furries aus der ganzen Region.

Rund um Furries

Bei Furry handelt es sich um einen Sammelbegriff für eine internationale Subkultur , die an anthropomorphen Tieren interessiert ist. „Furry“ kommt aus dem Englischen und bedeutet pelzig .

Fursona ist eine Mischung aus den Wörtern Furry und Persona . Das Wort beschreibt die Rolle, in die der Mensch schlüpft.

Fursuitist die Bezeichnung des maßgeschneiderten Anzugs des Furrys.

Die Fursuit Walks sind organisierte Spaziergänge der Pelzfangemeinde. Dabei laufen sie durch Städte und Fußgängerzonen .

Die Maker sind die Hersteller der Anzüge und fertigen die Teile nach Wunsch für die Furries an.

Das Ref Sheetist eine Konzeptzeichnung, die das Aussehen und das Verhaltender Fursona beschreibt. Es dient auch als Vorlage für die Maker.

Aus Martin W. als Panda „Pantherwywer Nargacuga“ wurde mittlerweile eine neue, ganz andere „Fursona“ – eine Wortschöpfung aus Furry und Persona. Bei diesem Charakter handelt es sich um ein Fuchsmädchen namens Karisama. „Ich sammle schon lange fuchsartige Kuscheltiere und Pokémon.“ Bisher hat der 42-Jährige schon Kopf, Schuhe, Schwanz und Pfoten. Diese hat er sich extra anfertigen lassen.

Viele Teile sind Einzelanfertigungen. Das Endprodukt kann daher preislich stark variieren
Martin W. Furry

Mit sogenannten „Makern“ erstellte er ein „Ref Sheet“, also eine Konzeptzeichnung, mit der das Aussehen des Charakters festgelegt wird. Die Zeichnung dient als Grundlage für die Herstellung des Suits. Und der hat seinen Preis. „Viele Teile sind Einzelanfertigungen. Das Endprodukt kann daher preislich stark variieren“, erklärt Martin W. Der Preis für Kopf, Füße, Schwanz und Hände liegt zwischen 1.500 und 12.000 Euro. Auch die Kosten für den Körper bewegen sich in einem Rahmen von 800 bis 1.400 Euro. Die Fursona Karisama ist noch nicht fertig, aber Martin W. rechnet mit Gesamtkosten von bis zu 2.600 Euro. „Das ist es auch wert!“, findet er, denn: „Man hat den Suit oft zehn Jahre lang an.“

Bei Passanten sorgen die Tierfiguren mitunter für Aufsehen

Im „Ref Sheet“ wird nicht nur die Optik beschrieben, auch die Eigenschaften und das Verhalten des Charakters werden festgelegt. „Wie man seine Fursona darstellt, entscheidet jeder für sich“, erklärt Martin W.: „Deswegen ist es ganz unterschiedlich, ob man als Furry gar nicht redet, spricht oder eigene Geräusche macht.“

Veranstaltungen, bei denen diese Charakterzüge zum Vorschein kommen, sind zum Beispiel die „Fursuit Walks“. Dabei laufen die Teilnehmer in ihren Anzügen durch die Städte und Fußgängerzonen. So können sich viele Interessierte treffen. Bei Passanten sorgen die Tierfiguren mitunter für Aufsehen.

Wie Maskottchen im Disneyland

„Die Leute wollen mit uns Fotos machen und uns umarmen“, freut sich Martin W.: „Und wir haben unseren Spaß. Wir sind dann wie die Maskottchen im Disneyland.“ Der 42-Jährige organisiert diese Walks in Weinheim. Der nächste findet bereits am Samstag, 8. März, statt.

Bei den Walks laufen rund 30 Personen von 16 bis 60 Jahren mit. Mit dabei sind dann auch eigene Fotografen und sogenannte „Spotter“. Letztere helfen den flauschigen Freunden, den Weg zu finden. Martin W.: „Damit wir nicht gegen Poller laufen.“ Denn das Sichtfeld kann je nach Kopfgestaltung sehr eingeschränkt sein. Die Spotter helfen auch bei einem wesentlichen Problem: dem Trinken. Denn mit den Köpfen kann das durchaus schwierig sein. Aus diesem Grund hat Martin W. auch immer einen ausklappbaren Strohhalm dabei.

Dass man Furries meistens im Frühling oder im Herbst in den Städten sieht, hat einen guten Grund. Martin W.: „Im Sommer ist es in den Anzügen einfach zu heiß. Im Suit hält man es normalerweise so zwei bis drei Stunden aus.“ Darunter tragen die Teilnehmer Baumwoll- oder Funktionskleidung, um den Schweiß nach außen zu leiten.

Ein immer beliebteres Hobby

In die Rolle eines Furry zu schlüpfen, mag ein ungewöhnliches Hobby sein, aber es findet immer mehr Anhänger. Im Verein „Weinberg Furs“ gab es allein im vergangenen Jahr rund 45 neue Mitglieder.

Der Faszination Furry ist auch Martin W. erlegen. Der Weinheimer betont: „Furry sein ist entgegen mancher Annahmen kein Fetisch.“ Davon distanziert sich auch der Verein „Weinberg Furs“. Das Schlüpfen in seine Fursona hat für Martin W. eine andere, viel größere Bedeutung. „Ich kann wirklich mal vom Alltag abschalten und in eine eigene Welt eintauchen. Die Fursona ist eine Tierperson, die in dir steckt.“

Doch was sagt seine Familie dazu? Er verrät: „Meine Frau toleriert es. Aber sie ist nicht unbedingt ein Fan davon.“ Anders sieht es bei seinen Kindern aus. Vor allem seine ältere Tochter ist bereits Fan und selbst schon als Furry bei den Walks dabei. „Wir sagen immer, sie ist mit acht Jahren die jüngste Furry der Region“, erzählt er mit einem Schmunzeln.

Weitere Infos zum Fursuit Walk am Samstag, 8. März, um 13 Uhr in der Weinheimer Innenstadt und zum Verein gibt es unter https://weinbergfurs.de

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