Speyer. Wer 40 Jahre lang als Lokaljournalist in verschiedensten Regionen Deutschlands tätig ist, kann in etwa die Qualität von Bürgermeistern und Oberbürgermeistern einschätzen. Und jetzt versteige ich mich mal zu einem Urteil: Werner Schineller war der beste OB, den ich live vor Ort erlebt habe. Am Dienstag, 20. Juni, wird er 75 und aus diesem Anlass muss das einfach mal gesagt werden.
Die Aussage lässt sich auch leicht begründen, denn er hat fünf wichtige Stärken. Die erste ist die Überzeugungskraft, denn immerhin hat er die meines Wissens erste schwarz-grüne Koalitionsregierung in Deutschland gegründet und damit die Themen Ökologie und Nachhaltigkeit schon Mitte der 1990er Jahre in die Stadtentwicklung mit eingebracht ohne sich zu verbiegen. Die zweite Stärke ist, dass Schineller angstfrei ist. Da kann nach Speyer kommen, wer will, sei es der britische Premier, der spanische König oder gar der Papst. Er scherzt mit allen und zeigt sich immer bestens präpariert. Das liegt an seiner dritten Stärke: Werner Schineller ist sehr belesen, hat zu Hause eine große Bücherei und verschlingt gute Literatur geradezu. Gern erzählt man sich ja in Speyer, dass die Lesungen großer Schriftsteller in der Domstadt immer mit einem Kaffeekränzchen und einem Austausch bei ihm begonnen haben.
Die vierte große Stärke ist Schinellers Gefühl dafür, den richtigen Ton zu treffen. Sei es beim Empfang für den Hausfrauenverein aus einer Partnergemeinde, beim Treffen der nordrhein-westfälischen Landgerichtspräsidenten oder bei der Trauerrede für eine gute Freundin – er findet die Empathie, die die Menschen abholt und freut. Und die fünfte Stärke ist seine Bürgernähe. Wenn ihm auf dem Fußweg von seinem Haus zum Stadthaus etwas auffiel oder er von einem Bürger auf einen Missstand aufmerksam gemacht wurde, dann klingelte beim zuständigen Amtsleiter gleich drauf das Telefon. Und wer ihn auf der Straße trifft, bekommt immer Aufmerksamkeit und ein gutes Wort.
Engagement für den Speyerer Dom
Die Pressestelle des Bistums würdigt das besondere Engagement Werner Schinellers für den Dom: Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann gratuliert ihm nun in einem persönlichen Brief zum 75. Geburtstag. In diesem dankt er Schineller für die „gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit“ während seiner Amtszeit als Stadtoberhaupt. Zugleich erinnert Wiesemann an viele Jubiläen, wichtige Besuche und historische Marksteine, die Stadt und Bistum stets gemeinsam gefeiert haben: „In der Regel im Schulterschluss mit der Pfälzischen Landeskirche, weil für Sie die Beheimatung in ihrer Konfession eng gepaart ist mit ökumenischer Weite.“
Berufliche Stationen
Werner Schineller wurde 1975 Dezernent für Jugend, Soziales und Sport bei der Kreisverwaltung Pirmasens. 1976 wurde er persönlicher Referent des Regierungspräsidenten Hans Keller und 1980 des rheinland-pfälzischen Sozialministers Georg Gölter. Bereits im Jahr darauf wählte ihn der Speyerer Stadtrat zum Bürgermeister.
1994 wurde Schineller in einer der ersten Direktwahlen in Rheinland-Pfalz mit 52 Prozent zum Oberbürgermeistergewählt. 1995 trat er sein Amt an und wurde 2002 mit 59,8 Prozent wiedergewählt. Seine Amtszeit endete am 31. Dezember 2010 – er trat nicht mehr an. jüg
Als früherer Vorsitzender des Caritasrates und der Caritas Betriebsträgergesellschaft Speyer, sein Wirken bei der Europäischen Stiftung Kaiserdom zu Speyer und für die Historischen Verein als Träger des Speyerer Museums ist der Ex-OB zu würdigen. „Als Vertreter der Stadt gehörte Werner Schineller 1999 zu den Gründungsstiftern. 13 Jahre (1999 bis 2012) war er Mitglied des Stiftungsrates, zehn Jahre (2012 bis 2022) Mitglied des Vorstands.
Dessen Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Alfried Wieczorek würdigt Schineller als großen Unterstützer der Stiftung: „Durch sein Netzwerk, seine Ideen und seine spürbare Begeisterung für die Kathedrale und Welterbestätte war er ein wichtiger Impulsgeber und Botschafter für die Arbeit der Stiftung und für den Kaiserdom.“
Auch als Pensionär ist Werner Schineller viel unterwegs, lässt sich bei Kulturellen Veranstaltungen und in der Weinstube sehen und pflegt zusammen mit seiner Frau Roswita, die ihm familiär den Rücken frei gehalten hat, freundschaftliche Kontakte. Möge es seine robuste Gesundheit noch lange erlauben, so humorvoll und wissensdurstig zu bleiben. mit is
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