Abschied von Helmut Kohl (mit Fotostrecke)

Speyer steht still

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Der Wagen mit dem Sarg auf dem Weg zum Friedhof des Domkapitels. © Felix Kästle

Speyer. Von unseren Redaktionsmitgliedern Marco Pecht, Peter W. Ragge und Thomas Schrott

Es ist der Tag des Abschieds in Speyer - aber so ein bisschen gleicht es auch einem großen Schaulaufen: Prominente aus Politik und Gesellschaften haben sich um 17.30 Uhr vor dem Kaiserdom versammelt und warten vor den Toren des Gotteshauses auf den Beginn der Totenmesse für den vor gut zwei Wochen in seinem Haus in Ludwigshafen verstorbenen Altkanzler Helmut Kohl. Als Bischof Karl-Heinz Wiesmann gemeinsam mit Kanzlerin Angela Merkel, Bundestagspräsident Norbert Lammert, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer in den Dom einziehen liegen hinter den Menschen in der Stadt schon ereignisreiche Stunden: Tausende haben sich an der von mindestens 10000 Polizisten abgesicherten  Strecke des Trauerkonvois für den Kanzler der Einheit versammelt. Viele haben intensive Erinnerungen an den CDU-Politiker.

So etwa Uwe Spannenkrebs:  Eigentlich ist für ihn der Motorrad-Grand-Prix auf dem Sachsenring unbestritten der Höhepunkt des Jahres, aber nach dem Tod des Altkanzlers war es für Spannenkrebs „sonnenklar“, dass er heute  dort nicht hingehen wird. "Ich musste auf jeden Fall zur Trauerfeier von Helmut Kohl. Denn er hat mich frei gemacht und mein Leben total verändert", sagt der 55-jährige Maler aus Lobsdorf in tiefer Dankbarkeit für die Wiedervereinigung. Mit dem Motorrad hat er sich deswegen  um 2.30 Uhr auf die 400 Kilometer lange Strecke aus dem Erzgebirge nach Speyer gemacht. Mit einer großen Deutschland-Fahne um die Schulter und in einer schwarz-grünen Motoradklufft ist er der erste, der im abgesperrten Domgarten auf die erst fünf Stunden später beginnende Übertragung des Requiems wartet.

Vom kühlen Wind und immer wieder einsetzenden Nieselregens lässt sich auch Uwe Funke nicht beeindrucken. Der 66-jährige Ludwigshafener ist eigentlich SPD-Sympathisant, sieht aber die Politik des früheren christdemokratischen Regierungschefs  nur positiv. "Er hat sehr viel für Deutschland getan, auch für den Speyerer Dom", sagt Funke. Bei der Parteispendenaffäre sei er "nicht nachtragend". Wegen des nicht gerade einladenden Wetters füllt sich der Domgarten nur langsam, der nur über den südlichen Zugang vom Festplatz erreichbar ist und auf dem 3500 Besucher Platz finden. Angesichts der starken Polizei- und Medienpräsenz in ganz Speyer gibt es indes auch kritische Stimmen von Passanten in der Fußgängerzone. "Helmut Kohl hat sicherlich viele Verdienste. Dieser Aufwand ist zu aber groß. Das  viele Geld hätte man sinnvoller ausgeben können", meint Anita Fruth.

Unterdessen säumen hunderte Menschen das Rheinufer in Speyer: Dort kommt gegen 16.45 Uhr das Schiff „MS Mainz“ an, das den Sarg Kohls von Reffenthal aus in die Stadt der letzten Ruhestädte des Staatsmann gebracht hat. Soldaten in Ehrenuniform tragen den Sarg ans Ufer - gefolgt von der Witwe Maike Kohl-Richter und Ex-„Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann.  Zuvor hatte die Mannheimer Berufsfeuerwehr  mit dem Feuerlöschboot "Metropolregion 1" der „MS Mainz“ das Ehrengeleit gegeben - "auch als Zeichen der Dankbarkeit für die enge Verbundenheit, die er immer zu Mannheim hatte", so Mannheims Erster Bürgermeister Christian Specht, der mit an Bord war.

Brigitte Hein aus Speyer ist mit Freunden ans Ufer spaziert. „Wir sind die Rentnergang und kommen jeden Tag hierher“, sagt sie,  während sie auf einer Bank an der Uferpromenade sitzt.  Der 74-Jährigen ist es ein wichtiges Anliegen, an diesem Tag Helmut Kohl die letzte Ehre zu erweisen. „Er war ein guter Politiker, von diesem Schlag bräuchten wir heute noch mehr“, betont sie. Für die Diskussionen um die letzte Ruhestätte des Altkanzler hat sie kein Verständnis. „Helmut Kohl war ein halber Speyerer - er gehört hier hin“, sagt Hein energisch. Außerdem sei die Grabstätte im Adenauer-Park sein letzter Wille gewesen. Er habe eben nicht ins Familiengrab zu seiner ersten Frau Hannelore nach Ludwigshafen gewollt, das müsse man respektieren.

Stephan Heneka ist gemeinsam mit seiner Mutter Dina aus der Nähe von Karlsruhe nach Speyer gekommen. „Heute ist ein historischer Tag“, sagt der 37-Jährige. Es werde so bald keine Trauerfeier mehr geben, bei der der Sarg über den Rhein transportiert werde. „Das erinnert mich total an die Beerdigung von Konrad Adenauer“, so Heneka. Da sei es für ihn wichtig, dabei zu sein. „Der Rahmen für das Zeremoniell ist gut gewählt“, meint er. Auch der Ort der Grabstätte sei die richtige Entscheidung gewesen: „In Speyer können die Menschen immer wieder zum Grab kommen und ihm gedenken.“

Ähnlich schätzt es der aus Speyer stammende Sascha Werner ein. „Für Helmut Kohl war Speyer eine Lieblingsstadt“, sagt der 30-Jährige, der sich schon als Kind mit Kohl beschäftigte, weil sein Großvater Mitglied im CDU-Ortsverein war. „Ich weiß, dass die Ludwigshafener nicht so begeistert mit der Entscheidung sind. Aber sie passt zu Kohl und zu Speyer“, glaubt er. Die Ankunft des Sarges und den Trauerkonvoi zum vom Rhein nur wenige hundert Meter entfernt liegenden Dom habe er als sehr würdig empfunden. „Als das Schiff ankam, war es beeindruckend still“, sagt er.  

Nach dem Requiem im Dom soll Kohl im Kreise von Freunden und Familie im Adenauer-Park beigesetzt werden.

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