Das Wichtigste in Kürze
Liedermacherin Natalia Kies sorgt mit ihrem Konzert für das erste Highlight beim Kulturbeutel in Speyer.
Speyer. Als Natalia Kies auf die Bühne kommt und sich ans Klavier setzt, zieht sie erst einmal ihre Sandalen aus. Das ist keine Marotte, sondern ein Statement, wie sich nachträglich erschließt. Denn die in Polen gebürtige Liedermacherin zeigt sich in ihren Songs als extrem hellhörig und sensibel, wenn es um die Nähe zu den eigenen Gefühlen oder zu Erscheinungen der Natur geht. Das Sensorium ist auf Resonanz ausgerichtet. Da können lästige Utensilien wie Schuhe die Verbindung stören.
Zusätzlich hat die Künstlerin um ihr Klavier ein ganzes Arsenal an elektronischen Apparaturen aufgebaut, deren Klangerzeugnisse sie zu ihrem Gesang einspielt. Windgeräusche werden ins Mikrofon geblasen und Wasser plätschert in einem Kessel: Das alles wird aufgenommen und sorgt für eine atmosphärische Hintergrundtapete, vor der Natalia Kies ihre Lieder präsentiert. Ihre Füße – auch hier würden Schuhe vermutlich stören – bedienen mehrere Pedale, über die sie Geräusche und Klänge abrufen kann. Die Verbindung von akustischer und elektronischer Klangerzeugung gibt ihren Liedern zuweilen einen unwirklichen, gelegentlich sogar mystischen Charakter.
Das Ensemble sorgt für den jazzigen Anklang
Doch das Ensemble mit Reza Askari am E-Bass und Keita Ogawa am Schlagzeug verpasst dem Wohlfühlpop der Songwriterin ein jazziges Format, das auch die Sängerin und Pianistin zu improvisierten Ausflügen inspiriert. Es sind durchaus filigrane Arrangements, die einen Anspruch auf ein hohes Niveau vertreten, wie er etwa in einem Lied über die Suche nach der inneren Stille zum Vorschein kommt, den Kies in ihrer polnischen Muttersprache vorträgt. Dabei verdichten sich Geräusche, Klänge und Rhythmen zu einer immer komplexeren Collage und sorgen Soundeffekte wie eine Pfeife, der man fröhliches Vogelgezwitscher entlocken kann, oder eine zirpende Kalimba für assoziative Naturerlebnisse.
Obwohl sie sehr melodisch und harmonisch ausgefeilt sind, wollen die Songs von Natalia Kies nicht in erster Linie gefallen. Sie verstehen sich offenbar als authentische Ausdrucksweisen eines achtsamen Gemüts, das sich in musikalischen Fantasiewelten und Poesien auslebt. Die Songs folgen dabei keinem streng linearen Konzept, sondern weisen selbst suchende, kreisende, tastende und verweilende Bewegungen auf, die dann von der Reise eines Glühwürmchens künden, das die große Liebe entdeckt. Auch öffnen sich die Arrangements für experimentelle Formen, die etwa an die synästhetischen Installationen einer Laurie Anderson erinnern. Damit beeindruckt Natalia Kies im Speyerer Kinder- und Jugendtheater ihr Publikum nicht wenig, wie an den Reaktionen abzulesen ist.
Schon mal einen Blick auf das neue Album werfen
Das Konzert im Rahmen des Speyerer „Kulturbeutel“ präsentiert vor allem Songs aus der ersten und aktuellen CD „Phoenix“. Im kommenden Jahr soll ein neues Album erschienen, von dem Natalie Kies und ihr Ensemble bei dieser Gelegenheit schon einige Titel vorstellen. „Catch my dreams“, ist einer dieser Songs, die typisch sind für jenen Zustand zwischen Wachheit und Traumverlorenheit, den die Liedermacherin besingt. Der Weg, der sich ihr als Künstlerin eröffnet hat, mag die Erfüllung eines solchen Traumes sein. Zuweilen sind sich Realität und Fantasie ganz nah.
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