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Speyer: Bischof Wiesemann räumt Blindheit in Sachen Missbrauch ein

In der dritten und letzten Predigt der Fastenpredigtreihe "Im Puls" wirft Bischof Wiesemann einen selbstkritischen Blick auf die Kirche und befasst sich mit menschlichem Leiden.

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Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann wird sich mit dem christlichen Menschenbild beschäftigen. © Landry

Speyer. „Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst?“ (Psalm 8, 5) – unter dieses Leitwort hatte das Domkapitel die dreiteilige Fastenpredigtreihe „Im Puls“ im Dom gestellt. In der dritten und letzten Predigt sprach Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann über den biblischen und den kirchlichen Blick auf den Menschen. Er fand dabei auch kritische Worte, die sich an ihn selbst als auch an die Institution katholische Kirche richteten: „Die Kirche hat den konkreten Menschen zu wenig im Blick gehabt“, war eine Schlussfolgerung.

Im genannten Psalmwort werde der Mensch als „wenig geringer gemacht als Gott“, zugleich aber auch in seiner Armseligkeit beschrieben. Deutlich werde dies in der Übersetzung von Martin Buber: „Was ist das Menschlein, dass du seiner gedenkst?“ Auch der von Wiesemann ausgewählte Lesungstext aus dem Johannesevangelium beinhaltete den Blick auf den Menschen: „Ecce homo – seht, der Mensch“. Mit diesen Worten stellt Pilatus den gefolterten Jesus vor die Menge. Diese lässt sich von dem Anblick des Geschundenen jedoch nicht anrühren, sondern fordert schreiend dessen Kreuzigung. In den Worten Jesu an Pilatus zeige sich jedoch, dass Jesus kein wehrloser Spielball gewesen sei. So entgegnete dieser dem römischen Statthalter: „Du hättest keine Macht über mich, wenn sie dir nicht von oben gegeben wäre“. Damit zeige Jesu uns „unsere eigene gottgeschenkte Würde“, sagte der Bischof.

Für uns gelte es, bei allen Bildern von leidenden Menschen den konkreten Mensch in den Blick zu nehmen und uns von dessen Schicksal anrühren zu lassen. Stellvertretend nannte er den geflüchteten syrischen Jungen Alan Kurdi, der im Alter von zwei Jahren im Mittelmeer ertrank und dessen Bild, tot am Strand, um die Welt gegangen war. „Lassen wir uns ergreifen von der Menschenfreundlichkeit Gottes, der auf jeden Einzelnen sieht“, schloss der Bischof den ersten Teil der Predigt.

In einem zweiten Predigtteil warf Bischof Wiesemann einen selbstkritischen Blick auf die Kirche: „Das Ziel einer Fastenpredigt ist ja der Ruf zur Umkehr, nicht zuerst an andere, sondern an sich selbst“, erläuterte er die Zielrichtung. Allzu lange habe man weggesehen, wenn innerhalb der Kirche sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen oder schutzbefohlenen Erwachsenen verübt worden sei. Die Sorge habe vorrangig oder ausschließlich dem Ansehen der Kirche und ihren Amtsträgern und nicht den Betroffenen gegolten. Erst nach und nach, durch die Veröffentlichung verschiedener Studien habe man die eigene Blindheit erkannt. Auch er selbst habe die Gespräche mit vom Missbrauch Betroffenen gebraucht, um dies zu verstehen, und auch, um zu erkennen, dass systemische Gründe den Missbrauch in der katholischen Kirche begünstigt hätten.

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