Speyer. An etwa 15 Orten sind in Speyer an Heiligabend Plakate aufgetaucht, die den hundertfachen sexuellen Missbrauch in Speyerer Kinderheimen anklagen. Eines der großformatigen Poster war am Donnerstag direkt am großen Holztor des Historischen Rathauses aufgehängt. „Die beiden Kinderheime waren das Rotlichtmilieu der Stadt“, schreibt der Urheber des Plakats.
Der Verantwortliche hat sich bisher nicht bekannt, verwendet aber Zitate aus den Vorwürfen, die Konrad O. (Name von der Redaktion geändert) gegenüber den Niederbronner Schwestern und dem Bistum Speyer öffentlich gemacht hat. Konrad O. sagte, er sei nicht der Urheber der Plakate. Der in Südhessen lebende Mann hatte nach Ermessen des Darmstadter Sozialgerichts, das ihm in diesem Jahr eine Entschädigung zusprach, jahrelang unter sexuellem Missbrauch zu leiden. Haupttäter war mit Rudolf Motzenbäcker ein hochrangiger Geistlicher des Bistums. Der amtierende Bischof Karl-Heinz Wiesemann hatte am 11. Dezember in einem Interview mit der Bistumszeitung „Der Pilger“ den Namen des Täters öffentlich gemacht. „Er ist mir zuvorgekommen“, sagt Konrad O. Ein persönliches Gespräch zwischen Bischof und Opfer gab es bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht.
Bischof erinnert sich nicht an Brief
Rudolf Motzenbäcker, so erzählte es das Opfer gegenüber dieser Redaktion, sei seinerzeit sein Beichtvater gewesen. Unter verschiedenen Vorwänden hätten die Nonnen aus dem Kinderheim ihn immer wieder zu ihm gebracht. Dieser sei sowohl anal als auch oral in ihn eingedrungen. Von Sexpartys mit blutigen Bettlaken, an denen auch andere Priester und mitunter hochrangige damalige Politiker beteiligt gewesen seien, berichtet das Opfer auf einer Homepage im Internet. Immer wieder im Zentrum stehen die Nonnen aus dem Orden der Niederbronner Schwestern. Dort hält man die Vorgänge heute für nicht mehr nachvollziehbar. Zwei Schwestern hätten zu ihren Lebzeiten zugegeben, dass es Schläge gegeben habe, so die heutige Provinzoberin. O. berichtet auf seiner Internetpräsenz ausführlich über die Spitznamen, die man den Schwestern gegeben habe. „Schwester Gnadenlos“ habe eine geheißen, eine andere „Schwester Prügel“ oder einfach nur „Hexe“.
Der heutige Vater von zwei Kindern erinnert sich, dass er im Alter von etwa 14 Jahren mindestens einen Brief beim Bischof in den Briefkasten geworfen habe. Dort habe er aufgeschrieben, welches Leid ihm zugefügt werde. Kardinal Friedrich Wetter, der heute 92-jährig in einem Seniorenheim lebt, hat laut Aussage des heutigen Speyerer Bischofs keine Erinnerung mehr daran. Zu sexuellem Missbrauch war es in den 60er und 70er Jahren auch in Speyers Nachbargemeinde Dudenhofen gekommen. Fünf Opfer hätten sich seit dem Jahr 2003 gemeldet, die vom damaligen Pfarrer missbraucht worden seien, so Bistumssprecher Markus Herr auf Anfrage. Ihr Leid sei mit Geldbeträgen von 4000 und 10 000 Euro anerkannt worden.
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