Konzert

Heiterkeit mit Jägermix

Leipziger Vokalensemble Sjaella eröffnet „Resonanzen“ in der Dreifaltigkeitskirche

Von 
Uwe Rauschelbach
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Skandinavisches Liedgut warm eingepackt dargeboten: Mit einem Konzert des in Mäntel gehüllten Vokalensembles „Sjaella“ aus Leipzig startet in der Dreifaltigkeitskirche die neue Kammermusikreihe „Speyer Resonanzen“, die an das erfolgreiche Kammer-musikfestival der Speyerer „Kontrapunkte“ anknüpft. © Venus

Speyer. Mit dankbarer Bescheidenheit, in einer geschichtlich so bedeutenden Stadt wie Speyer auftreten zu dürfen, absolvierte das Leipziger Vokalensemble Sjaella seine Konzertpremiere in der Kammermusik-Reihe „Resonanzen“. Das nächste Mal wird sich die Stadt glücklich schätzen können, die sechs jungen Damen wieder einmal für einen solchen Auftritt gewinnen zu können. Das gesanglich auf höchstem Niveau agierende Sextett ist auf dem Weg zu internationalem Ruhm.

New York, Australien und Utrecht stehen nach Speyer auf der Tourneeliste von Sjaella, dessen Name vom schwedischen Wort für Seele kommt. Das skandinavische Liedgut steht denn auch im Mittelpunkt der künstlerischen Ambitionen, die die sechs Sängerinnen nicht etwa mit verbissener Attitüde, sondern in sympathisch lockerer Haltung betreiben. Die Mischung aus liebevoller Leidenschaft und professioneller Präzision, die bei Sjaella jeden Takt, jede Phrase, jedes Intervall prägt, überzeugt auf Anhieb.

Die vokalsolistischen Qualitäten von Viola Blache, Marie Fenske, Franziska Eberhardt (alle Sopran), Marie Charlotte Seidel (Mezzosopran), Felicitas und Helene Erben (beide Alt) sind überragend. Im Zusammenklang entsteht so ein fließend-atmendes, harmonisch bis ins Detail aufeinander abgestimmtes Gesangsgebilde, in dem nicht die Spuren einer Unsauberkeit oder Ungenauigkeit zu erkennen sind. Jedes einzelne Lied erhält einen eigenen Ausdruckscharakter, der vom melancholischen Ton des Nordens bis zum ausgelassenen, durchaus auch ironischen Humor eines volkstümlichen Schwanks reicht.

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Von
Dr. Matthias Nowack
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Doch der Vortrag von Sjaella weicht nicht ins Derbe, Gassenhauerische ab, bleibt stets auf feinem, sensiblen Niveau. Selbst wenn im Volkslied „Huldra“ ein norwegisches Fabelwesen seinen Auftritt hat, den die sechs Sängerinnen mit gestischem Witz und lautmalerischer Begleitung inszenieren. Das Programm in der Speyerer Dreifaltigkeitskirche enthält nicht nur zeitgenössische und modern arrangierte skandinavische Weisen, die mit ihrer empfindsamen Ästhetik, ihrer zarten harmonischen Verflechtung und ihrer rhythmischen Vielfalt auf Herz und Sinne wirken, etwa Ola Gjeilos Vertonung eines Textes aus dem Hohelied Salomos, „Nordern Lights“, das in seiner spirituellen Diktion und seiner spannungsvollen Stimmführung eines der bekanntesten Lieder ist.

Friedensruf als Klassiker

Auch alte Gesänge wie der mittelalterliche Hymnus „O Christe, flos convallium“ oder Henry Purcells Geistergesänge aus der Semioper „The Fairy Queen“ trägt das Sextett in modernen Arrangements vor, was diesem Konzertprogramm eine zeitgenössisch ausgerichtete Note gibt, ohne die traditionellen Weisen damit allzu sehr zu verfremden. Arvo Pärts Friedensruf „Peace upon you, Jerusalem“ geht mit Blick auf die modernen Bearbeitungen da schon als Klassiker durch.

Einen besonderen Akzent setzen die Sängerinnen auf das Lied „A Girl“ des amerikanischen Komponisten David Lang, das der 98-jährigen Clara Knopfler als einer der letzten Holocaust-Überlebenden gewidmet ist – und mit dem Sjaella den Status Speyers als jüdisches Unesco-Welterbe würdigen. Sich und ihre Tochter hatte Clara Knopfler im Konzentrationslager Auschwitz als Schwestern ausgegeben. Der Text des Liedes stammt aus einer alten jiddischen Gedichtsammlung und handelt von der Beziehung zwischen Mutter und Tochter. Rhythmisch-synkopische Pattern und Vokalgeräusche, die ein Anklopfen simulieren, sind als markante Gestaltungsmittel wahrzunehmen.

Um auch dem deutschen Liedgut Genüge zu tun, hatten Sjaella sich einen „Jägermix“ arrangieren lassen (Michael Eimann), der Zitate aus Liedern über die Jagd bietet, etwa aus „Im Wald und auf der Heide“ oder dem „Jäger aus Kurpfalz“. Auch Carl Maria von Webers Oper „Der Freischütz“ lässt sich in diesem lustig-frivolen Potpourri erkennen – eine köstliche, belustigend wie leidenschaftlich vorgetragene Persiflage auf das in Wald und Flur ehemals praktizierte Jägerlatein, ohne Häme und Gehässigkeit.

Den Titel „Welteinklang“, den Sjaella ihrem Konzert verliehen haben und der an den Frieden und die Harmonie unter den Menschen appelliert, lösen sie restlos ein: In der irischen Weise „Our Wedding Day“ können die Liebenden nur in der Fantasie zueinander kommen; im finnischen Volkslied „Kuulin äänen“, das die Sängerinnen tänzerisch zu den Schlägen eines Tambourins inszenieren, ist ihnen ein Happy End zugedacht.

Freier Autor

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