Kulturbeutel

Gelungener italienisch-deutscher Coup

Figurentheater „Drei Wünsche frei“ zeigt sich als Zeitreise in die märchenhafte Welt der Brüder Grimm

Von 
Matthias Nowack
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Der Trommler und das Mädchen. Puppe und Puppenspieler werden eins. © Nowack

Speyer. Mit dem deutsch-italienischen Theaterprojekt „Drei Wünsche frei“ gelingt dem Teatro del Drago aus der Partnerstadt Ravenna und dem Speyerer Kinder- und Jugendtheater im Rahmen des Kulturbeutel-Festivals eine ausgesprochen poetische Zeitreise in die Märchenwelt der Brüder Grimm.

Sie beginnt mit der Enthüllung eines Denkmals für die beiden Märchensammler und Sprachwissenschaftler Jakob und Wilhelm Grimm in Speyer. Warum nicht, fragt man sich? Allerdings bewegt sich dieses mit einem weißen Leinentuch verhüllte Denkmal zu Beginn der Aufführung immer mal wieder. Kinder wie Erwachsene entdecken neugierig am unteren Ende des Tuches ein Paar schwarze Schuhe. Das Geheimnis wird gelüftet: Die Brüder Grimm steigen vom imaginären Denkmalsockel herab und mischen sich ein. Sie wollen schauen, wie ihre Märchen 200 Jahre später, in unserer Zeit, aufgenommen werden.

Und sie wollen das Unmögliche denken. „Also gut Jakob“, heißt es dann, „Du hast drei Wünsche frei!“ Die Brüder unternehmen eine Zeitreise in die Gegenwart und überlegen, wie einige ihrer Märchen ankommen. Noch einmal begegnen sie dem „Trommler und dem Mädchen“, dem „Fischer und seiner Frau“ und den „Boten des Todes“ und staunen nicht schlecht über deren aktuelle Wirkung.

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In der wunderbar offenen Spielweise des Figurentheaters aus Ravenna, bei der die Spielerinnen deutlich sichtbar mit ihren Figuren auf der Bühne agieren, tauchen die beiden Schauspieler, die Figuren-Spielerinnen und das Publikum in eine Märchenwelt ein, die mit Elementen des Schattenspiels ergänzt wird. Die Spielerinnen aus Ravenna bewegen sich dabei als konstante Begleiter der Puppen auf der Bühne und sind auch fürs Publikum sichtbar – als ob sie in Fleisch und Blut an den bunten Szenenfolgen der gezeigten Märchen teilnehmen würden. Sie setzen handgefertigte Figuren ein, die zum Fundus des Teatro del Drago in Ravenna gehören.

Eine poetische Verbindung

Entstanden ist mit dieser Produktion, von der es eine deutsche und eine italienische Version gibt, eine gelungene poetische Verbindung zwischen dem italienischen Figurentheater und Schattenspiel des Teatro del Drago und dem Schauspielduo Francesco Russo und Bernhard Weller, von denen die Brüder Grimm verkörpert werden. Mitte Oktober, zu Beginn der Theatersaison in Ravenna, wird das Stück auch in der italienischen Partnerstadt von Speyer zu sehen sein.

Man erkennt schnell, dass sehr viel Zeit und Engagement in die Vorbereitungen für diese Produktion geflossen sind. Knapp zwei Jahre waren die beiden Theater mit dem Stück befasst, sagt Matthias Folz, in dessen Händen die Gesamtleitung für das Projekt lag. Zwei Probenphasen in Ravenna und in Speyer waren erforderlich, um das Stück auf die Bühne zu bringen.

Die Endproben haben in Speyer, kurz vor der Premiere im Kulturbeutel stattgefunden. Es ist nicht die erste Zusammenarbeit der beiden Theater, 2018 wurde mit dem Froschkönig eine erste gemeinsame Produktion entwickelt. Jetzt, beim zweiten Stück, hat die ravennatische Theatergruppe die Projektidee eingebracht. Interessanterweise haben die Italiener drei Märchen der Gebrüder Grimm ausgesucht. Theaterleiter Matthias Folz hat diese drei Märchen mit einer Rahmenhandlung versehen und die Geschichte der Brüder Grimm als roten Faden hinzugefügt. Daraus ist eine überzeugende Kombination aus Märchenhandlungen, gespielt von Mariasole Brusa und Roberta Colombo (Teatro del Drago), und zwei Bühnenschauspielern entstanden.

Spannend an diesem Projekt bleibt, dass die beiden Grimm-Brüder beide Sprachen, also Italienisch und Deutsch beherrschen müssen, da ja in Speyer und in Ravenna gespielt wird. Die Herausforderung der beiden italienischen Figuren-Spielerinnen wiederum besteht darin, die Dialoge der Puppen, die als Einspielungen in zwei Sprachen vorproduziert wurden, in der deutschen Fassung zu spielen.

Sie bewegen ihre Figuren nach einer Sprache, die sie nicht beherrschen. Dennoch sind ihre Spielhandlungen perfekt auf den deutschen Text abgestimmt. Interessant dabei sei, so Folz, dass die italienische Version deutlich emotionaler oder auch expressiver – und die deutsche Version eher bedächtiger und feinfühliger ausfalle.

Das sei nur eine der vielen wertvollen Erfahrungen, die er aus dieser jetzt schon zehn Jahre andauernden Zusammenarbeit mit dem Teatro del Drago gewinne. Man lerne sich nicht nur besser gegenseitig kennen, man verstehe auch mehr und mehr die sehr unterschiedlichen kulturpolitischen Rahmenbedingungen von Theaterarbeit in beiden Ländern. Was für beide Theater bleibt, ist der konsequente Wille, ein gutes Stück auf die Bühne zu bringen und diese fruchtbare Zusammenarbeit weiter fortzusetzen.

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