Speyer. Ausnahmslos Werke von Johann Sebastian Bach hatte Robert Sattelberger für sein Orgelkonzert zu Karfreitag aufs Programm gesetzt. Eine Beschränkung, die nicht als solche empfunden wurde; hat Bach doch gerade dem Schmerz über Verlust und Tod in seiner Musik einen Ausdruck verliehen, der in seiner Intensität und Authentizität einzigartig ist.
An der großen Kleuker-Orgel in der Speyerer Gedächtniskirche kamen Bachs Präludien, Fugen und Choralbearbeitungen eindrucksvoll zur Geltung – wenn das Instrument auch nicht in jeder Hinsicht mitspielte. Teilweise verstimmt und mit Tonhängern behaftet, reagierte die Orgel gelegentlich widerborstig auf die Anweisungen des Interpreten, der sich davon aber nicht erschüttern ließ.
Behutsam differenzierte Register
Den einzelnen Werken hatte Robert Sattelberger Bibelpassagen zugeordnet, die die Aussagekraft der Musik hinsichtlich ihrer illustrativen Bedeutung für das Passionsgeschehen verstärkten. Dabei mochte – gemessen am Anlass – das weniger gravitätisch als vielmehr leicht tänzerisch formulierte Bassostinato in Bachs c-Moll-Passacaglia überraschen; die einzelnen Variationen stattete der Organist dank der behutsam differenzierten Register mit charakteristischen Farben aus. Den Übergang zur Fuge bereitete er im Zuge einer breit angelegten dynamischen Steigerung vor.
In der g-Moll-Fantasie brachte Sattelberger die toccatischen Passagen mit der getragenen Klangsprache ins Gleichgewicht, das dennoch spannungsvoll blieb. Die von Organisten üblicherweise leiser registrierten Zwischenteile beließ er unverändert, was das dramatische Empfinden mit der Erfahrung eines gewissen Drängens verknüpfte. Die Fuge registrierte der Interpret weniger orchestral als kammermusikalisch; die Tempi verrieten den erfahrenen Virtuosen, verlockten aber hin und wieder zum übereilten Spiel.
Bachs Partita über den Choral „Sei gegrüßet, Jesu gütig“ gab dem Organisten die Gelegenheit, die Stimmenvielfalt des fünfmanualigen Instruments zu demonstrieren. Sehr wirkungsvoll setzte Sattelberger die einzelnen Teile klanglich voneinander ab; stets ließ sich der Cantus Firmus der Choralmelodie gegen die variierenden Begleitstimmen vernehmen. Das Choralthema am Ende der Partita wurde gegenüber den filigranen Registermischungen zuvor in seiner von Zuversicht erfüllten Erwartung noch einmal voluminös aufgewertet.
Bachs Bearbeitung des Chorals „O Mensch bewein’ dein Sünde groß“ schuf einen intimen Bezug zur Karfreitagsliturgie, während das Präludium mit Fuge in e-Moll (BWV 533) dank seiner tragischen Tonart irgendwie auch die Verheißung eines höheren Ratschlusses in sich aufzunehmen schien. Robert Sattelberger war hier als entschlossener Interpret wahrzunehmen, der nicht nur das technisch anspruchsvolle Werk souverän meisterte, sondern sich auch von den Launen der Orgel nicht beirren ließ.
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