Speyer. Mit der Beziehungskomödie „State of the Union“ des englischen Kultautors Nick Hornby gelingt Regisseur Andreas Krüger und den beiden Schauspielern Maria Breuer (Louise) und Timo Effler (Tom) eine scharfsinnige und gleichermaßen humorvolle Analyse moderner Paarbeziehungen. Und die enthält auch zahlreiche Anspielungen auf die gleichermaßen spannende politische Situation in England. Die Produktion findet derzeit viel Zuspruch beim Publikum im Speyerer Zimmertheater.
Darum geht’s: Die Ehe von Tom und Louise steckt in der Krise. Nach einem Seitensprung von Louise steht die Beziehung auf der Kippe. „Niemand hat gesagt, dass Du ausziehen sollst“, heißt es im Untertitel der Komödie. Um zu retten, was noch zu retten ist, gehen die beiden zur wöchentlichen Eheberatung. Treffpunkt zum „Vorglühen“ ist immer zehn Minuten vorher im Pub gegenüber, wo man sich auf die Therapiestunde einstimmt. Louise trinkt regelmäßig ein Glas Wein, er bestellt immer ein Pint Bier. Genug Zeit also, um das gemeinsame Eheleben zu sezieren, mit Sarkasmus und bissigem Witz die gegenseitigen Schwächen auszuloten oder nur, um die Umgebung zu beobachten.
Bedauern und Verletztheit im Zimmertheater
Die 40-jährige Louise bedauert ihre Affäre, sieht aber auch ein Verschulden bei ihrem Partner, dem durch ihren Seitensprung sichtbar verletzten Tom. Auch er hat seine Gründe, warum er irgendwann in der Beziehung abgeschaltet hat und Louise nicht mehr begehrt. Die unterschiedlichen Interessen, die beim Kennenlernen anziehend wirkten, führen mittlerweile nur noch zu Konflikten bei dem Paar. Als Tom zugibt, aus einer Protesthaltung heraus für den Brexit gestimmt zu haben, ist Louise außer sich. Die Kinder der beiden und das Interesse an Kreuzworträtseln erscheinen als letzte verbliebene Gemeinsamkeit.
Schon der Titel der Komödie „State of the Union“ verweist auf eine Doppelbödigkeit, die Nick Hornby seiner Geschichte bewusst mitgegeben hat. Damit ist auch die Lage gemeint, in der sich England nach dem Brexit befindet. Was für die Beziehungskrise gilt, muss auch auf der politischen Ebene neu verhandelt werden. Die Schieflage der Nation entspricht der Schieflage dieser Beziehung. Auch im Brexit, der für Großbritannien fatale Folgen hatte, geht es um die Neubestimmung der Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU. Hornbys Stück erinnert uns also daran, „dass die Fähigkeit zum Dialog und zur Anpassung entscheidend ist, um trotz aller Unterschiede eine gemeinsame Zukunft zu gestalten“, so der Hinweis im Programmblatt des Zimmertheaters zum Stück. Den richtigen Ton zu finden – das gilt für die persönliche wie für die politische Ebene gleichermaßen.
Zehn Szenen dieser Ehe werden im Speyerer Theaterkeller gespielt, jeweils unterbrochen von kurzen Videos, welche die Sinnkrise des Paares sehr häuslich abbilden und die beiden Protagonisten in Alltagssituationen zeigen – bei der Hausarbeit, mit den Kindern, im Familienauto, im Park oder auch im Ehebett.
Gedreht wurden diese Szenen von Regisseur Andreas Krüger, der seine zwei Schauspieler dafür am Rhein, im Auto, oder in der eigenen Wohnung gefilmt hat. Dieser regietechnische Kniff sorgt für kurze Atempausen in den sprachmächtigen Wortgefechten auf der Bühne. Und die Videoclips führen den Zuschauer noch tiefer in die Lebenswelt der beiden Figuren hinein.
Gibt es doch noch Hoffnung?
Witzig an der Geschichte ist darüber hinaus, dass die beiden Eheleute aus dem Pub heraus gerne andere Paare beobachten, die die gleiche Eheberaterin aufsuchen. Ihre Kommentare dazu reichen von neugierigem Spott bis zum ehrlichen Mitgefühl. Die zehnte Beratung lassen beide nach einer spontanen Entscheidung sausen. Ihre Ehe samt Sex kommt allmählich wieder in Schwung. Trennt man sich, oder rauft man sich wieder zusammen, wenn man sich doch eigentlich liebt und das meiste am gemeinsamen Leben funktioniert?
Die Speyerer Produktion von „State of the Union“ ist tiefgründige Beziehungsanalyse und beste Unterhaltung gleichermaßen. Die Inszenierung dieser Wortgefechte einer Ehe überzeugt durch die beiden Darsteller Maria Breuer und Timo Effler, aber auch durch die taktsetzenden und unterhaltsamen Videoeinspieler von Andreas Krüger, die zudem mit einem attraktiven Soundtrack versehen sind.
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