Speyer. Wenn der „Chor der Krieger“ auftritt, bebt die Gedächtniskirche in ihren Grundfesten. Mit Ludwig van Beethovens Oratorium „Christus an dem Ölberge“, in dem jene Ankläger Jesu wüten, hat die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz ihr Musikfest beendet. In Robert Schumanns Klavierkonzert ließ sie zum Ende dieser Spielzeit auch ein wenig Wehmut anklingen.
Joseph Moog brachte am Flügel die fließende Romantik und das aufschäumende Stürmen und Drängen mit orchestralen Registern zum Ausdruck. Florestan und Eusebius, jene für Schumanns Musik charakteristischen antagonistischen Energien, fochten heftige Kämpfe aus; gleichwohl wahrte der Pianist das Gleichgewicht der Kräfte. Weder wurden die cholerischen Temperamente zu sehr betont, noch litt die Klangschönheit unter salonhafter Sentimentalität. Ein abgerundetes Stück Musik, ohne Ecken und Kanten. Auch mit Schumanns Etüde über eine Paganini-Caprice als Zugabe sparte Moog nicht an Wohlklang.
Beethovens hochdramatisches Oratorium über die letzten Stunden Jesu, die dieser laut neutestamentlichem Bericht vor seiner Kreuzigung auf dem Ölberg verlebte, ist dank seiner brachialen Dynamik von völlig anderem Kaliber. Der Komponist mutet vor allem den Gesangssolisten extrem herausfordernde Partien zu. Ania Vegry (Sopran), Michael Müller-Kasztelan (Tenor) und Stephan Bootz (Bass) zeigten sich dem gewachsen.
Sei es mit Blick auf die dramatische Ausdrucksweise in Verbindung mit exzessiven Entwicklungen, sei es der weit gespannte Ambitus besonders für Tenor und Sopran. Auch fordert das Libretto, in dem das Angefochtenseins des Menschensohns mit Blick auf seine Berufung zum Kreuzestod reflektiert wird, eine enorme Ausdruckstiefe. Allen drei Gesangssolisten war eine starke Identifikation mit ihren Rollen eigen – sei es als Christus (Tenor), als Seraph (Sopran) oder als Petrus (Bass). So machte Tenor Müller-Kasztelan die Verzagtheit Jesu in Verbindung mit der Todesgewissheit in ergreifender Weise erfahrbar.
Wucht und Unbezwingbarkeit
In diesem Oratorium finden sich Beethovensche Wucht und die Unbezwingbarkeit seines kompositorischen Vorgehens realisiert. Das mag am Thema liegen, wobei sich der Text zu „Christus am Ölberge“ zwar an biblische Vorlagen hält, während die Musik einen rauen und trotzigen Ton anschlägt und sich damit einer religiösen Verengung zugunsten einer Haltung verweigert, die das Leben als solches gegen den Tod ausspielt.
Chefdirigent Michael Francis hielt Sänger und Orchester in jeder Sekunde zu vollem Einsatz an. Hier wurde kontinuierlich auf hohem Level musiziert, was Beethovens selten aufgeführtem Oratorium durchaus einen gewissen Nachdruck hinsichtlich seines Repertoirewertes verlieh. Tatsächlich möchte man das Werk durchaus häufiger aufgeführt erleben; allerdings braucht es hierfür nicht nur ausgezeichnete Orchestermusiker wie Gesangssolisten, sondern auch einen Chor, der dieses Niveau halten kann.
Mit dem von Domkapellmeister Markus Melchiori geleiteten Domchor Speyer standen in der Gedächtniskirche Sängerinnen und Sänger, die den „heiligen Jubelton“, wie ihn Beethovens Oratorium anschlägt, mit hymnischer Klanggewalt trafen. Dieser Chor ist weder um Ausdrucksstärke noch um stimmliche Kraft oder technische Versiertheit bis in die fugierten Passagen hinein verlegen. So machte der Domchor das Finale dieses Musikfestes zu einem ganz besonderen Erlebnis.
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